Protocol of the Session on February 26, 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all dies betrachtet, glauben wir, dass die Landesregierung schnell, umfassend und rechtssicher gehandelt hat. Sie hat nicht zehn Jahre gewartet, wie es die Vorgängerregierung gemacht hat. Sie ist ihrer Verantwortung mit dem vorliegenden Erlass gerecht geworden. Wir unterstützen dieses Vorgehen. Folgerichtig werden wir die beiden vorgelegten Anträge der CDU ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Brunotte. - Jetzt hat sich Jörg Bode, FDP-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Abgeordneter!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorredner haben schon darauf hingewiesen: Die schrecklichen Ereignisse in Papenburg haben den Fokus auf die Wohnbedingungen und die Kontrolle derselben gelenkt. Es gab viele Diskussionen. Auch wir haben uns die Frage gestellt: Ist der Vorschlag, gesetzgeberisch tätig zu werden, den die CDU gemacht hat, ein geeigneter Weg, um Missstände und auch Missbrauch tatsächlich auszuschließen? - Aber wenn man sich erinnert, wie sich die kommunale Spitzenverbände - auch nach Absprache mit den jeweiligen Landräten - eingebracht und was sie zu der Frage gesagt haben, was für die Praxis tatsächlich sinnvoll, erforderlich und notwendig ist, um Missbrauch zu bekämpfen, dann erkennt man, dass man hier einen anderen Weg als den gesetzgeberischen gehen sollte.

Die Landesregierung hat diesen anderen Weg beschritten. Das haben wir damals im Plenum auch begrüßt. Es gibt eine einheitliche Regelung, die das, was die Kommunen nach ihrer eigenen Aussage brauchen, um Missbrauch zu bekämpfen, tatsächlich bietet. Das begrüßen wir auch als FDP. Weil es sich in den letzten Wochen und Monaten in der Tat bewährt hat, ist es aus unserer Sicht vollkommen ausreichend und richtig und sinnvoll, so vorgegangen zu sein. Man muss es sicherlich in der Zukunft weiter beobachten. Aber derzeit gibt es

keinen Anlass, gesetzgeberisch tätig zu werden. Der Gesetzentwurf der CDU geht auch aus unserer Sicht ein wenig über das Ziel hinaus.

Wir sind mit der Situation, so wie sie jetzt in Niedersachsen besteht, zufrieden und glauben, dass das zum Wohle aller Betroffenen ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Jetzt hat sich die Ministerin zu Wort gemeldet. Frau Ministerin Rundt, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung will für alle in Niedersachsen lebenden und arbeitenden Menschen sicherstellen, dass die Wohnverhältnisse gesund und sicher sind. Dabei stellen die Verhältnisse in regulären Wohnungen üblicherweise kein Problem dar. Probleme sind, wie uns insbesondere die Vorfälle in Papenburg zeigen, aufgetreten, wenn eine Umnutzung von Wohnungen zu Unterkünften für Werksvertragsarbeiter vorgenommen wurde.

Die Landesregierung hat sehr schnell, nämlich im August 2013, entschieden, die Verbesserung solcher Unterkunftssituationen so schnell wie möglich anzugehen. In enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden wurde unter Federführung des Sozialministeriums sehr zügig ein Maßnahmenkatalog entwickelt, der den Kommunen auch sofort für ihre Prüfungen zur Verfügung gestanden hat.

Im Ergebnis gibt es einen gemeinsamen Runderlass des Sozialministeriums und des Innenministeriums über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte vom 17. Dezember, der am 15. Januar veröffentlicht und - auch das will ich noch einmal betonen - eng mit den Kommunen abgestimmt wurde. Damit haben wir eine einheitliche und rechtssichere Vorgehensweise aller niedersächsischen Bauaufsichtsbehörden gewährleistet. Die Landesregierung unterstützt damit alle Kommunen in ihrem professionellen Vorgehen gegen missbräuchliche Zustände vor Ort.

Der Erlass konkretisiert in aller Klarheit bauliche Anforderungen an sichere und gesunde Unterkünfte und gibt den kommunalen Behörden eine Hilfe

stellung bei der Beurteilung, wann die Nutzung einer Wohnung zur Nutzung einer Unterkunft wird. Insbesondere erklärt er die Technischen Regeln für Arbeitsstätten für anwendbar, damit die notwendigen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse gestellt werden können. Bei großen Unterkünften gilt die Muster-Beherbergungsstättenverordnung der ARGEBAU, die rechtlich greift, damit dort ein ausreichender Brandschutz gewährleistet ist. Im Hinblick auf den Brandschutz ist eine Gleichbehandlung von Arbeitnehmerunterkünften für mehr als zwölf Personen mit Beherbergungsstätten entsprechender Größe sinnvoll und geboten. Dies wird im Erlass der Landesregierung auch vorgegeben. Dazu wird auf die Muster-Beherbergungsstättenverordnung verwiesen.

