Meine Damen und Herren, wir haben hier keinen direkten Dialog, auch wenn Zwischenrufe erlaubt sind. - Frau Bruns, machen Sie es jetzt alleine.
Das mit den Betriebsräten ist sowieso ein Thema. Es wird ständig unterstellt, wir hätten kein Herz für Betriebsräte. Wir waren Betriebsräte. Wir hatten eine liberale Stiftung, in der es einen Betriebsrat
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig! So ist das! Hier sitzt die niedersächsische Arbeitnehmerschaft! - Heiterkeit)
- Hauptsache, ihr glaubt es mir. - Bei den meisten Fällen, die sich um die ständige Erreichbarkeit drehten, war diese aber nicht vom Vorgesetzten angeordnet worden. Vielmehr hatte der Mitarbeiter eine unglaubliche Erwartungshaltung an sich selbst, sofort reagieren zu müssen, woraus eine ständige Erreichbarkeit resultiert. Das ist aber ein gesellschaftliches Problem, an das wir unbedingt herangehen müssen. Vielleicht ergibt sich im Ausschuss dazu noch irgendetwas. Im Antrag selbst habe ich nämlich nichts Konkretes dazu gefunden.
Spannend finde ich die Erhebung der Daten, wie sich das im Jahr 2002 eingerichtete Gesundheitsmanagement in der Landesverwaltung entwickelt hat. Meines Erachtens kann man aus diesen Daten gute Rückschlüsse ziehen, wohin es gehen kann.
Über den Mindestlohn spreche ich an dieser Stelle nicht. Dazu ist genügend gesagt worden. Unsere Positionen sind ausgetauscht.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung. Herr Schminke, Sie haben angesprochen, dass Familie und Beruf vereinbar sein müssen. Zurzeit gibt es eine gesellschaftliche Entwicklung, in deren Rahmen gesagt wird: Der Ausbau von Kitas ist gut. Wir müssen den Menschen aber auch andere Maßnahmen zur Seite stellen. Sonst haben wir irgendwann völlig abgearbeitete Paare, die sich innerhalb ihrer 40-Stunden-Wochen aufreiben. - Insofern sollte man auch mehr über Heimarbeitsplätze und flexiblere Arbeitszeiten nachdenken und überlegen, wie man diese Instrumente einsetzen kann. Das finde ich schon wichtig.
Viele Unternehmen - das hat Herr Fredermann auch schon angedeutet - machen schon eine gute Gesundheitsfürsorge. Lassen Sie uns bitte auch dahin gucken, was es schon gibt und wie man das übernehmen kann!
Ein bisschen Angst macht mir, wenn ich solche Anträge lese, die geplante Arbeitsstättenverordnung und dass wir uns darüber unterhalten, wo die
Tastatur stehen muss und ob ich meine Hand am Arbeitsplatz auflege oder nicht. Das macht mir, ehrlich gesagt, ein bisschen Sorgen.
Vielen Dank, Frau Bruns. - Jetzt hat sich Thomas Schremmer, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit haben wir jetzt auch festgestellt, wo die einzige Betriebsrätin, die die FDP jemals gehabt hat, residiert,
nämlich in der Landtagsfraktion der FDP in Niedersachsen. Das finde ich hervorragend. Ich begrüße das sehr.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Woher haben Sie denn diese Er- kenntnisse?)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ich bin überzeugt, dass Burn-out ansteckend ist.“ Dieses Zitat stammt aus der Berliner Morgenpost anlässlich eines Interviews zum letzten DAKGesundheitsreport. In diesem Report findet sich die Aussage, dass die Zahl der Fehltage aufgrund einer psychischen Erkrankung im Jahr 2014 einen neuen Höchststand erreicht hat, nämlich im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 12 %.
In einem weiteren Bericht der Kranken- und Unfallversicherungen heißt es: Zwei Drittel aller Erwerbstätigen leisten regelmäßig Überstunden - zwei Drittel! Jeder Fünfte fühlt sich von seinem Arbeitgeber unter Druck gesetzt. Jeder Vierte sagt, dass er regelmäßig Aktivitäten mit seiner Familie und seinen Freunden ausfallen lasse, weil es sonst keine Möglichkeiten gibt, sich auszuruhen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Arbeitswelt hat sich verändert. Wir können vor diesem Hintergrund sagen, dass sich das Leitbild des lebenslangen, sicheren und auskömmlichen Arbeitsplatzes verändert. Den gibt es nicht mehr. Die Anforderungen werden größer.
(Christian Dürr [FDP]: Innerhalb von zwei Minuten habe ich hier schon zwei Personal- und Betriebsräte ge- funden! Wie viele Betriebsräte sitzen denn dort?)
Ich möchte noch eine Zahl nennen, eine wichtige Zahl - dies zeigt auch, wie wichtig die Befassung ist -: 1965 brauchte eine Familie im Durchschnitt 56 Arbeitsstunden, um die ökonomische Existenz zu sichern. 2008 waren es schon 67.
Das heißt, Mütter und Väter arbeiten heute im Durchschnitt länger als die Generationen vor ihnen. Gute Eltern wollen sie aber trotzdem sein.
