Protocol of the Session on September 15, 2016

Die nächste Frage stellt Helmut Dammann-Tamke.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor dem Hintergrund der vom Minister geäußerten Perspektiven für das Zweinutzungshuhn - er hat auch das Projekt Bruderhahnlinie erwähnt - frage ich die Landesregierung: Wie schätzt sie die Perspektiven dieser Nutzung vor dem Hintergrund ein, dass die Auflagen in der Landwirtschaft, was die Einschränkung von klimaschädlichen Gasen angeht, in der Zukunft enorm werden, und wir davon ausgehen können, dass das Zweinutzungshuhn eine um 20 % niedrigere Legeleistung und, bezogen auf das Ei, einen um 50 % höheren Futteraufwand hat? Wie wird die Landesregierung diese beiden Punkte gegeneinander abwägen, und wie sieht sie die Perspektiven für das Zweinutzungshuhn?

Vielen Dank, Herr Dammann-Tamke. - Es sind so schöne Begriffe dabei. Die hört man wirklich nicht so oft: Bruderhuhn oder so. - Der Herr Minister wird antworten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme dem Wunsch des Präsidenten gleich ein

mal ein bisschen nach, was eigentlich unter der Bruderhahn-Initiative zu verstehen ist, und werde auch auf die Frage der Kosten eingehen.

Es sind niedersächsische Betriebe, überwiegend Biobetriebe. Das Bioei wird mit einem Aufschlag im Laden verkauft. Darauf steht: 4 Cent für den Bruder.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Sie haben immer nach der Bruderhahn-Initiative gefragt und danach, ob das sozusagen ausbaufähig ist.

Es wird ein Aufschlag berechnet. Mit den 4 Cent für das Ei der Henne wird sozusagen der Bruder subventioniert. Sie haben ja zu Recht angesprochen, dass eben diese Brüder der Legehennenrassen nicht in 30, 40 Tagen in der Schnellmast gemästet werden wie die Masthühner, sondern 70 oder 80 Tage und damit doppelt so viel Futter brauchen. Es ist logisch, dass sie mehr Futter brauchen, um mehr Fleisch anzusetzen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Die Schwester auch? Ist das nachhaltig?)

- Die Schwester nicht. Herr Dammann-Tamke, Sie wissen genau, dass es in dem Bereich nicht um Hühnermast geht. Die Schwestern sind die Legehennen, die Eier produzieren.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Sie legen weniger Eier und brauchen mehr Futter für das Ei! - Heiterkeit - Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ich habe nach der Ökobilanz gefragt, Herr Minister)

Herr Dammann-Tamke, der Minister muss jetzt antworten. Bitte!

Wir haben also diese Wege. Die Bruderhahn-Initiative subventioniert die Legehennenlinien. Dann haben wir das Projekt, das ich vorhin angesprochen habe. Daneben gibt es viele weitere Produkte. Es ist sozusagen ein Kompromiss bezüglich des Mehrnutzungshuhns herzustellen, also zwischen Legeleistung und Mast. Man kann wahrscheinlich lange forschen, aber man wird nicht eine Zuchtlinie erreichen, bei der die Hühner ganz viele Eier legen und ganz viel Fleisch ansetzen. Beides

gleichzeitig geht nicht; das ist problematisch. Also muss man einen Kompromiss finden. Das ist das, was wir uns als Mehrnutzungshuhn vorstellen. Deshalb fördern wir das, und ich freue mich, wenn die Betriebe mitmachen, damit es eben nicht dazu kommt - das ist unser gemeinsames Ziel -, dass die männlichen Küken als wirtschaftlich unnütz verworfen, getötet werden. Deshalb ist das, glaube ich, ein richtiger Weg.

In Österreich wird das über eine Umlage des Handels finanziert. Darüber könnte man auch einmal in Deutschland Gespräche führen mit dem Ziel, die Kompromisslinie zu finanzieren. In Österreich ist es die Legehennenlinie „Sandy“ mit eher etwas gelblicheren Eiern. Damit haben wir uns auch intensiv beschäftigt.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

Die Ökobilanz: Natürlich sind die Kosten für das Futter wegen der Fleischzunahme höher. Sie haben aber nach den Standortbedingungen und nach den Emissionen usw. gefragt. Sie wissen, dass wir einen interministeriellen Arbeitskreis der Landesregierung gebildet haben, um gerade diese Fragen zu klären.

Wenn ich mir anschaue, wie viel Wachstum wir bei Freilandhühnern haben - der Begriff „Freiland“ bedeutet, dass die Hühner draußen herumlaufen - und dass die konventionellen und ökologischen Betriebe in Niedersachsen sehr viel Vertrauen in die Landesregierung haben, und nachdem wir in den letzten drei Jahren einen Zuwachs bei Freilandbetrieben um 30 % hatten - das ist die einzige Branche in Niedersachsen, die nennenswert wächst, weil sie gute Standortbedingungen und die Möglichkeit hat, zu bauen; auch in diesem Jahr werden immer wieder neue Freilandställe von den Kommunen genehmigt, was gut so ist -, dann stelle ich fest, dass das ein möglicher und richtiger Weg ist. Denn das Tierwohl ist dort im Vordergrund und wird vom Verbraucher honoriert.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ei- gentlich habe ich nur nach der Ökobi- lanz gefragt! - Heiterkeit)

- Die Ökobilanz muss man natürlich ganzheitlich sehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Zurufe von der CDU: Oh! - Hermann Grupe [FDP]: Das war gut!)

