Wir als Sozialdemokraten sagen Ja zur individuellen Freiheit - genau wie die FDP. Wir sagen aber auch:
John Stuart Mill, den die heutige FDP scheinbar völlig vergessen hat, obwohl er einer der einflussreichsten liberalen Vordenker des 19. Jahrhunderts war, hat einmal gesagt:
Ich finde: Recht hat er! Denn er sagt damit nichts anderes, als dass die Freiheit des Einzelnen zwar ein wichtiges Gut ist, dass dieselbe aber auch im Interesse der Allgemeinheit eingeschränkt werden kann und muss. Ein solches Interesse der Allgemeinheit ist für uns selbstverständlich der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Gesundheitsgefahren. Deshalb ist es auch legitim, vom Einzelnen zu verlangen, dass er mit seinem Dieselstinker eben nicht in die Stadt fährt, sofern er keine grüne Plakette hat.
Doch einmal zu den Fakten, meine Damen und Herren: Die Umweltzonen in Osnabrück und Hannover - ich sage es noch einmal - wurden nicht wegen der Feinstaubbelastung eingeführt, sondern wegen der Stickstoffdioxidbelastung, die in den Innenstädten zu 80 % durch Auto- und Lkw-Verkehr verursacht wird, speziell durch die vielen Dieselfahrzeuge.
In Osnabrück wohnen übrigens 17 000 Menschen an Straßenabschnitten - die Gesamtlänge beträgt 21 km -, wo diese Grenzwerte eben nicht eingehalten werden. Hätten wir seinerzeit in Osnabrück nicht gehandelt, hätten viele Betroffenen zu Recht Klagen einreichen können. Wir hätten ein EUVertragsverletzungsverfahren wegen der Nichtein
Nur mithilfe der Umweltzonen in Osnabrück und Hannover konnten wir eine sanktionsfreie Fristverlängerung zur Einhaltung der Grenzwerte bis 2015 bekommen. Dies war nur möglich, weil wir mit unserem Lärmaktionsplan neben einer Vielzahl weiterer Maßnahmen auch die Umweltzone eingeführt haben und so glaubhaft machen konnten, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, um diese Frist einzuhalten.
Meine Damen und Herren, das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim, eine Landesbehörde, die dem damaligen FDP-Umweltminister Sander unterstand, hat damals - das tut sie auch heute noch - die Auffassung vertreten, dass die Umweltzone das wirksamste Mittel gegen die Stickstoffdioxidbelastung ist.
Es stimmt übrigens auch nicht, dass die Umweltzonen nichts gebracht hätten. Richtig ist, dass zwar die Grenzwerte für Feinstaubbelastungen schon seit 2007 nicht mehr überschritten werden. Gleichzeitig hat es aber von 2007 bis heute eine weitere Reduzierung um 4 % gegeben, meine Damen und Herren. Und auch die Stickstoffdioxidbelastungen gingen beispielsweise in Osnabrück im Zeitraum von 2008 bis heute von 52 auf 47 µg zurück. Das ergibt sich aus der Antwort auf eine Landtagsanfrage der FDP; Sie müssten sie nur richtig lesen. Die Stickstoffdioxidbelastung liegt damit zwar immer noch über den Grenzwerten. Aber zu sagen, es hätte keinen Rückgang gegeben, ist schlicht sachlich falsch, meine Damen und Herren.
Aber wissen Sie, was mich wirklich ärgert, Herr Dr. Hocker, und was der eigentliche Skandal ist? - Ausgerechnet die Partei, die der Automobilindustrie keinerlei Beschränkungen auferlegen wollte,
weil der Markt ja alles von selbst regelt und die individuellen Freiheitsrechte der Unternehmer in diesem Land geschützt werden müssen, dieselbe FDP, die den leeren Versprechungen und freiwilligen Selbstverpflichtungserklärungen der Automobilindustrie geglaubt hat, wettert heute gegen Umweltzonen, die wir gar nicht hätten einführen müssen, wenn die schwarz-gelbe Landesregierung und die frühere Bundesregierung ihren politischen Einfluss auf die Automobilindustrie genutzt hätten, meine Damen und Herren.
Der eigentliche Skandal ist doch, dass politisch überhaupt kein Einfluss auf die Industrie mit Blick auf die Einhaltung von Umweltzielen genommen wurde, weil man stets einen neoliberalen Freiheitsbegriff hochgehalten hat.
Hier wurden jahrelang Versäumnisse der Automobilindustrie nicht zur Kenntnis genommen. Frei nach dem Motto: „Den Letzten beißen die Hunde“, wurde den Kommunen die Belastung auferlegt, Luftreinhaltepläne aufzustellen, meine Damen und Herren.
