Protocol of the Session on January 24, 2014

Vor dem Hintergrund, dass die Grenzwerte nach wie vor überschritten sind, halte ich das für ein legitimes Mittel, an dem Punkt Freiheitsrechte einzuschränken. Das sollten Sie als FDP-Parlamentarier durchaus zur Kenntnis nehmen.

Was Sie auch zur Kenntnis nehmen sollten - Sie wissen das wahrscheinlich nicht, weil Sie damals nicht Umweltminister waren, sondern Ihr Kollege Herr Sander -: Als die Umweltzone in Osnabrück eingeführt worden ist, waren die Feinstaub

Grenzwerte in Osnabrück schon längst unterschritten. Deswegen ist die Umweltzone in Osnabrück aufgrund der Belastung mit Stickstoffdioxid durch die zahlreichen Dieselfahrzeuge eingeführt worden, aber eben nicht wegen der Feinstaubbelastung. Die war zu dem Zeitpunkt - ich war selbst beteiligt - schon längst nicht mehr das Problem, weil die Grenzwerte für Feinstaub damals schon unterschritten worden sind. Das ist insofern sachlich falsch. Es geht um die Stickstoffdioxidbelastung.

Sie haben übrigens zu Recht auch die Hintergrundbelastung angesprochen. Aber die Hintergrundbelastung ergibt sich nicht aufgrund der Fahrzeuge vor Ort im Straßenverkehr. Die ergibt sich aufgrund von Industrieabgasen und aufgrund von Emissionen außerhalb der Städte. Da ist es das Versäumnis früherer Bundesregierungen, der Industrie durch Auflagen deutlich zu sagen, wohin die Reise gehen muss.

Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass das Problem mit der Norm Euro 6 sicherlich gelöst wird. Nur, wer hat denn Euro 6 zu spät gefordert und zu spät eingeführt?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das waren doch wohl frühere Bundesregierungen schwarz-gelber Natur.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt der Abgeordnete Volker Bajus, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Wort, Herr Bajus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Früher hieß es: Stadtluft macht frei. - Heute dagegen macht Stadtluft krank. Zum Glück ist dies immer seltener der Fall. Das haben wir allein einer engagierten Umweltpolitik zu verdanken,

(Beifall bei den GRÜNEN)

vorneweg natürlich den Grünen - entschuldigen Sie, aber so viel Selbstlob sei ausnahmsweise einmal erlaubt -, aber natürlich auch vielen Politikerinnen der Konkurrenz. Zum Beispiel kann da an Willy Brandt gedacht werden, der schon 1961 gefordert hat, der Himmel über der Ruhr solle wieder

blau werden. Oder denken wir an den Ex-Umweltminister Klaus Töpfer! Bei der FDP stand einmal in den Freiburger Thesen - ich gehöre ja zu einer Generation, die so etwas noch kennt -, Umweltschutz müsse Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist lange her, meine Damen und Herren. Heute müssen wir hier auf Ihren Wunsch allen Ernstes einmal mehr darüber reden, was uns wichtiger ist: die Gesundheit vieler Zehntausend Bürgerinnen und Bürger an viel befahrenen Straßen oder das individuelle Interesse, mit veralteter Abgastechnik die Luft in den Zentren unserer Städte mit Stickoxiden und anderen Schadstoffen zu belasten.

Meine Damen und Herren, für uns, für die rotgrüne Mehrheit, hat die gesundheitliche Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger stets Vorfahrt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Stets! Genau!)

Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind angesichts der Schadstoffbelastung notwendig. Wir können es nicht tolerieren, dass dort, wo die Bürgerinnen und Bürger wohnen und leben, sich täglich aufhalten, wo Kinder groß werden, alte Menschen ihren Tag verbringen, die Grenzwerte, die die Weltgesundheitsorganisation und die EU zur Norm erklärt haben, regelmäßig überschritten werden. Das ist so, wie Sie auch der Antwort auf Ihre Anfrage entnehmen konnten.

Wir sind moralisch, politisch und gesetzlich zum Handeln verpflichtet. Das tun wir, auch wenn das Land die Kommunen Osnabrück und Hannover damals sträflich im Stich gelassen hat. Auch ich war bei dieser Entscheidung dabei.

In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sprechen Sie allen Ernstes von Freiheitsbeschränkungen. Das ist abstrus! Es gibt doch kein Bürgerrecht darauf, ein Schmutzfink zu sein

(Beifall bei den GRÜNEN)

und mit alten Dieselstinkern die Atemluft anderer zu vergiften! Das ist nicht wirklich Ihr Ernst.

Richtig ist, die Umweltzone ist nur eine von vielen kommunalen Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung. Die Nachrüstung der städtischen Fahrzeuge, die Modernisierung der Busse, intelligente Verkehrslenkung, Modernisierung von

Straßen - alle diese Maßnahmen sind mit erheblichem Verwaltungsaufwand und Kosten verbunden. Deswegen haben wir es uns mit der Entscheidung nicht leicht gemacht.

