Protocol of the Session on September 15, 2016

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal: Wir schreddern in Niedersachsen nicht.

Herr Grupe, bei der Wortwahl ein bisschen aufpassen! Das machen wir seit 2011 nicht mehr.

(Zurufe von der FDP und von der CDU)

- Sie haben doch gerade gesagt, dass die alle bis 2019 geschreddert werden usw.

Meine Damen und Herren, genau zu diesen Fragen: Natürlich gibt es immer jemand in einer Branche, der sagt, dass etwas schwierig ist, dass das so nicht geht. Das hat man immer erzählt! Das hat man auch erzählt, als der Katalysator für das Auto eingeführt worden ist, als das bleifreie Benzin eingeführt worden ist.

(Hermann Grupe [FDP]: Das sind die Erfinder dieses Dings!)

Ich habe eben zitiert. Ich selbst habe mit der Frau gesprochen. Sie hat mir gesagt: Sie sind erfreulicherweise weiter fortgeschritten im Zeitplan als gedacht und rechnen fest damit, dass das im Frühjahr nächsten Jahres reif ist. - Die Äußerungen im MDR - Sie müssen da genau sein - bezogen sich darauf, wie schnell das in der Branche umgesetzt wird und dass sie drei Jahre brauchen, bis die neuen Geräte angeschafft sind. Ich setze auf die Innovationskraft der Branche: Wenn ein Gerät praxisreif und fertig ist und hergestellt werden kann, dann greift die Selbstverpflichtung der Branche - das steht da drin -, und sie werden diese Geräte dann unverzüglich einsetzen. Dabei unterstützen wir sie.

Der Bundesminister wurde ebenfalls dazu gefragt. Am 8. Juli 2016 sagte er in der Bild-Zeitung - mal wieder - zu diesen Verzögerungen klar: Die Fertigstellung eines automatisiert arbeitenden Prototyps wird planungsgemäß Anfang kommenden Jahres erwartet. - Er hat also zugegeben, dass es in diesem Jahr nichts mehr wird. Weiter sagte er: Sobald eine praxistaugliche Alternative vorhanden ist, gibt es keine gesetzliche Rechtfertigung mehr zum Töten männlicher Küken.

Ich teile rechtlich-inhaltlich die Auffassung des Bundesagrarministers, würde mich aber trotzdem freuen, wenn er nicht nur eine Aussage machte, auf die ich dann vor den Gerichten zurückgreifen muss, sondern wenn er das auch per Gesetz umsetzen würde. Dann hätte ich eine größere Rechtssicherheit, und unsere Betriebe hätten eine Planungssicherheit, bis wann sie das Gerät einbauen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage für die FDP-Fraktion stellt wieder Hermann Grupe. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass ich den Wissenschaftlern mehr glaube als den Politikern,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sich selbst eingeschlossen!)

stelle ich eine andere Frage zur Umsetzung der Herkunfts- und Haltungskennzeichnung auf der EU-Ebene. Herr Minister, wenn Sie eine Herkunfts- und Haltungskennzeichnung haben wollen, halten Sie die Umsetzung auf der EU-Ebene für notwendig? Wenn das so ist, was glauben Sie, in welchen Zeiträumen man einen solchen Beschluss herbeiführen kann?

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Vorbemerkung, ob man dem Bundesminister glauben kann oder nicht, möchte ich nicht kommentieren. Dazu haben Sie Ihre Haltung dargestellt.

Ich habe noch einmal gesagt, und Sie haben es zu Recht angesprochen: Natürlich ist eine Kennzeichnung nach gleichen Standards auf der europäischen Ebene im EU-Binnenmarkt am wünschenswertesten. Aber Sie wissen auch, wie unterschiedlich die dortigen Interessen sind und wie lange man darauf warten könnte. Deshalb halte ich es für geboten - wie es schon jetzt einige Mitgliedstaaten machen -, bei einer solchen Kennzeichnung voranzuschreiten. Ich glaube, wir können nicht abwarten, bis das letzte EU-Land einer solchen Kennzeichnung zustimmt, sondern wir sollten wie Frankreich, wie Dänemark, wie die Niederlande, wie Österreich und wie viele andere Länder bei einer solchen Kennzeichnung voranschreiten.