Der Erlass setzt Mindeststandards. Sofern Kommunen einzelne Regelungsbereiche noch intensiver regeln wollen, können sie dies in eigener Zuständigkeit tun. Die Landesregierung hat sich an dem vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht geprägten Maßstab der - ich zitiere - „hierzulande entstandenen Verhältnisse“ leiten lassen und daher bewährte Regelungen des Arbeitsschutzes herangezogen.

Der Sozialausschuss des Landtags hat in seiner Sitzung am 6. Februar sowohl den Gesetzentwurf als auch den Antrag der CDU-Fraktion mehrheitlich abgelehnt. Ich vermute, dass die Ausschussmehrheit erkannt hat, dass der Gesetzentwurf und der Antrag in direktem Gegensatz zur politischen Grundüberzeugung der CDU stehen; denn im damaligen Koalitionsvertrag war ausdrücklich die weitere Deregulierung der Niedersächsischen Bauordnung postuliert. Daher hat Niedersachsen damals auch die von der Bauministerkonferenz der Länder vorgeschlagene Muster-Beherbergungsstättenverordnung nicht eingeführt. Wenn man sie jetzt fordert, wirkt das nicht sonderlich glaubwürdig.

Wichtig ist uns, dass dann, wenn bei Wohnungen Verstöße gegen das öffentliche Baurecht vorliegen oder zu vermuten sind, Bauaufsichtsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen anordnen und bei Gefahr im Verzuge auch durchsetzen können.

Die Stadt Papenburg hat inzwischen auf der Basis unseres Erlasses 91 Unterkünfte überprüft. Sie hat in 45 Fällen eine Reduzierung der Belegung veranlasst, 13 Unterkünfte teilweise stillgelegt, insbesondere wegen Mängeln an den Rettungswegen, und in 5 weiteren Fällen sonstige Anordnungen getroffen. Ohne Beanstandung blieben nur 7 überprüfte

Fälle. Man sieht: Der Erlass wirkt, und wir haben nicht zehn Jahre lang die Augen gezielt vor den bestehenden Problemen verschlossen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Sozial- und Bauministerin. - Jetzt rufe ich den Kollegen Max Matthiesen auf, der sich zu Wort gemeldet hat. Herr Dr. Matthiesen, Sie haben noch eine Restredezeit. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich greife die Bemerkung von Herrn Schminke auf, der vorhin gesagt hat, wir als CDULandesregierung und als CDU-Landtagsfraktion hätten viele Jahre Zeit gehabt. Das Ganze hat ja eine Geschichte. Ich habe, weil ich schon geahnt habe, dass so etwas kommen würde, einen Entschließungsantrag der CDU-Fraktion aus dem Jahre 2005 mitgebracht. Das ist die Drucksache 15/1830 und trägt die Überschrift: „EU-Dienstleistungsrichtlinie muss fairen Wettbewerb gewährleisten“. Da hat die CDU-Fraktion für die Landespolitik vorgegeben, dass sichergestellt werden muss, dass es infolge der damaligen Dienstleistungsrichtlinie der EU nicht zu Sozialdumping kommt - das betrifft diesen Bereich - und dass - das war damals eine ausdrückliche Vorgabe - bei der Arbeitnehmerüberlassung in Zukunft alle Anbieter die hiesigen Standards einhalten. Es ist also außer Frage, dass wir in der Entwicklung immer versucht haben, das Bestmögliche zu machen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Warum hat sich Ihre eigene Regierung nicht daran gehalten?)

Im letzten Jahr haben gerade CDU-geführte Landkreise besonders hart eingegriffen. Das war der Landkreis Cloppenburg. Das war der Landkreis Emsland. Ich freue mich auch, dass Kollege Schremmer vorhin die Papenburger genannt hat, die nämlich auch aktiv geworden sind. Da jetzt die Dinge hin- und herzuschieben, finde ich falsch. Es ist doch klar, dass es darum geht, die beste Lösung zu finden. Wir lassen uns auch nicht darin beirren, dass wir zur richtigen Zeit die richtigen Vorschläge machen.

Wir halten das Gesetz aus den genannten Gründen für eine geeignete Möglichkeit, das Ganze auf Dauer vernünftig zu regeln, und bitten, noch einmal darüber nachzudenken.

(Beifall bei der CDU - Uwe Schwarz [SPD]: Warum hat die CDU-Landes- regierung es nicht umgesetzt?)

Vielen Dank, Herr Dr. Matthiesen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung. Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/448 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung. Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der CDU in der Drucksache 17/449 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Damit ist auch der Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu dem letzten Punkt vor der Mittagspause.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratung: Auf dem Weg zu einem inklusiven Niedersachsen - Landtag geht mit gutem Beispiel voran! - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/465 mit Ergänzung - Beschlussempfehlung des Ältestenrates - Drs. 17/1224

Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Als Erster hat sich der Kollege Uwe Schwarz, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Schwarz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor fünf Jahren, am 26. März 2009, trat die UN-Behindertenrechtskonvention völkerrechtlich in Kraft. Sie ist bindendes Menschenrecht und verleiht Menschen mit Behinderungen einklagbare Rechte, vor allem das Recht auf umfassende gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen, die sogenannte Inklusion. Alle staatlichen Ebenen sind seither verpflichtet, die Konvention gleichermaßen umzusetzen. Das gilt für Bund, Land und Kommunen. Diese Konvention und die Wirkungen sind gut. Sie war auch im Interesse der Betroffenen lange überfällig.

