Das Gesetz verhindert nicht Wettbewerb, sondern wird Wettbewerb auf faire und vernünftige Beine stellen. Das ist, glaube ich, das, worum es geht.
Deswegen, Frau König - gestatten Sie mir die Bemerkung -, war ich noch mehr verwundert, dass Sie sagen, es gehe quasi ausschließlich darum, Aufträge und Aufgaben auf kommunale Unternehmen zu verlagern. Das ist zwar nicht das Ziel, aber eines will ich an dieser Stelle auch sagen: Die Aufgaben und Arbeiten, die kommunale Unternehmen machen, machen sie verdammt gut. Die halten sich an die Kriterien, die halten sich an Tarifverträge.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Koalitionsvertrag klare Ziele für eine neue Arbeitsmarktpolitik formuliert. Im Kern geht es um die Zurückdrängung des Niedriglohnsektors und vor allen Dingen der prekären Beschäftigung. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren sehr oft und sehr viel darüber diskutiert.
Den Wert der guten Arbeit in den Mittelpunkt unserer Leitlinie zu stellen, als Leitlinie zu formulieren, macht das, glaube ich, deutlich. Uns, der Landesregierung, geht es nicht nur darum, Menschen in Beschäftigung zu bringen und dies als ausschließliches Kriterium zu werten, sondern es geht auch
um die Qualität der Beschäftigung. Es ist uns wichtig, dass nicht bloß Arbeit, sondern gute Arbeit geschaffen wird, dass anständige und tarifliche Löhne gezahlt werden, dass gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Arbeitsleben möglich ist, dass Entgeltgleichheit und faire Arbeitsbedingungen möglich sind.
Ich will daran erinnern, was der BA-Chef Weise in dieser Woche noch einmal gesagt hat. Er hat noch einmal beschrieben, wie die Situation ist. Er hat gesagt, es sei zwar ganz schön, dass, statistisch gesehen, immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen entstanden sind. Aber er hat auch sehr eindrucksvoll und sehr nachdrücklich auf die Auswirkungen hingewiesen, die das Ganze hat: Wir haben nämlich eine extreme Zunahme prekärer Beschäftigungen. Wir haben eine extreme Zunahme im Niedriglohnbereich. Jeder vierte Beschäftigte in Deutschland arbeitet in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Damit muss Schluss sein. Damit macht dieser Gesetzentwurf den Anfang.
Mit unseren Bemühungen auf Bundesebene - u. a. der Einbringung eines Gesetzentwurfs mit vielen anderen Bundesländern zusammen in den Bundesrat -, einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen, wollen wir eben auch auf Landesebene handeln.
Aber auch noch einmal ein Wort zum Thema Bundesebene: 5 Millionen Menschen in Deutschland würden davon profitieren, wenn wir einen flächendeckenden Mindestlohn hätten, und 7 Milliarden Euro mehr wäre die Entlastung der Sozialkassen und der Wirtschaftlichkeit in Deutschland. Wenn diese beiden Zahlen keine Argumente sind, dann weiß ich es allerdings auch nicht mehr.
Aber wir handeln eben auch auf Landesebene. Auch da will ich noch einmal daran erinnern - auch das haben wir gesagt -: Wenn ich diesen Raum hier verlasse und an denen vorbeigehe, die in der Landtagsverwaltung arbeiten, die bei uns in den Ministerien arbeiten, die in öffentlichen Bereichen arbeiten, und sehe, unter welchen Lohn- und Arbeitsbedingungen sie tätig sind - wir wissen, dass die, die draußen sind und für unsere Sicherheit sorgen, für deutlich weniger als 8,50 Euro arbeiten; wir wissen, dass sie zum Teil weit mehr als
200 Stunden arbeiten müssen, um überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen -, dann kann es doch nicht unser Ansinnen sein, das einfach hinzunehmen. Dann muss es doch unsere Aufgabe, unsere Verantwortung sein, das abzustellen.
Herr Minister Lies, Sie sagten vorhin, Sie wüssten nicht, dass der Gesetzentwurf wettbewerbsfeindlich wäre. Sie kennen sicherlich auch die Aufstellung des GVN und die Stellungnahme dazu, worin ganz klar geschrieben wird, und zwar auch noch fett gedruckt: Dies ist kein Gesetz zum Schutz der Wettbewerbsgleichheit, sondern ein Wettbewerbsverhinderungsgesetz.
Ich möchte fragen, ob Sie diese Stellungnahme des GVN kennen. Denn darin steht auch, dass die Busfahrer 9,55 Euro bekommen, also durchaus weit über 8,50 Euro.
(Jörg Bode [FDP]: Die Stellungnahme kann er nicht kennen; denn sonst hät- te er das so nicht gesagt!)
Ich glaube, dass es genau das Ansinnen ist, dass wir den Dialog führen. Ich glaube, dass hier keiner im Raum die Sorge hat, dass ein anständiger Tarifvertrag, der gezahlt wird, nicht weiter Bestand der Vergabe sein soll. Daran haben wir überhaupt keinen Zweifel. Und ich sehe gar nicht die Sorge, weil es kein Zurück in die kommunale Hand von Busunternehmen geben wird - das ist gar nicht das Ziel -, weil wir mit den Partnern, mit denen wir im Dialog sind, genau diese tarifliche Situation haben.
