Protocol of the Session on August 28, 2013

Erhalt der in den Konzern integrierten Unternehmen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die Stellwerksprobleme jedoch beweisen: Die Vorteile werden völlig überschätzt. Selbst Bahnfreunde unter den Berliner Parlamentariern bezweifeln inzwischen die Vorteile der Fahr- und Netzbetriebe unter einem Dach. Union und Sozialdemokraten fordern strengere Regeln. Liberale und Grüne wollen die Sparten ganz trennen. Auch Brüssel muss in dieser Richtung Druck machen, und das geschieht auch. Ramsauer bekennt sich nun zum Rückfluss der Gewinne aus der Netz AG, auch wenn es Zeit kostet. Wir wollen diesen Weg unterstützen und beschleunigen. So können wir gewährleisten, dass ein solches Chaos zukünftig nicht mehr stattfindet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin König. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Will das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da war er wieder, der Aufruf zur Zerschlagung der Bahn: Trennt Netz und Betrieb, und alles wird gut! - Das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen den Konzern mit den integrierten Unternehmen erhalten, und das bleibt auch so.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Bley, zu Ihnen. Das ist ja die neue Qualität dieser Landesregierung. Sie haben nur weiße Salbe verteilt, als Sie damals Ihren Antrag zur Reaktivierung beschlossen haben. Dieser Minister sorgt dafür, dass wir endlich einen offenen Diskussionsprozess über die Reaktivierung vieler Strecken in Niedersachsen bekommen. Das ist eine ganz andere Beteiligungsqualität, und dahinter stehen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Karl-Heinz Bley [CDU])

Dann noch zur Rendite der Bahn. Bisher hält nur einer die Taschen auf, und das ist Herr Schäuble. Wir sind ja sehr dafür, dass das in das System zurückfließt. Aber dazu komme ich gleich noch.

Das sogenannte Bahn-Chaos in Mainz hat selbst Unterstützer der Bahn den Kopf schütteln lassen. Personalplanungen bei den Stellwerkern auf Kante genäht, gefährden die Leistungsfähigkeit und die Sicherheit der Bahn als Personenbeförderungsunternehmen. Das ist nicht akzeptabel. Knappes Personal ist eine Facette wirtschaftlicher Unternehmensführung nach der Bahnprivatisierung in den 90er-Jahren. Dafür trägt die Politik durch ihre damaligen Beschlüsse mit die Verantwortung.

Seit Inkrafttreten der Bahnreform am 1. Januar 1994 muss sich die Deutsche Bahn im Wettbewerb am Verkehrsmarkt als Wirtschaftsunternehmen behaupten und ihre Aufwendungen aus den Einnahmen finanzieren. Öffentliche Finanzierungsbeiträge, mit denen die Bahn für den Bund und die Länder Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllt, beschränken sich auf zwei wesentliche Aspekte: Investitionen für Aus- und Neubau und Ersatz der Bundesschienenwege und Leistungen im Schienenpersonennahverkehr, die die Bundesländer bestellen bzw. ausschreiben, für die die Bahn sich neben vielen anderen bewerben kann.

Um diese Daseinsvorsorge sicherzustellen, bedarf es einer angemessenen Finanzausstattung der Bahn. Im Hinblick auf die Gewinnabführung von derzeit über 500 Millionen Euro pro Jahr macht es durchaus Sinn, sie als Zuschuss für wichtige Projekte der Bahn wieder zweckgebunden zurückzuführen. Allerdings heißt das für die Zukunft auch, dass mit dem Bund bei der Revision des Regionalisierungsgesetzes für den Zeitraum ab 2014 eine Dynamisierung der Mittel zu erreichen wäre. Bei der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs droht ohnehin eine Finanzierungslücke, da GVFG-Mittel auf der Grundlage des Entflechtungsgesetzes nur noch bis 2019 zur Verfügung gestellt werden. Auch da müsste eine Anschlusslösung geschaffen werden. Für die Jahre ab 2020 also bedarf es daher einer gesetzlichen Anschlussfinanzierung, die an die bisherige Stelle des alten Gesetzes tritt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der SPNV in Niedersachsen ist darüber hinaus voll in den Wettbewerb gestellt. Durch Ausschreibungen vieler Verkehrsdienstleistungen hat die Bahn viele Projekte an andere Bahnen in diesem Wettbewerb verloren. Der gestaltet sich im Wesentlichen über den Personalkostenanteil von über 60 %. Gerade hier werden wir endlich für fairen Wettbewerb durch ein Vergabegesetz sorgen, das Ausschreibungen und Angebote unter den Vorbehalt

eines repräsentativen Tarifvertrages stellt, damit nicht Billiganbieter tariflich bezahlte Arbeitsplätze bei der Bahn gefährden.