Jeder Mensch ist anders und einzigartig. Jeder Mensch hat individuelle Fähigkeiten, Begabungen, Vorlieben und Bedürfnisse, aber auch persönliche Einschränkungen und Grenzen. Wie sieht bei uns die gesellschaftliche Realität für Menschen mit Behinderungen trotz dieser UN-Konvention immer noch aus? - Das Thema wird, wenn überhaupt, nur sehr schleppend angefasst. Allein schon mit dem Begriff „Inklusion“ kann nur ein kleines Fachpublikum etwas anfangen. Die öffentliche Debatte ist fast ausschließlich auf die Bildungspolitik verengt. Inklusion, meine Damen und Herren, ist aber weit mehr als Bildung. Sie umfasst alle staatlichen Bereiche. Wir haben übrigens allein in Niedersachsen laut Landessozialamt zurzeit 1 324 000 betroffene Menschen mit Behinderungen. Das sind 16 % unserer Bevölkerung.

Artikel 8 der UN-Konvention verlangt daher zu Recht eine notwendige veränderte Bewusstseinsbildung und eine respektvolle Einstellung gegenüber den Rechten von Menschen mit Behinderungen. Ich sage ausdrücklich: Es geht dabei nicht um Mitleid, sondern um die Durchsetzung von Menschenrechten, die Vermeidung von Diskriminierungen und den Abbau von Barrieren in allen Bereichen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich stelle fest: Das reiche Deutschland ist jedenfalls bei diesem Thema noch Entwicklungsland mit ausgesprochen viel Luft nach oben. Wir haben über Jahrzehnte gelernt, zwischen Behinderten und Nichtbehinderten zu unterscheiden, wohl wissend, dass die Grenzen fließend sind und dass sich von einer Sekunde zur anderen für jeden von uns die Situation ändern kann.

Wir bauen schöne gepflasterte Marktplätze. Aber nicht nur für hochhackige Schuhe, sondern gerade auch für den genannten Personenkreis sind diese nahezu unüberbrückbar. Wir sind stolz darauf, am Bahnhof Hebebühnen für Rollstuhlfahrer zu haben. Aber wollten wir selber so einsteigen? Und: Wo steht der Rollstuhlfahrer dann - im Gepäckwagen, im Fahrradabteil oder im Toilettenvorraum? - Das ist ein klassischer Vorgang, der entwürdigend und diskriminierend ist. Eine gut gemeinte Sache erreicht das Gegenteil.

Schon aus diesen beiden Beispielen ergeben sich drei Schlussfolgerungen:

Erstens. Das gesellschaftliche Leben ist für alle Menschen barrierefrei zu gestalten. Ja, das kostet Geld. Das kostet Geld für die Gesellschaft. Aber zurzeit liegen die Kosten vor allem bei den Betroffenen selber. Noch immer wird ihnen ein finanzieller Nachteilsausgleich zur Deckung ihrer behinderungsbedingten Mehrkosten in Deutschland verweigert; einzige Ausnahme: Blindengeld.

Zweitens. Behindertenpolitik ist nicht in erster Linie Sozialpolitik, sondern Gesellschaftspolitik.

Drittens. Menschen mit Behinderungen sind Experten in eigener Sache. Wir werden eine inklusive Gesellschaft nur dann erreichen, wenn sie uns dabei helfen. Als Nichtbetroffene können wir noch so gute Vorsätze haben. Wir machen unendlich viele Fehler. Das haben wir bei der Entstehung unseres vorliegenden Antrages eindrucksvoll bestätigt bekommen. Wir konnten ihn nicht in leichte Sprache übersetzen. Das haben für uns die Hannoverschen Werkstätten übernommen, weil natürlich nur Betroffene wissen, wann ein Text für sie verständlich ist.

Auch die Anhörung im Sozialausschuss zum vorliegenden Antrag war für uns diesbezüglich gemeinsam sehr lehrreich. Sehbehinderte wiesen auf die fehlende namentliche Vorstellung von fragenden Abgeordneten hin, weil sie sonst nicht wissen konnten, mit wem sie es zu tun hatten. Hörbehinderte hingegen wiesen auf die fehlenden Namensschilder und auf die fehlenden optischen Signale hin, weil sie z. B. eine Klingel am Eingang nicht hören können. Sie wiesen auch auf die Verbesserung beim Einsatz von Gebärdendolmetschern hin, verbunden mit der Tatsache, dass diese sehr häufig ungünstig platziert werden oder ihr Standort nicht ausreichend ausgeleuchtet ist.

Im Gegensatz zum Ursprungsantrag haben wir nach diesen berechtigten Hinweisen eine zentrale