Sie wissen ganz genau, warum der damalige Stadtbaurat von Osnabrück - übrigens der heutige CDU-OB - seinen Luftreinhalteplan ausdrücklich mit einer Umweltzone versehen musste: weil das damals unter der Fachaufsicht von Herrn Sander stehende Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim, wie Herr Henning erwähnt hat, berechnet hat, dass die Umweltzone eben unverzichtbar ist.

Wir sehen also: Andere Vorschläge haben wir von Herrn Sander in Osnabrück wie in Hannover nicht gehört. Da war Fehlanzeige. Verwaltungsgerichtlich wurde das dann bestätigt. Insofern müssen Sie an dieser Stelle offensichtlich Traumata aufarbeiten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Bajus, eine Sekunde, bitte! Es ist der Wunsch nach einer Zwischenfrage geäußert worden, von Herr Dr. Hocker. Würden Sie sie zulassen?

Selbstverständlich.

Bitte!

Verehrter Herr Kollege Bajus, Sie haben eben das Wort „Schmutzfink“ benutzt. Sehen Sie eine Möglichkeit, mir zu erläutern, wen genau Sie mit dieser Bezeichnung meinen?

Herr Dr. Hocker, mit „Schmutzfink“ meine ich die Fahrzeuge, die nun einmal Abgase produzieren, die extrem gesundheitsschädlich sind, wie wir inzwischen wissen. Es gibt kein Recht darauf, solche Fahrzeuge in extrem belasteten Gebieten einzusetzen. Das ist doch ganz einfach verständlich. Ich denke, das haben Sie auch verstanden. Aber vielleicht muss man Ihnen manche Dinge zweimal sagen.

Richtig ist: All der kommunale Aufwand wäre vermeidbar gewesen. Da bin ich ja bei Ihnen. Feinstaub, Stickoxide - deren Gefährlichkeit ist seit den 80er-Jahren bekannt. Man hätte das Übel viel frü

her am Auspuff stoppen können. Doch statt der Grünen-Forderung nach zielführenden Abgasnormen hat sich die Autolobby mit freiwilligen Selbstverpflichtungen durchgesetzt.

Paradoxe Situation: Schadstoffarme deutsche Autos, nach hohen kalifornischen Abgasstandards produziert, wurden in die USA exportiert. Zugleich wurden deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern Abgasschleudern angedreht. Die EuroNorm 6 kommt erst 2014, in diesem Jahr. Sie hätte auch schon vor zehn Jahren gelten können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hätte man früher haben können. Dann hätte man tatsächlich den Aufwand vermeiden können.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum letzten Satz.

Die Umweltzonen waren und sind vor diesem Hintergrund nicht mehr, aber auch nicht weniger als kommunale Notwehrmaßnahmen. Diese und andere Luftreinhaltemaßnahmen haben nachweislich zur Senkung der Stickoxide geführt: um über 20 % in Hannover, 15 % in Osnabrück. Das, meine Damen und Herren, sind wir der Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger schuldig.

Ich sehe wenig Chancen für Ihren Antrag, auch nicht bei der Beratung im Umweltausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Bajus. - Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Martin Bäumer, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Dr. Hocker sehr dankbar dafür, dass er vor diesem Antrag, der heute diskutiert wird, in der Drucksache 17/1061 eine Anfrage an die Regierung gestellt hat, in der er umfangreiches Material für die Diskussion des heutigen Themas besorgt hat. Wer diese Schriftliche Anfrage genau gelesen hat, der hat, glaube ich, lesen können, dass man in der Tat darüber nachdenken muss, ob man zukünftig Umweltzonen in der Wirksamkeit noch braucht.

Ich bin ein wenig verwundert darüber, dass die beiden Vorredner von SPD und Grünen nach meiner Wahrnehmung diese Anfrage nicht gelesen

haben. Sonst hätten sie einige Dinge hier vermutlich nicht so dargestellt.

Ich muss sagen, lieber Kollege Bajus, ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie dem Kollegen Dr. Hocker sagen, man würde über seinen Antrag gar nicht mehr groß diskutieren wollen. Das kann nicht Aufgabe von Politik sein. Wir müssen die Chance nutzen, das im Ausschuss zu tun. Es gibt eine ganze Menge Argumente dafür, dem zu folgen, was Herr Dr. Hocker hier vorhin vorgetragen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was ist Aufgabe von Politik? - Aufgabe von Politik ist es, sich den Problemen, die es gibt, zu stellen, diese Probleme zu analysieren, zu einem Beschluss zu kommen, das, was man beschlossen hat, umzusetzen und dann zu prüfen, ob das, was man erreichen wollte, erreicht worden ist. Das ist Aufgabe von Politik.