Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Doppelstrukturen bei der Planung, Verunsicherung bei den Mitarbeitern, Sorgen um Autobahnprojekte - Unter welchen Bedingungen stimmt die Landesregierung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen zu?
Auf der Grundlage eines Beschlusses der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern vom 14. Oktober 2016 wird die Überführung der Bundesautobahnen und gegebenenfalls auch der übrigen Bundesfernstraßen in eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft diskutiert und vorbereitet. Diesem Beschluss liegt die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems mit den Teilen „Bund-LänderFinanzbeziehungen“ und „Maßnahmen für die Verbesserung der Aufgabenerledigung im Bundesstaat“ zugrunde.
Im ersten Teil landet Niedersachsen mit einem Nettoplus von 400 Millionen Euro pro Jahr ab 2020 auf Platz 16 von 16 Bundesländern. Ministerpräsident Weil zeigte sich hierüber zufrieden. Im zweiten Teil wurde beschlossen, dass die Bundesauftragsverwaltung reformiert wird und dass Planung, Unterhaltung, Bau und Verwaltung von Bundesautobahnen in eine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft überführt werden sollen. Niedersachsen gab hierzu eine Protokollerklärung über seine Haltung und Befürchtungen ab.
„Die Landesregierung wird in den vereinbarten Verhandlungen zur Ausgestaltung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr darauf hinwirken, dass die Landesinteressen gewahrt bleiben. Dazu … zählt auch die Entschließung des Niedersächsischen Landtages im Sinne der Drucksache 17/4691, die in diese Verhandlungen einzubringen ist.“
„Die Landesregierung wird zur Ausgestaltung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr darauf hinwirken, dass die Landesinteressen gewahrt werden und die Auftragsverwaltung für Niedersachsen weitestgehend erhalten bleibt. Am Ende wird dann zu entscheiden sein, ob ein Beschluss mit überwiegenden Vorteilen für Niedersachsen verbunden sein wird.“
In einer Presseinformation des MW vom 17. November 2016 konkretisierte Minister Lies seine Vorbehalte gegenüber einer Infrastrukturgesellschaft wie folgt:
„Genauso wenig brauchen wir eine zentrale Infrastrukturgesellschaft des Bundes. Wir Niedersachsen würden in bewährter Zusammenarbeit mit den Bundebehörden weiter sehr gut zurechtkommen und auch alle künftigen Großprojekte als Auftragsverwaltung gut bewältigen können.“
„Ich kann nur davor warnen, durch eine groß angelegte Umstrukturierung, wie sie mit der Infrastrukturgesellschaft ansteht, unnötige Reibungsverluste zu erzeugen“.
1. Welche rechtlich oder auch politisch bindende Wirkung hat ein Beschluss des Landtages für die Landesregierung und ihr Abstimmungsverhalten in länderübergreifenden Gremien und speziell dem Bundesrat?
2. Unter welchen Bedingungen ist die Landesregierung bereit, trotz des abweichenden Beschlusses des Landtages einer „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“, die eine Grundgesetzänderung erfordern würde, im Bundesrat zustimmen?
3. Würde die Landesregierung ein Scheitern des Beschlusses der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern vom 14. Oktober 2016 zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zur Wahrung der Landesinteressen bezüglich der Auftragsverwaltung bei den Bundesfernstraßen in Kauf nehmen?
Vielen Dank, Herr Bode. - Der Verkehrsminister, Herr Lies, möchte für die Landesregierung antworten. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Punkt, an dem wir gestern in der Debatte gezeigt haben, dass es große Einigkeit in der Zielsetzung gibt. Deswegen bietet die Dringliche Anfrage eine sehr gute Gelegenheit, hierzu auszuführen.