Da könnte der Bundesminister gleich bei den verarbeiteten Eiern anpacken. Da gibt es eine etablierte Kennzeichnung. Dann kann ich für jede Nudel, die ich im Supermarkt kaufe, für jedes Backwarenteil in den Zutatenlisten sehen, ob es sich um Eier aus Käfig-, Boden- oder Freilandhaltung

handelt. Das würde unseren Betrieben noch mehr helfen, und wir hätten noch mehr schöne Legehennenbetriebe hier und müssten nicht „versteckte“ Eier aus dem Ausland hinnehmen, die der Verbraucher nicht will.

Ich weiß, dass viele niedersächsische Unternehmen schon jetzt kennzeichnen, dass sie Freilandeier verwenden. Die Rügenwalder Mühle beispielsweise nimmt Freilandeier. Große Kekshersteller aus Hannover verwenden keine Käfigeier. Sie würden davon profitieren, wenn nicht das ungekennzeichnete Billigprodukt daneben stehen würde, mit dem den Verbrauchern Käfigeier untergejubelt würden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen für Fragen liegen nicht vor.

Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 17, den Dringlichen Anfragen.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 18: Abschließende Beratung: Agrarrohstoffspekulationen wirksam entgegentreten - EU-Finanzinstrumente-Richtlinie nicht aufweichen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5120 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung - Drs. 17/6276

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Gemeldet hat sich der Abgeordnete der SPD Dr. Alexander Saipa. Sie haben das Wort, Herr Saipa.

(Unruhe)

- Moment, Herr Saipa! - Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt „Dringliche Anfragen“ ist abgeschlossen. Ich habe gerade den neuen Tagesordnungspunkt aufgerufen. Ich darf bitten, sich jetzt auf den neuen Punkt und auf den neuen Redner zu konzentrieren.

Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Agrarland Nummer eins muss es uns natürlich ein Bedürfnis sein, im Sinne der in einer Rohstoffkette echt Beteiligten überbordende Spekulation auf Agrarrohstoffe klar einzugrenzen und zu regulieren.

Nach dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 hatte der schon seit Beginn der 2000er-Jahre weltweit zu beobachtende Anstieg des Agrarpreisniveaus noch einmal deutlich zugenommen. Dies erfolgte in Verbindung mit einer erheblichen Zunahme der Preisschwankungen, und zeitgleich erhöhte sich das Volumen der börslich gehandelten Agrarterminkontrakte im hohen Maße.

Es herrscht überwiegend wissenschaftliches Einvernehmen darin, dass Signale der Finanzmärkte und der Warenterminmärkte Preisentwicklungen auf den physischen Märkten verstärken können, also die Entwicklung des Preisniveaus und der Schwankungen mitbestimmen. Insofern können exzessive Spekulationen negative Auswirkungen für Verbraucher und Unternehmen haben, die im Falle von Agrarprodukten und damit Nahrungsmitteln einen besonders sensiblen Güterbereich treffen.

Die neue europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II verfolgt das Ziel, dass institutionelle Anleger keine den Rohstoffmarkt kontrollierende prozentuale Menge an lieferbaren Agrarrohstoffen halten dürfen. Das Verfahren zur Festsetzung dieser sogenannten Positionslimits ist in technischen Standards zu regeln.

Der vorgelegte erste Entwurf war umstritten. Er sah vor, die Festlegung von Positionslimits je nach Produkt- und aktueller Marktsituation in einer Spanne von 5 bis 35 % zu setzen. Ein Antrag von Vertretern des Europäischen Parlaments an die Kommission sieht dagegen vor, dass die Limits deutlich niedriger gesetzt werden, etwa bei 10 %, mit einer möglichen Abweichung von plus/minus 5 Prozentpunkten, sodass ein einzelner Händler nicht mehr als 15 % eines Rohstoffmarktes kontrollieren soll.

Genutzt hat das erst einmal nicht viel. So sieht der als Reaktion auf die Zurückweisung durch die Kommission überarbeitete Entwurf des einschlägigen technischen Regelungsstandards vom 2. Mai 2016 jetzt vor, dass der untere Schwellenwert für das Positionslimit von 5 % auf 2,5 % abgesenkt wird. Die Obergrenze von 35 % wurde jedoch bei

behalten. Aus dem Europäischen Parlament heraus gibt es schon deutliche Kritik an dem neuen Entwurf der ESMA, der nach wie vor hinter dem Anspruch von MiFID II zurückbleibt.

