Protocol of the Session on March 27, 2014

Wenn Sie den Anspruch haben, dass es eine unabhängige Expertenkommission gewesen ist, hätte ich mir gewünscht, dass Sie, wenn Sie sagen, der Austausch sei interessant gewesen, dieses Angebot an uns gerichtet hätten. Ich will es gleichermaßen in die andere Richtung sagen: Die Arbeitsgruppe, die Boris Pistorius eingerichtet hat, hat diesen Gesprächswunsch an die Fraktionen im Haus getragen. Ich muss ehrlich sagen: Ich glaube, Sie haben sich um ein gutes Gespräch gebracht. Wir haben uns mit dieser Arbeitsgruppe sehr intensiv ausgetauscht und ein sehr gutes Gespräch geführt. Von daher finde ich es schade, dass Sie dieses Gesprächsangebot, diesen Faden nicht aufgenommen haben.

Ich will an der Stelle sagen, dass wir großes Vertrauen in diese Arbeitsgruppe setzen und einem Bericht entgegensehen, von dem wir meinen, dass

er viele - auch parlamentarische - Handlungsoptionen vorgibt.

Ich teile die Einschätzung, um im Parlamentarischen zu bleiben, dass der Ausschuss für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes sicherlich, um seiner Aufgabe gerecht werden zu können, diese parlamentarische Kontrolle in Zukunft stärker wahrnehmen muss. Wir müssen prüfen, durch welche Elemente sich hierbei eine Stärkung herbeiführen lässt.

Die Diskussion über die Zukunft und das weitere Umgehen mit dem Verfassungsschutz ist natürlich nicht nur eine, die im Ausschuss für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes geführt wird, sondern ich gehe davon aus, dass wir über den Entwurf des Verfassungsschutzgesetzes eine parlamentarische Debatte führen werden, aber auch im Rechts- und im Innenausschuss und dann auch im betreffenden Fachausschuss, dem Ausschuss für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes.

Die Handlungsebenen erstrecken sich aber auch ins Haus. Wir nehmen wahr, dass unter Boris Pistorius und unter der neuen Verfassungsschutzpräsidentin die Reform begonnen hat, dass ein anderer Umgang mit Speicherungen stattfindet, dass das Vieraugenprinzip eingeführt wurde, dass auch ein anderer Umgang mit Fehlern und eine andere Sensibilität praktiziert werden und dass sich einiges im Hause verändert hat, und zwar sehr zum Positiven. Das muss man hervorheben. Hier hat etwas begonnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir glauben nicht, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Enquetekommission ein wirkungsvolles Instrument ist. Auch der Kollege Bachmann hat in seiner Rede im Oktober hier vor diesem Haus deutlich gemacht, dass wir an der Stelle nicht auf Zeit spielen und abwarten, bis alles vorliegt, und dann kommt es. Vielmehr haben wir deutlich gemacht, dass sich das Parlament an entscheidender Stelle hiermit auseinanderzusetzen haben wird. Aus Respekt vor dem Verfahren und weil es eine besondere Rechtsstellung für den Verfassungsschutz gibt, sehen wir in dem dritten Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission kein wirkungsvolles Instrument. Wir freuen uns auf den Bericht, den Boris Pistorius vorlegen wird, und werden ihn dann an geeigneter Stelle parlamentarisch und in den Ausschüssen diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Brunotte. - Von der CDU-Fraktion liegt die Meldung zu einer Kurzintervention vor. Herr Kollege Nacke, bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Brunotte, Herr Kollege Birkner hat es gerade ausgeführt: Wir haben Ihnen das vorausgesagt. Erst hieß es: Abwarten, bis die Berichte kommen! - Und jetzt heißt es: Wir haben keine Zeit mehr. Eine Enquetekommission wollen wir nicht. - Wir wollten, dass sehr deutlich wird, dass Sie sich diesem Aspekt verweigern.

Der Löwe in den Koalitionsverhandlungen,

(Zuruf: Don Leon Pistorius!)

der hier mehrfach angesprochen wurde: Na ja, Herr Löwe Pistorius, Sie waren noch während Ihrer Rede von Berlin aus mit der Nachricht überholt worden, dass es dort eine Einigung gibt. Das wird Ihnen jetzt nicht passieren, weil die Zuständigkeit in Niedersachsen liegt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Löwe Pistorius, was Sie in den Koalitionsverhandlungen erkämpft haben, das ist eine paritätisch besetzte Kommission. Nichts ist entschieden worden, weil Sie sich nicht einigen konnten. Auf die Frage, was „paritätisch“ bedeutet, konnten nicht einmal Sie eine Antwort geben. Schön haben Sie gekämpft! Wenig Löwe, viel Löwenzahn - und bald Pusteblume, das kann man an der Stelle nur noch sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Den Löwen sehe ich also nicht. Ich hoffe, Sie können sich besser sehen.

Dass wir auf dieses merkwürdige Gesprächsangebot eingehen - hinter verschlossenen Türen soll jemand vor ein Tribunal treten -: Das ist eines Parlaments nun wirklich nicht würdig.