(Zustimmung von Susanne Menge [GRÜNE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bahn hält in Niedersachsen nur noch 30 % der vergebenen Leistungen im Nahverkehr. Sie hat zuletzt viele Ausschreibungen verloren, sowohl materiell als auch wegen der Ausschreibungsbedingungen. Derzeit stehen Werke und über 600 Arbeitsplätze im norddeutschen Raum als Folge einer solchen Entwicklung zur Disposition. Das wollen wir nicht. Wir wollen fairen Wettbewerb. Dafür werden wir durch ein neues Vergaberecht sorgen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Bahninvestitionen. Die Verteilung der Mittel zwischen Nord und Süd berücksichtigt nicht genügend die nationale Aufgabe der Hafenhinterlandanbindungen. Die Küstenländer sind gut beraten, sich stärker zu organisieren und diese Interessenlage auch in Berlin deutlich zu machen. Für Niedersachsen bedeutet das, dass alle in Planung und Umsetzung befindlichen Baumaßnahmen, wie sie derzeit zeitlich vorgesehen sind, auch umgesetzt werden können. Dazu bedarf es allerdings auch einer guten Begleitung der Kommunen und machbarer Planungen vor Ort.

Wir müssen die Bahn auch in Zukunft weiter fordern und gleichzeitig als Partner eng begleiten. Das sind wir den gemeinsamen Zielen, aber auch den Bahnmitarbeitern schuldig. Wir stehen ausdrücklich zu dem integrierten Konzern; denn Störungen im System, unternehmerische Fehlentscheidungen und auch Fehler in der Politik in der Vergangenheit werden zu häufig nicht zuletzt über unzufriedene Kunden an die Mitarbeiter weitergegeben. Diese machen aber engagiert ihre Arbeit. Wir wollen dafür weiterhin motivierte Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten.

Deswegen lautet unser Petitum für die Bahnmitarbeiter, diese zu unterstützen, damit wir den Zielen gerecht werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Lies das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bley, ich möchte einen Aspekt ansprechen, weil ich meine, dass er etwas am Thema der Aktuellen Stunde vorbeiging. Sie sprachen die Frage der Streckenreaktivierung an. Wir werden ein transparentes Verfahren anwenden. Die Grundlage dafür ist, dass jeder in dieses Verfahren einsteigen kann. Am Ende wird entschieden, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Das ist der Anspruch, den diese Landesregierung verfolgt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich glaube, das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof - das ist ein wirkliches Chaos, das wir dort erlebt haben - ist der Höhepunkt einer Pannenstatistik, von der wir in den letzten Jahren immer wieder erfahren haben. Es sollte uns nachdenklich machen - dazu dient auch diese Aktuelle Stunde -, damit wir fragen, was dort eigentlich passiert; denn niemand kann uns garantieren, dass so etwas in ähnlicher Art und Weise nicht auch hier passiert.

Wir dürfen das Thema Hafenhinterlandverkehr dabei nicht vergessen. Niedersachsen kommt bei der Abwicklung des Welthandels über die Seehäfen hohe Bedeutung zu. Da wäre ein solches Ereignis nicht nur ein extremes Chaos für die Personen, die nicht befördert werden können, sondern gerade auch für Güter, die ihre Ziele eng getaktet erreichen müssen.

Darüber hinaus haben wir andere Pannen erlebt. Denken wir an den Winter 2009/2010 oder an das Winterchaos 2010/2011, denken wir an den Ausfall der Klimaanlagen in den Zügen im Jahr 2010, und denken wir auch an die seit 2009 anhaltenden Störungen bei der S-Bahn in Berlin! Das alles zeigt, dass es einen eklatanten Handlungsbedarf gibt.

Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wo die Ursachen dafür zu finden sind. Erstens dürfen wir, glaube ich, sagen, dass die Pannen bei der Bahn hausgemacht sind - das dürfen wir nicht verleugnen -: zu wenig Werkstattkapazitäten, zu wenig Werkstattpersonal, zu geringe Personalausstat

tung in den anderen Bereichen, offenbar zum Teil unzureichende Wartung des Materials und vor allen Dingen eine enorme Überbelastung des Personals über Arbeitsverdichtung. Wir haben es mit Millionen von Überstunden und mit ausstehendem Urlaub zu tun. Ich glaube, da entbehrt sich die Debatte, dass mal einer auf Urlaub verzichten kann. Das ist eine eklatant falsche Personalplanung der Bahn, die in Mainz zum Ausdruck gekommen ist!

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sagt zu Recht: Das ist nur die Spitze des Eisbergs, die wir dort erleben. - Insofern können wir zwar froh sein, dass wir diese Stellwerkprobleme in Niedersachsen bisher nicht hatten. Aber deswegen ist es umso wichtiger, auch deutlich zu machen, wo wir Dinge verändern können und wo wir auch die Bahn auffordern müssen, sicherzustellen, dass das Qualitätsmanagement besser wird.