Ich kann Ihnen sagen: Herr Fredermann, hier geht es nicht um Klassenkampf, sondern das alles ist Realität, der wir, finde ich, Rechnung tragen sollten. Das tun wir mit diesem Antrag. Das ist auch richtig so.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Rainer Fredermann [CDU]: Das ist auch eine Frage der In- terpretation, Herr Kollege!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entwicklungen am Arbeitsmarkt und in den Betrieben lassen sich nicht zurückdrehen. Aber der Erklärungsversuch, den Anstieg der Erkrankungen zu individualisieren, und so zu tun, als wenn die Arbeitswelt damit nichts zu tun hat, ist falsch und ignoriert nur das Problem, verkennt den Zusammenhang und ist aus meiner Sicht auch betriebswirtschaftlich unklug.
Wenn Sie schon fragen, ob das nur etwas mit der Arbeit zu tun hat, dann frage ich mit einem kleinen Augenzwinkern, ob sich das Auftreten der Opposition in diesen Tagen nicht auch auf die Work-LifeBalance ausgewirkt hat. Auch das können wir einmal gemeinsam erörtern. Ich glaube, auch Sie haben einen erheblichen Anteil daran, wenn wir hier arbeiten.
Ich finde, es lassen sich aber auch vielversprechende Ansätze erkennen. Es gibt Arbeitgeber, die für Arbeitszeitmodelle sehr offen sind. Vorgesetzte sind Vorbilder. Es gibt Eltern- und Pflegezeiten. Es gibt eine hohe Sozialkompetenz auch in der Personalführung. Ich glaube, das darf man nicht ignorieren, sondern das muss man ausbauen.
Die Einführung des Mindestlohns - das habe ich schon gestern oder vorgestern gesagt - ist ein Meilenstein, reicht aber allein natürlich nicht aus, um gesundheitliche Belastungen herauszunehmen. Dabei geht es um die Finanzierung. Ich finde, das Präventionsgesetz, das die Bundesregierung anschieben will, tut ein Übriges. Die Kassen werden an dieser Stelle als Kostenträger mit einbezogen. Das finde ich richtig. Auch die Antistressverordnung, die die IG Metall entwickelt hat, wäre, meine ich, eine wichtige flankierende Maßnahme.
Da ich in meinem früheren Leben bei einem öffentlichen Arbeitgeber gearbeitet habe, möchte ich noch sagen, dass auch da natürlich noch ein bisschen was drin ist.
Da mein alter Personalchef dort hinten in der Besuchergruppe sitzt, will ich durchaus auch ein bisschen selbstkritisch sagen: Da hat sich die Stadt Hannover viel vorgenommen. Da müssen wir noch mehr machen.
Wenn Sie sich einmal die Mühe machen und sich anschauen, wer alles die Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen Gesundheitsförderung unterschrieben hat, kann man sagen: Da sind gute Unternehmen aus Niedersachsen dabei, nämlich Continental, VW und u. a. die Stadt Wolfsburg. Darin stehen wichtige Dinge. Das ist ein Netzwerk, das einen Erfahrungsraum bietet, auch für öffentliche Arbeitgeber. Ich finde, davon können sich noch viele eine Scheibe abschneiden. - Das dazu.
Ich komme zum Schluss. - Hier kommt an, wie wichtig dieses Thema ist. Das hat auch die Opposition eingeräumt.
Insofern glaube ich, dass Betriebe, die auf WorkLife-Balance - man kann es auch anders ausdrücken - und betriebliche Gesundheitsförderung setzen, in der Frage der Konkurrenz Vorteile haben werden.
Wir wollen mit diesem Antrag - das können wir auch; das werden wir dann in den Ausschüssen sehen; auch ich habe ein Interesse daran, dass der federführende Ausschuss entscheidet, diesen Antrag auch im Sozialausschuss zu behandeln, weil ich auch dort aktiv bin - eine breite gesellschaftliche Diskussion befördern und das Bewusstsein für diese Fragen stärken. Ich glaube, das hat auch die Bundesregierung erkannt, an der Sie als CDU beteiligt sind. Insofern machen wir hier alles richtig. Der Antrag ist super.
Herr Bley, diese Frage lassen wir jetzt noch zu, obwohl die Redezeit bereits abgelaufen ist, weil sie inhaltlich gut in die Debatte passt. - Bitte schön!
Herr Schremmer, Sie haben wieder deutlich gemacht - wie auch Herr Schminke -, dass die Arbeitgeber dafür eine gewisse Verantwortung tragen. Sehen auch Sie das so, oder sind Sie der Meinung, dass auch ein Arbeitnehmer einen bestimmten Teil dazu beitragen kann und dass das Ganze auch von der Arbeitnehmerseite her verbessert werden könnte?
(Ronald Schminke [SPD]: Das sagen wir doch auch! - Gegenruf von Rainer Fredermann [CDU]: Er ist gefragt, nicht Sie, Herr Schminke!)
Lieber Herr Kollege Bley, ich habe das mit dem öffentlichen Arbeitgeber u. a. deswegen gesagt, weil ich nach 20 Jahren Arbeit über ganz viele Erfahrungen bei diesem Arbeitgeber verfüge. Sie können mir glauben, dass ich weiß, dass es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, die Verbesserungsbedarf auch hinsichtlich der Frage haben: Wie gehe ich eigentlich mit meiner Gesundheit um?