Da müssen wir das Futter einbeziehen. Da müssen wir sehen, ob das Futter konventionell angebaut wird, ob es industriell ist, ob es genmanipuliertes Soja aus Südamerika ist, wo Regenwälder gerodet werden. Da bekommen Sie eine ganz andere Klimabilanz als z. B. im Biobereich, für den das Futter regional angebaut werden muss. Da sollte man ein Stück weit ehrlich bleiben. Im ökologischen Landbau haben wir eine andere Humuswirkung.

Ich empfehle Ihnen, einmal eine ganz intensive Debatte, eine ganzheitliche Debatte über den ökologischen und den konventionellen Landbau zu führen und nicht nur den Futteraufwand zu berechnen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich ist Bio teurer. Deshalb ist auch das Bioei teurer. Das wussten wir aber schon vorher. Das ist jetzt auch nicht das Argument.

Sie wissen aber auch: Wenn etwas teurer ist, wird es vielleicht weniger konsumiert und weniger weggeworfen. Auch darüber muss man diskutieren, wenn wir wissen, dass die Hälfte aller Lebensmittel immer noch weggeworfen wird.

Letztens schrieb die NOZ, dass eigentlich alle Betriebe in der Landwirtschaft von der Preiskrise betroffen sind, nur die Geflügelwirtschaft nicht. Die blüht unter dieser Landesregierung sehr gut auf. Die freuen sich über hohe Preise. Dadurch, dass die Verbraucher bereit sind, für Freilandeier immer mehr zu bezahlen, ist das ein gutes Geschäft für unsere Betriebe.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Frank Oesterhelweg [CDU]: Wie sieht das mit der Genehmigung von Hühnermo- bilen aus, Herr Minister?)

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt HansJoachim Deneke-Jöhrens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Vor dem Hintergrund, dass sich der Herr Minister hier mit viel Verve, Elan und innerer Überzeugung für das Tierwohl eingesetzt hat und dass ein wesentliches Merkmal des Tierwohls die Tatsache ist, ob ein Tier am Leben ist oder ob es stirbt,

(Hermann Grupe [FDP]: Das ist ein Indiz!)

frage ich, da Sie ja auch Transparenz einfordern, ob es für Sie keine Rolle spielt, dass die Sterblichkeit in den von Ihnen favorisierten Systemen von ca. 4 % auf mehr als 20 % steigt. Spielt das eine Rolle für Sie? Warum reden Sie nicht darüber? Warum unterschlagen Sie das angesichts der vielen Zahlen, die Sie hier nennen?

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Herr Minister, es war eine Frage, die im Zusammenhang beantwortet werden kann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich warne Sie davor, jetzt anzufangen, die Erfolge in der Freilandhaltung sozusagen kleinzureden. Ich habe letztens jemanden bei mir im Wahlkreis besucht. Der hat ein Hühnermobil selbst gebaut und hat seine Hühner darin. Er sagte: Natürlich haben wir eine höhere Verlustrate. Da kommt ab und zu die Wildkatze und holt sich ein Huhn.

Es ist logisch, dass diese Risiken - der Habicht, die Wildkatze oder was auch immer - in der Käfighaltung nicht bestehen. Es fällt auch kein Huhn in ein Loch hinein.

(Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens [CDU]: Ich spreche nicht von Käfighal- tung, sondern von Transparenz!)

- Sie haben argumentiert, dass es in der Freilandhaltung - obwohl ich Ihre Zahlen so nicht bestätigen kann - eine höhere Sterblichkeit als in der Käfig- oder Bodenhaltung gibt. Richtig? - Herr Dammann-Tamke als profunder Jäger hat natürlich recht, wenn er sagt: Da sorgt der Habicht dafür. - Das ist einfach die Natur. Der Habicht kommt in einen Stall nicht hinein.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Der Habicht findet das gut! Der muss ja auch leben!)

Trotzdem wachsen die Betriebe.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Der Wolf!)

- Als Nächstes fordern Sie noch eine Entschädigung für den Habicht. Nun ja.

Zurück zur Legehennenhaltung: Deshalb hat man in einer Freilandhaltung andere Risiken als in einer Käfig- oder Bodenhaltung.

Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Studien, die aufzeigen, welche Tierwohlverletzungen, welche Tierschutzverstöße wir in einer eher industriellen Haltung haben. Ich möchte daran erinnern: Das Bundesverfassungsgericht hat die Käfighaltung für nicht vereinbar mit dem Tierschutz im Grundgesetz gehalten. Deshalb steigen wir ja aus. Man sollte diese Gerichtsurteile nicht anzweifeln.

Es ist ganz klar: Die ökologische Tierhaltung, die Freilandhaltung ist deutlich tiergerechter als z. B. eine Bodenhaltung, eine Haltung in einem Stall, eine Käfighaltung oder eine Kleingruppenkäfighaltung. Es ist anerkannt, dass das Tierwohl in der Biohaltung am besten ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Hermann Grupe stellt die nächste Frage für die FDP-Fraktion. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass die hier von Ihnen mehrfach zitierten Wissenschaftler laut top agrar vom 7. Juli sagen, dass diese neuartige Maschine zur Geschlechterbestimmung nach ihrer Überzeugung erst 2020 praxisreif sein wird - entgegen Ihrer Aussage, dass das im nächsten Frühjahr der Fall ist -, frage ich Sie: Wollen Sie, obwohl es noch infrage steht, wann diese Technik praxisreif sein wird, an einem Verbot ab dem Jahr 2017 festhalten, auch wenn dann in der Zwischenzeit von 2017 bis 2020 die Betriebe aus dem Lande vertrieben werden?

(Zustimmung bei der CDU - Frank Oesterhelweg [CDU]: Welches Jahr stimmt denn nun? - Zuruf von Her- mann Grupe [FDP])

Herr Minister!