Gut, wenn ihr das nicht wollt, wenn nicht gewünscht ist, dass wir das in einer Enquetekommission mit Experten beraten, dann werden wir den Gesetzentwurf erwarten. Aber damit wird eindeutig klar, was ich hier immer und immer wieder betont habe: SPD und Grüne sind sich in Fragen des

Verfassungsschutzes nicht einig. Sie haben dort ein Riesenproblem. Deswegen trauen Sie sich nicht in eine Enquetekommission. Mühselig werden Sie hinter verschlossenen Türen einen Kompromiss aushandeln, der irgendwie halten muss, und dann wird das Ding auf Teufel komm raus - unabhängig von Expertenmeinungen, unabhängig von Oppositionsmeinungen, unabhängig von öffentlicher Beratung - durchgetragen, weil kein Jota geändert werden kann. So läuft das zurzeit bei Ihnen! Daran wird das jetzt sehr deutlich.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Nacke. - Herr Pistorius kommt noch und wird sicherlich eine Antwort finden. - Herr Brunotte, bitte schön!

(Ronald Schminke [SPD]: Es gibt Lö- wen und Löwenzahn, und es gibt Luftballon und Peng! - Heiterkeit)

Herr Kollege Nacke, ich glaube, genau das ist das Problem. Da Sie nicht das Gespräch mit der Arbeitsgruppe gesucht haben, empfinden Sie diese als Tribunal. Was dort stattgefunden hat, ist kein Tribunal, sondern es hat eine Expertengruppe getagt, die sich sehr intensiv mit dem Verfassungsschutz auseinandergesetzt hat und die sehr daran interessiert ist, eine Lösung für die Problemlagen zu finden, die aufgeworfen wurden. Von daher haben Sie sich der Chance beraubt, hier in einen inhaltlichen Austausch über die Zukunft des Verfassungsschutzes einzutreten.

(Beifall bei der SPD)

Sie als schwarz-gelbe Landesregierung hatten zehn Jahre lang Zeit, die Dinge im Hause so zu sortieren, wie Sie meinten, dass es erforderlich ist. Was wir vorgefunden haben, spricht aber Bände. Deswegen finde ich es reichlich vermessen, wenn Sie uns, nachdem die Landesregierung den Reformbedarf durch die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe deutlich gemacht hat und bevor wir in das Verfahren der parlamentarischen Debatte eingetreten sind, unterstellen, dass wir mit dem Argument des Zeitdrucks eine Enquetekommission nicht einrichten wollten.

Wir sehen eine ganz andere Rolle des Parlaments. Dafür braucht es keine Enquetekommission, sondern eine

(Jörg Hillmer [CDU]: Regierungskom- mission!)

vernünftige parlamentarische Debatte über die Ziele des Verfassungsschutzes. Diese werden wir dann in diesem Haus suchen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben das Vertrauen, dass diese Landesregierung mit dem Innenminister für einen rechtsstaatlichen Verfassungsschutz steht und einen anderen Geist prägt, als es in den letzten zehn Jahren üblich war.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu Wort gemeldet hat sich - - - „Minister Pistorius“ reicht, nicht wahr?

(Minister Boris Pistorius: Völlig!)

Herr Minister Pistorius, Sie haben das Wort.

(Zuruf von der CDU: Du kannst auch „Don Leon“ sagen!)

Meinetwegen auch „Don Leon“.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nacke, ich muss schon sagen: Sie sind ein Meister der Verwandlung. - Ich habe Ihrer Einbringungsrede aufmerksam zugehört, wie sich das gehört, und ich konnte nicht anders, als Ihnen in großen Teilen Ihrer Analyse zuzustimmen.

Es kam ein schwacher Moment, in dem ich mich an das wohl berühmteste Zitat aus dem Film „Casablanca“ erinnerte. Nein, ich meine nicht: „Ich seh’ dir in die Augen, Kleines.“

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich meinte die Szene, in der Captain Renault am Flughafen zu Rick sagt: „Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“

(Heiterkeit)

Aber noch bevor ich diesen Gedanken wirklich zu Ende führen konnte, waren Sie wieder der alte, und dieser Gedanke löste sich in Luft auf.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Hohen Haus erst vor wenigen Wochen über Ihre Forderung nach einer Enquetekommission gesprochen. Wir haben uns damals - das war das erfreuliche Ergebnis dieser Debatten - immer wieder darauf verständigt und waren uns darüber einig, dass es einer Reform des Verfassungsschutzes bedarf.

Ich denke, wir sind uns auch heute - das ist aus allen Beiträgen deutlich geworden - in dieser grundsätzlichen Frage und sogar darüber hinaus einig.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen der CDUFraktion, man konnte vor einer Woche den Zeitungen entnehmen, dass Sie für eine gemeinsame Reform des Verfassungsschutzes mit den anderen Parteien plädieren. Das begrüße ich ausdrücklich. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie die Einladung der Arbeitsgruppe - es ist übrigens keine Kommission - angenommen hätten so wie alle anderen Fraktionen. Niemand hat sich dort gefühlt wie im Tribunal. Es ging um einen fachlichen Austausch, der von allen sehr gelobt wurde, wie mir berichtet wurde.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Ganz im Gegenteil! Sehr gute Ge- spräche!)