Noch einmal zur Erinnerung: Es war der FDP-Umweltminister Sander, der den Kommunen in Niedersachsen - das war das einzige Bundesland, in dem das so war - die Verpflichtung zur Aufstellung von Luftreinhalteplänen auferlegt hat. In 15 von 16 Bundesländern wurde das über eine gesetzliche Initiative auf Landesebene selbst geregelt. Dort sind nämlich die Bundesländer zur Aufstellung von Luftreinhalteplänen verpflichtet und nicht die Kommunen. Nur Sander hat das den Kommunen aufgebürdet und damit übrigens auch die Kosten, meine Damen und Herren, und das kann es nicht sein.
Ich komme zum Schluss; ich habe das Klingeln schon gehört. Wir können die Diskussion aber fachlich gerne noch im Umweltausschuss weiterführen.
Meine Prognose ist: Wenn sich die Euro-6-Norm in den nächsten Jahren in der Gesamtflotte endlich durchgesetzt hat, werden wir hoffentlich auch die Stickstoffdioxidgrenzwerte einhalten, und dann werden wir auch keine Umweltzonen mehr brauchen. Aber so weit sind wir noch nicht, meine Da
Vielen Dank, Herr Henning. - Es liegt jetzt eine Meldung zu einer Kurzintervention vor. Herr Kollege Dr. Birkner hat das Wort für 90 Minuten, nein, anderthalb Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Henning, Sie haben komplett an der Sache vorbeigesprochen. Sie haben hier Phrasen gedroschen, was man dann tut, wenn man meint, jemanden mit einem ernsthaften Anliegen nicht in der Sache stellen zu können, und so versucht, unsere liberale Fraktion zu attackieren. Das ist Ihnen - das will ich deutlich sagen - misslungen. Sie müssen sich schon mit der Sache auseinandersetzen.
Selbstverständlich sind die Umweltzonen auch vor dem Hintergrund der Feinstaubbelastung eingeführt worden. Feinstaub und Stickoxide waren die beiden Parameter, um die es ging.
Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass das beim Feinstaub keine Relevanz hatte. Schauen Sie sich einmal die Entwicklungen der Hintergrundbelastungen an! Die Umweltzonen haben in dem Bereich nichts gebracht.
Sie haben beim Stickoxid etwas gebracht; das haben Sie richtig ausgeführt. Das ist aber vergleichsweise so gering, dass sich eben die Frage stellt - und darum geht es -, ob ein solches Instrument mit all den Auswirkungen, die damit verbunden sind - und damit sind sehr wohl Beschränkungen verbunden, nämlich Zufahrtsbeschränkungen -, gerechtfertigt ist oder nicht. Darüber muss man diskutieren. Und da hilft ein pauschaler Hinweis auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht weiter. Die steht ja gar nicht infrage. Es geht viel
mehr darum, ob das verhältnismäßig ist oder nicht und ob man an der Maßnahme festhalten will, obwohl man weiß, dass sie keine qualitative Veränderung bringt.
Sie haben es angesprochen: Die Umsetzung der Euro-6-Norm bringt etwas. Man hat die Menschen durch die Einführung der Umweltzonen in Investitionen getrieben, obwohl - und das hat die Kommission leider viel zu spät bemerkt - klar war bzw. hätte klar werden müssen, dass die Immissionsziele mit diesen Investitionen am Ende nicht erreicht werden können. Das ist eine Fehlentwicklung, bei der man wieder zurück und ein deutliches Signal setzen muss, dass diese Beschränkungen eben nicht gerechtfertigt sind. Deshalb war Ihr Beitrag hier überhaupt zur Sache. Ich hoffe, dass es im Ausschuss etwas sachlicher zugehen wird und wir dann zu vernünftigen Ergebnissen kommen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Birkner, Sie müssen sich Ihre eigene Argumentation schon einmal gefallen lassen. Wenn Sie in Ihrem Antrag von „Einschränkungen der Freiheit“ sprechen,
ist es, glaube ich, legitim, darauf hinzuweisen, dass es aus Gründen des Gesundheitsschutzes und zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land durchaus legitim ist, darüber nachzudenken, Freiheitsrechte einzuschränken. Dazu gehören auch Fahrverbote.
Vor dem Hintergrund, dass die Grenzwerte nach wie vor überschritten sind, halte ich das für ein legitimes Mittel, an dem Punkt Freiheitsrechte einzuschränken. Das sollten Sie als FDP-Parlamentarier durchaus zur Kenntnis nehmen.