Das gut ausgebaute Netz der Bundesfernstraßenverwaltung in Niedersachsen - daran muss man immer wieder erinnern - ist in der operativen Verantwortung unserer Straßenbauverwaltung entstanden. Die Haushaltsführung des Bundes hat jahrzehntelang nicht den Schwerpunkt auf die Bundesfernstraßenfinanzierung und bedarfsgerechte Erhaltung gelegt. Hinzu kommt, dass es ein extrem schwankender Wert war, der die Planbarkeit deutlich erschwert hat. Aber dennoch ist es unserer Auftragsverwaltung neben den regelmäßigen Aufgaben für Planung, Erhalt, Betrieb, Neubau, Umbau und Ausbau immer wieder gelungen, auch alle Investitions- und Konjunkturprogramme sowie Sonderfinanzierungen des Bundes erfolgreich umzusetzen oder, um es noch deutlicher zu sagen: Es ist in Niedersachsen über die vielen Jahre und Jahrzehnte gelungen, mehr Geld auszugeben, als es Niedersachsen eigentlich nach dem Verteilungsschlüssel möglicherweise zugestanden hat.
Dazu waren gewaltige Anstrengungen von Verwaltung und Politik notwendig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Straßenbauverwaltung haben dafür stets großen Einsatz und sehr gute Leistungen gezeigt und sich immer auch über das
Doch, meine Damen und Herren, anstatt dies zu würdigen, plant der Bund die Abschaffung dieser Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen. Der Bund möchte eine Infrastrukturgesellschaft Verkehr einrichten. Nicht zuletzt auch gestern bewegte uns alle hier im Land diese Diskussion sehr intensiv - einerseits wegen der außerordentlichen Bedeutung im Hinblick auf eine funktions- und bedarfsgerechte Infrastruktur in Niedersachsen, auf die wir alle persönlich, aber vor allen Dingen die Wirtschaft in unserem Land angewiesen ist, aber andererseits - das wiegt mindestens genauso schwer - aus der Verantwortung für die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr und dort vor allen Dingen natürlich für ihre mehr als 3 200 Beschäftigten.
Ich muss vorweg eins in aller Deutlichkeit sagen: Vonseiten des Bundes liegt für dieses Vorhaben kein Konzept vor,
sondern sozusagen nur das Ziel der Umsetzung. Das betrifft die Zukunft der Auftragsverwaltung und die Verantwortung für die Bundesfernstraßen.
Die laufenden Verhandlungen im Bundeskanzleramt zeigen, wie schwierig das ist, das Bundesministerium für Verkehr - BMVI -, für Wirtschaft - BMWi - und für Finanzen - BMF - vertreten sowohl intern als extern - auch das konnten wir den Medien entnehmen - extrem unterschiedliche Positionen. Eine gemeinsame Strategie ist bei Weitem nicht zu erkennen.
Bisher haben zwei Termine dazu stattgefunden: am 3. November und am 17. November. Beide Termine haben keine weitere Klarheit gebracht. Für mich wird deutlich, dass aufseiten des Bundes relativ chaotisch agiert wird.
(Karl-Heinz Bley [CDU]: Und trotzdem haben Sie zugestimmt! - Jörg Bode [FDP]: Aber zustimmen ist gut!)
Ich bin - ich will das noch einmal deutlich sagen - zutiefst erschüttert, wie fahrlässig der Bund mit den Sorgen der Beschäftigten in der Landesbehörde umgeht.
(Christian Dürr [FDP]: Sie wollen sa- gen: wie fahrlässig der Herr Minister- präsident das gemacht hat! Das wäre die richtige Antwort! - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Er muss doch zugestimmt haben!)
Herr Minister, einen Moment, bitte! - Es ist erstens grundsätzlich zu unruhig im Plenum, und gerade auch die Dialoge und Zwischenrufe aus dem FDPBereich führen nicht weiter. Sie haben gefragt, und der Minister möchte antworten. Das wird er im Zusammenhang und bitte ohne Störung tun! - Bitte!
(Jens Nacke [CDU]: Wollen Sie die Leute für dumm verkaufen, Herr Mi- nister? Das kann doch nicht wahr sein!)
Verantwortungsvoll handelt der Bund in Anbetracht der anstehenden wichtigen Aufgaben für den Infrastrukturerhalt, aber auch für den Ausbau damit nicht. Stattdessen vernehmen wir - diese Debatte haben wir ja gestern in der Aktuellen Stunde intensiv geführt - sogar eine Diskussion im Bund über die Privatisierung von Staatseigentum. Was hat das eigentlich mit der ursprünglichen Idee des Bundes zu tun, eine bessere Aufgabenerledigung für unsere Infrastruktur gemeinsam mit den Ländern auf den Weg zu bringen? - Überhaupt niemand würde sich über die Frage hinwegsetzen, ob die bestehenden Strukturen gut funktionieren und ob sie nicht noch verbessert werden können.
