Protocol of the Session on June 9, 2016

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Tagesordnungspunkt 34: Mitteilungen des Präsidenten

Das Hohe Haus ist bereits hervorragend besetzt. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung teile ich Ihnen zunächst eine Änderung mit. Die Landesregierung in Person des Herrn Wirtschaftsministers hat darum gebeten, gleich eine Unterrichtung vornehmen zu dürfen. Dem werden wir natürlich entsprechen. Es kann sein, dass das eine Aussprache auslöst. Danach werden wir die Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 35 - Dringliche Anfragen - fortsetzen und anschließend die Tagesordnung in der Reihenfolge behandeln, die Sie alle kennen. Die heutige Sitzung soll gegen 20.20 Uhr enden.

Die uns zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Brinkmann mit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Für die heutige Sitzung hat sich von der Fraktion der FDP Frau Gabriela König entschuldigt.

Danke, Herr Brinkmann. - Meine Damen und Herren, wir steigen jetzt in das Tagesgeschehen ein.

Außerhalb der Tagesordnung: Unterrichtung durch Minister Lies zur Presseberichterstattung zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter von Volkswagen wegen veranlasster Datenlöschung

Ich darf den Herrn Wirtschaftsminister um seine Unterrichtung bitten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Landtag heute Morgen über die gestern vom NDR veröffentlichten Artikel im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen einen Mitarbeiter von Volkswagen und die damit verbundene strafrechtliche Ermittlung in dem derzeit möglichen Rahmen - dafür bitte ich um Verständnis - unterrichten.

Vorweg will ich sagen: In dem Artikel ging es um: „Datenlöschung bei Volkswagen - Staatsanwaltschaft ermittelt gegen VW-Juristen“. Auf die Details des Artikels will ich an dieser Stelle nicht näher eingehen.

Der Ministerpräsident und ich haben größtes Verständnis für das Bedürfnis der Öffentlichkeit und insbesondere natürlich für das Bedürfnis und Interesse der gewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier hier im Niedersächsischen Landtag nach Informationen über die uns alle beschäftigende Dieselthematik. Auch aus Respekt vor dem Landtag und seinen Mitgliedern halte ich es für angebracht, heute Morgen zumindest im Rahmen der Möglichkeiten darüber zu informieren.

Ich kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren, dass Volkswagen weiterhin auf das Engste mit den Behörden und Ermittlungsbehörden in Deutschland und in den USA kooperiert.

Die Vorwürfe, die jetzt Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Braunschweig sind, sind dem Ministerpräsidenten und mir bekannt und waren Gegenstand der Gremienberatungen. Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst.

Leider sind mir eine Darstellung von Details und eine Bewertung der Vorwürfe nicht möglich. Auch hier bitte ich um Ihr Verständnis. Lassen Sie mich aber noch einmal kurz die Gründe dafür skizzieren.

Bei der von Volkswagen beauftragten unabhängigen Untersuchung durch Jones Day werden selbstverständlich sämtliche Aspekte im Zusammenhang mit der Dieselthematik umfassend untersucht. Die Aspekte werden natürlich auch im Sonderausschuss und im Aufsichtsrat intensiv erörtert.

Neben der allgemeinen Vertraulichkeit von Aufsichtsratsberatungen ist die Wahrung der Vertraulichkeit sowohl für die Kooperation mit dem US

Justizministerium als auch für die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von erheblicher Bedeutung. Sie können aber sicher sein, meine Damen und Herren, dass es, wie ich dies bereits mehrfach betont habe, oberste Priorität des Ministerpräsidenten und von mir ist, die Umstände, die zu dem Abgasskandal geführt haben, lückenlos aufzuklären und im Rahmen der Möglichkeiten daran mitzuwirken, diese Daten und Sachverhalte zu ermitteln und vor allen Dingen Volkswagen wieder dorthin zu bringen, wo dieser niedersächsische Konzern hingehört, nämlich an die Spitze.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hofft auf eine lückenlose und schnelle Aufklärung, über deren Ergebnisse dann selbstverständlich die Mitglieder des Landtags regelmäßig unterrichtet werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die Unterrichtung hat aufgerundet drei Minuten gedauert. Hierzu ist eine Aussprache möglich. Ich habe eine erste Wortmeldung von Herrn Toepffer. Die großen Fraktionen haben eine Redezeit von drei Minuten. Die - pardon - kleinen Fraktionen haben eine Redezeit von anderthalb Minuten; aber ich sehe das nicht ganz so eng, weil man in anderthalb Minuten schlecht etwas entwickeln kann.

Herr Toepffer beginnt. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Lies, vielen Dank für diese sehr kurze Unterrichtung, in der Sie eigentlich gar nichts gesagt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das war wirklich unglaublich. Sie haben ja nicht einmal das gesagt, was wir heute in der Zeitung lesen konnten. Das wirft natürlich erneut die Frage nach Ihrer Informationspolitik auf.