Es sind keine wesentlichen Verbesserungen erkennbar, und daher ist unser Antrag nach wie vor aktuell; denn Hedgefonds oder Investmentfonds dürfen nach jetziger Lage bis zu 40 % eines Rohstoffmarkts kontrollieren, sodass also ein einzelner Spekulant z. B. Weizenderivate halten könnte, die 40 % des lieferbaren Weizens entsprechen. Massive Marktverzerrungen und gravierende Preissprünge können somit die Folge sein.

Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2011 - daran wird sich bis heute nicht viel geändert haben - halten 84 % der Bundesbürger Rohstoffspekulationen in diesem Maße für nicht akzeptabel, und zwei Drittel erwarten, dass die Banken aus diesen Geschäften aussteigen. Einige haben das bereits getan, aber eher aus ökonomischen Gründen.

Ein gewisses und begrenztes Maß an Spekulation ist nützlich. Um sicher planen zu können, schließen z. B. Agrarhändler Verträge über Warenlieferungen zu einem festen Preis und einem festen Termin in der Zukunft ab. Spekulanten, die kein Interesse an einer Warenlieferung haben, aber mit solchen Futures auf steigende oder fallende Preise wetten, führen dem Markt eine gewisse Liquidität zu und tragen somit zum Teil auch zur Preisstabilität bei.

Aber während z. B. der Anteil der zu rein spekulativen Zwecken gehaltenen Weizenkontrakte an der Chicagoer Börse 1999 noch bei 20 bis 30 % lag, beträgt er heute bis zu 80 %. Die Zahl der gehandelten Futures ist völlig unabhängig von den verfügbaren Mengen der physischen Ware. Ein - zugegeben - älteres Beispiel zeigt: Im Frühjahr 2011 betrug z. B. das Volumen der gezeichneten Futures auf Weizen der sogenannten Soft-Red-Winter-Marke an der Chicagoer Rohstoffbörse rund 76 Millionen t. Das entspricht dem 8,5-Fachen der Jahresernte von rund 9 Millionen t. Das, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, hat nichts mehr mit Stützung des Marktes zu tun. Das ist spekulativer Irrsinn und muss bekämpft werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn Menschen in den ärmsten Ländern 80 % ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen, können sie bei Preissteigerungen ihr Es

sen eben nicht mehr bezahlen. Die Weltbank schätzte, dass während der Hochpreisphase 2007/2008 an die 100 Millionen Menschen zusätzlich Hunger litten, weil sie die höheren Preise nicht mehr bezahlen konnten. Nach 2011 lagen die Preise für die drei wichtigsten Getreidesorten - Weizen, Mais und Reis - im weltweiten Durschnitt inflationsbereinigt einmal um 150 % über denen im Jahr 2000. Das wollen wir nicht unkommentiert hinnehmen. Das wollen wir bekämpfen.

Ohne Zweifel gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf zur Klärung der Preismechanismen auf den Rohstoffmärkten. Viel drängender geworden ist aber inzwischen der Handlungsbedarf. Angesichts der klaren Anzeichen für schädliche Wirkungen von überbordenden Nahrungsmittelspekulationen ist die europäische Politik unserer Meinung nach sogar verpflichtet, im Sinne des Vorsorgeprinzips aktiv zu werden.

Daher unterstützen wir klar mit unserem Antrag die Forderung aus dem Europäischen Parlament nach einer Begrenzung auf maximal 15 %. Vor allem soll es auch keine Möglichkeit geben, Positionen auf verschiedene Tochterunternehmen aufzuteilen, um so effektiv und prozentual insgesamt doch mehr zu halten.

Wir wollen, dass lebensnotwendige Agrarrohstoffe bei den Menschen ankommen und diese ihr Essen bezahlen können. Wir haben eine klare entwicklungspolitische Verantwortung in diesem Bereich. Daher ist unser Antrag goldrichtig.

Vielen Dank fürs Zuhören.