Eine angeblich dringend notwendige Grundsatzreform kann nach mehr als einem Jahr Planung nicht einmal in ihren Grundzügen dargestellt werden. Ich meine, dass diese Hängepartie des Bundes am Ende nur deutlich macht, dass die Bundesfernstraßen im Kern auch weiterhin besser in den
Händen der Länder aufgehoben sind und dass in den Ländern die bessere Umsetzung stattfinden kann. Aber das wäre am Ende, würden andere Entscheidungen getroffen, nur ein schwacher Trost.
Wir als Länder haben den Bund bereits vor mehr als einem Jahr - es gibt eine lange Debatte darüber - aufgefordert, ein Konzept für eine Reform der Auftragsverwaltung vorzulegen, um damit in eine sachliche Diskussion einzusteigen und um in den Wettbewerb über die besten Konzepte einzutreten.
Ich will das noch einmal sagen: Es geht um mehr - und nicht weniger - als um die Belange der Bürgerinnen und Bürger. Sie alle sind Verkehrsteilnehmer, die sowohl von der Verzögerung beim Erhalt der Infrastruktur als auch von der Verzögerung des Ausbaus betroffen sind. Es geht auch um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Tag hoch motiviert ihre Arbeit leisten und auch jetzt, sozusagen in dem Prozess der Verunsicherung diese Projekte mit großem Engagement weiterentwickeln und weiter planen. Und es geht um die Wirtschaft in unserem Land. Diese ist abhängig von einer guten Infrastruktur für Warenströme, für die Erreichbarkeit, für all die Dinge, die dazugehören.
Die Länder - die Verkehrsministerkonferenz - haben daher schon im August 2015 die Bodewig-IIKommission damit beauftragt, ein Gesamtkonzept für die Optimierung der Auftragsverwaltung zu entwickeln. Die Länder haben also nicht gesagt: „Wir kümmern uns gar nicht darum, alles ist gut.“, sondern wir sind wie auch in der Vergangenheit bereit, zu sagen: Wenn es um Verbesserungen geht, schließen sich Länder zusammen und entwickeln das.
Seit Ende Februar 2016 liegt dieses Konzept vor und ist von der Verkehrsministerkonferenz einstimmig angenommen worden. Wir haben natürlich parallel immer gefragt: Wo ist das Konzept des Bundes, und wie können wir diese Dinge miteinander verbinden? - Jetzt haben wir November 2016. Ein Konzept des Bundes - ich habe es vorhin gesagt - liegt immer noch nicht vor, und in Verhandlungen über das, was wir vorgelegt haben, ist der Bund auch nicht eingetreten.
Ich komme zu den Verhandlungen mit dem Bund. Offen sind in den Verhandlungen u. a. die folgenden Punkte: die Eigentumsverhältnisse an den Straßen, die Eigentumsverhältnisse an der eigentlichen Bundesgesellschaft, die Zuständigkeit für
das Bundesstraßennetz - reden wir in diesem Zusammenhang über die Autobahn, reden wir über die Bundesstraßen? -, der Zeitplan für eine Transformation der Auftragsverwaltung - man kann man ja nicht einen Hebel umlegen, sondern es wird einen erheblichen Vorlauf erfordern, übrigens auch einen erhebliche Zeitraum der parallelen Arbeit; wir verschleudern und wir verschenken Ressourcen, die wir anders sinnvoller einsetzen könnten -, die Verlagerung von Rechten an den Bund in dieser Transformationszeit, mit Gesetzgebung und entsprechenden Weisungsrechten.
Die Konzeptlosigkeit des Bundes drückt sich darüber hinaus auch in der Tatsache aus, dass es keine Vorschläge für Bundesgesetze zur Regelung der konkreten Rahmenbedingungen für eine Bundesgesellschaft gibt und dass es - das empfinde ich in dieser Zeit als dramatisch - keine klaren Bekenntnisse für den Umgang mit unseren Beschäftigten gibt.