Wir erleben auch: Der Ruf der Bahn ist beschädigt. - Das wissen wir. Man kann das belächeln. Aber das Bild der Bahn ist nicht besser geworden. Unser Ziel, gerade auch das Ziel der Landesregierung, ist es, mehr Menschen dafür zu gewinnen, den schienengebundenen Personenverkehr, gerade auch den schienengebundenen Personennahverkehr, zu nutzen. Dafür braucht man Qualität, die in der Öffentlichkeit, die von den Nutzern auch so wahrgenommen werden muss.

Gerade die Eisenbahnergewerkschaften prangern das schon lange an. Das ist kein Thema, das jetzt zum ersten Mal in die Öffentlichkeit gekommen ist. Aber es gab niemanden bei der Bahn, der die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen hätte. Der aktuelle Brandherd wurde jedes Mal gelöscht. Man hat sich um die Wagen gekümmert. Man kümmert sich um die Fragen der Stellwerke. Aber eine substanzielle Veränderung, mit der eingegriffen würde, damit das morgen nicht wieder passiert, hat es nicht gegeben. Wir brauchen an der Stelle eine grundlegende Kurskorrektur, um die Qualität der Bahn und um vor allem die Personalausstattung bei der Bahn deutlich zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Schauen wir uns das Vorgehen noch einmal an. Das zeigt, wie schwierig das ist. In der Vergangenheit wurde erfahrenes Personal - übrigens auf

Kosten des Steuerzahlers - in den Vorruhestand geschickt. Ich darf daran erinnern: Das alles war der Tatsache geschuldet, dass man an der Börse möglicherweise große Gewinne erzielt, wenn man vor dem Börsengang die Kosten des Konzerns künstlich kleinrechnet. Das ist ein Fehler dieser Geschichte gewesen. Dafür können sich alle verantwortlich erklären.

Klar ist aber auch, dass man das beheben muss und dass das, was extrem gemacht wurde, nicht so einfach zu beseitigen ist. Wer sind die Leidtragenden? - Leidtragende sind die Kunden und selbstverständlich vor allem die Beschäftigten bei der Bahn; denn über die Personaleinsparungen, über den Druck und über die Arbeitsverdichtung wurden immerhin erhebliche Gewinne eingefahren.

Das kann man der Bahn nicht vorwerfen - Gewinne hat sie gemacht. Aber die Frage ist, wo diese Gewinne geblieben sind. Der operative Gewinn im Jahre 2011 betrug 2,1 Milliarden Euro. Der Gewinn der DB Netz betrug 2011 307 Millionen Euro. Ausschüttung an den Bund: 500 Millionen Euro im Jahr 2012 und sogar 525 Millionen Euro im Jahr 2011. Von dem Gewinn wurde nichts in das Netz reinvestiert. - Das ist der Fehler, vor dem wir stehen! Das Geld gehört in das Netz investiert, es gehört in die Qualität investiert, weil wir die Bahn brauchen, weil wir auf die Bahn setzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Länder und gerade auch wir als Niedersachsen tragen über den schienengebundenen Personennahverkehr zu einem großen Teil zu dem Gewinn der Bahn bei; denn die Trassenerlöse der DB Netz sind zu zwei Dritteln aus den Geldern finanziert, die wir an die Bahn zahlen. Die Trassenentgelte sind von 2003 bis 2012 um mehr als 30 % gestiegen. Das ist also eine Belastung unsererseits zugunsten der Bahn, aber die Qualität hat sich nicht verbessert: überlastete Strecken und Knoten, Mängel an einer Vielzahl von Brücken, vernachlässigte Stationen und Empfangsgebäude. Über die Frage der Barrierefreiheit will ich hier gar nicht reden.

Wir haben beim gestrigen Parlamentarischen Abend gehört, wie sich die Bahn das vorstellt. In der Vergangenheit wurden 1 000 Bahnhöfe verkauft, wurde aber nicht darüber nachgedacht, wie man die Qualität sichert. Das Geld wurde einge

heimst. Man hat sich von der Verantwortung gelöst, aber der Kunde muss es am Ende ausbaden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb am Ende eine Kernforderung: Wir brauchen einen Finanzierungskreislauf Schiene. Die Gewinne der DB Netz AG müssen wieder in das Schienennetz investiert werden. Das muss die gemeinsame Forderung von uns allen sein, damit sich die Qualität der Bahn wieder verbessert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Weitere Wortmeldungen zu Punkt c liegen nicht vor.

Ich schließe die Besprechung. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Ich rufe auf den