Ich kann nur sagen: Es ist peinlich und erschreckend, dass wir erneut über ein Recherchenetzwerk von NDR, Süddeutscher und WDR Dinge erfahren müssen, die Sie uns in den vergangenen Tagen nicht gesagt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie können sich natürlich hinstellen und sagen, das ist ein laufendes Ermittlungsverfahren. Ich sage Ihnen aber eines: In einem Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft und können die Dienstvorgesetzten der Staatsanwaltschaft natürlich nur wenig sagen. Der Beschuldigte von sich aus kann natürlich immer an die Öffentlichkeit treten. Beim VW-Konzern wäre es vielleicht gut, im Aufsichtsrat darüber nachzudenken, ob endlich der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem man die Öffentlichkeitsarbeit ändert und Tatsachen an die Öffentlichkeit bringt, die nicht erst von der Presse herausgekitzelt werden müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister und Herr Ministerpräsident, für uns wird wieder einmal deutlich: Sie sind in Ihrer Doppelrolle gefangen: einmal als Vorgesetzter der Staatsanwaltschaft, als der Sie nichts sagen dürfen, und einmal als Mitglieder des Aufsichtsrates, als die Sie aber für eine andere Öffentlichkeitsarbeit sorgen dürfen. Sie müssen sich endlich entscheiden, auf welcher Hochzeit Sie an dieser Stelle tanzen wollen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das, was Sie nicht gesagt haben, ist Folgendes: dass mit diesem Vorgang dem VW-Konzern erneut erheblicher finanzieller Schaden über das hinaus droht, was bisher bekannt ist. Mehr will ich dazu gar nicht sagen.

Aber vielleicht das eine noch. Eines ist entscheidend: Der versprochene Kulturwandel bei VW will und will sich einfach nicht einstellen. Die Menschen in Niedersachsen halten VW die Treue. Die Politik in diesem Parlament hält VW die Treue. Und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von VW sind bemüht, das Unternehmen auf Spur zu halten. Aber wo sind denn eigentlich Vorstand und Aufsichtsrat?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Vorstand ist ausschließlich bemüht, sich um seine eigene Vergütung und deren Sicherung zu kümmern. Der Aufsichtsrat nimmt dies widerspruchslos hin. Im Konzern geht es weiterhin drunter und drüber.

Nach dem, was wir heute aus der Zeitung erfahren haben, ist Folgendes der Fall: Da ist jemand in einem Verfahren, welches am Landgericht Braunschweig - gerichtet auf Schadensersatz gegen den VW-Konzern - anhängig ist, offensichtlich als Zeuge des VW-Konzerns dafür benannt, dass keine

Manipulationen stattgefunden haben. Offensichtlich - so haben wir es der Presse entnommen - ist genau diese Person dafür verantwortlich, dass dort Daten vertuscht worden sind, dass man Daten vernichtet oder versucht hat, sie der Staatsanwaltschaft vorzuenthalten, die für den Erfolg der Klage teilweise helfen könnten.

Meine Damen und Herren, nun kann man Folgendes sagen: Die Klageerwiderung in diesem Verfahren ist nach den mir vorliegenden Informationen im Februar 2016 gefertigt worden. Bereits fünf Monate haben wir seit diesem Zeitpunkt hier diskutiert, was sich dort in puncto Abgasskandal ereignet hat. Fünf Monate! Und in diesen fünf Monaten haben Sie, Herr Ministerpräsident, hier mehrfach gestanden und gesagt: Sie sorgen für einen Kulturwandel bei VW. Sie sorgen dafür, dass dort aufgeräumt werde.

(Jörg Bode [FDP]: Es ist nichts pas- siert! - Christian Dürr [FDP]: Gar nichts!)

Fangen Sie endlich mit der Arbeit an! Sie haben in diesen fünf Monaten offensichtlich nichts erreicht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - - Helge Limburg [GRÜNE]: Vier Mona- te waren es, Herr Kollege!)

Vielen Dank, Herr Toepffer. - Auf Ihren Redebeitrag gibt es den Wunsch nach einer Kurzintervention des Abgeordneten Bode. Herr Bode, in diesem Zusammenhang 90 Sekunden!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Toepffer, Sie haben vollkommen recht,

(Lachen bei der SPD)

dass die Informationskultur der Landesregierung und des Ministerpräsidenten dem Parlament gegenüber hier ein absoluter Skandal ist.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Jetzt wird aber inszeniert! Da haben sie aber ganz schön was ausgeheckt!)

Herr Ministerpräsident, Ihr Wirtschaftsminister hat gerade eingestanden, dass Sie von dem Sachverhalt gewusst haben, dass Sie aber weder in der vertraulichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses noch in der vertraulichen Sitzung des Rechtsausschusses, noch in der vertraulichen Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden

(Unruhe bei der SPD - Meta Janssen- Kucz [GRÜNE]: Ist das eine Kurzin- tervention auf Herrn Toepffer?)

nur eine Silbe darüber verloren haben, dass es hier tatsächlich eine Datenlöschung gab.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Sprechen Sie auf Toepffer oder was? - Jens Nacke [CDU]: Herr Präsident, können wir das nicht mal unterbinden? - Dr. Stefan Birkner [FDP]: - zur SPD -: Es ist doch nicht zu fassen! Was ist denn euer Problem?)