Ich finde, hier wird ein Versuch unternommen, zulasten derer, die darunter leiden, eine Debatte zugunsten derer zu führen, die die Sorge haben, ansonsten vielleicht einmal hinten herunterzufallen. Das kann nicht unser Ziel sein. Uns geht es um die Schwachen in der Gesellschaft.
Deshalb, meine Damen und Herren, begrüße ich den hier eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Vergabe öffentlicher Aufträge ausdrücklich. Denn unbestritten ist: Der Einsatz von Niedriglohnkräften kann bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu Wettbewerbsverzerrungen führen - das ist doch die Realität, vor der wir stehen -, weil das gerade die Unternehmen benachteiligt, die sich an die tarifliche Situation halten.
Herr Bley, Sie wissen es doch am besten aus dem Bereich des Handwerks: Es sind doch die Handwerksunternehmen, die gerade an uns als Landesvertretung herantreten und sagen: Wir wollen uns in den regionalen Ausschreibungen unter fairen Bedingungen am Wettbewerb beteiligen.
Faire Bedingungen bestehen nicht darin, dass sich der eine an die tarifliche Situation hält und der andere über Substrukturen auf billige Arbeitskräfte zurückgreift. Genau darum geht es, das zu verhindern. Genau das wird mit diesem Gesetz geleistet, meine Damen und Herren.
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit ist ja übrigens auch genau das Problem der Kommunen, der Druck auf die Kommunen, das wirtschaftlichste Angebot zu nehmen und dabei das außer Acht zu lassen, was genauso entscheidend sein muss, nämlich der Blick auf den volkswirtschaftlichen Gedanken. Ich räume ein, dass damit Mehraufwand entsteht. Aber volkswirtschaftlich betrachtet, rechnet sich dieser Mehraufwand doch, und zwar allein schon dadurch, dass wir dafür sorgen, dass Unternehmen in der Region wieder Aufträge erhalten und Menschen in der Region wieder Arbeit in den Unternehmen haben. Genau darum ist dieser Ansatz richtig: Wettbewerbsgleichheit zu schaffen, Wettbewerbsverzerrungen nicht zuzulassen und dafür zu sorgen, dass die Leute anständige Arbeit unter anständigen Bedingungen haben.
Und aus dem gleichen Grund ist es auch so wichtig das Ganze auszuweiten. Schließlich haben wir Dumpinglöhne nicht ausschließlich im Baubereich. Da gibt es sogar noch klare Regelungen, die wir vollziehen könnten. Nein, die extremen Auswirkungen, von denen ich gerade gesprochen habe, haben wir in anderen Branchen. Deswegen ist es richtig und auch dringend notwendig, dass sich das Tariftreue- und Vergabegesetz auf alle Branchen und Vergaben erstreckt. Und deswegen ist auch der Ansatz richtig, den Auftragswert auf 10 000 Euro herunterzusetzen.
Ich will noch einmal die Sorge aufgreifen, dass das Vergaberecht mit diesen von uns formulierten gesellschaftlichen Zielsetzungen überfrachtet wird. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Der Gesetzentwurf hat genau diese Sorgen berücksichtigt. Sein Regelungsbereich gilt von der Ausschreibung von Büromaterialien bis hin zur Vergabe kleinerer und größerer Aufträge. Die Formulierungen sind so gehalten, dass die öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzt werden, die Vergabekriterien im
Flexibler und besser kann man damit nicht umgehen. Es wird eben nicht von allen Unternehmen bei allen Vergaben das Gleiche verlangt. Das Gesetz erkennt an, dass es Fälle geben wird, in denen die Vorgabe z. B. bestimmter Sozialkriterien nicht zu einer bestimmten Vergabe passt oder - und auch das haben wir formuliert - den Mittelstand überfordert.
Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen: Mit diesem Gesetz bringen wir etwas auf den Weg, was im Sinne vieler Diskussionen, die wir im Landtag geführt haben, richtig ist. Wir wollen, dass die Unternehmen in unserem Land unter fairen Bedingungen in den Wettbewerb treten können. Wir wollen, dass die Menschen, die in unserem Land leben, unter Bedingungen arbeiten, die unseren tariflichen Vorstellungen oder mindestens dem Stand von 8,50 Euro pro Stunde entsprechen. Es soll Schluss damit sein, dass im Wettbewerb diejenigen ganz vorne dabei sind, die auf Arbeitskräfte zurückgreifen, die nicht nach einem vernünftigen Standard entlohnt werden.
Das Ganze müssen wir bis zum 1. Januar 2014 umsetzen. Deswegen hoffe ich - und da ist auch meine Bitte -, dass Sie sich trotz aller Vorbehalte, die an verschiedenen Stellen in den Kommunen oder möglicherweise auch bei Ihnen vorhanden sind, zielorientiert an einer Diskussion beteiligen, die im Kern das Wohl der Menschen in unserer Gesellschaft zum Ziel hat.
Übrigens ist jedes Gesetz nur so gut wie seine Kontrollen. Auch das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen. Ich gebe zu: Der Aufwand ist da. Diesen Aufwand werden wir aber betreiben müssen. Wie im Gesetzentwurf beschrieben, muss es auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten geben. Sonst haben wir nicht die Chance, diejenigen zu schützen, die sich an die Regeln halten, und diejenigen zu bestrafen, die sich nicht an die Regeln halten.
Mein Wunsch an Sie ist, die Debatte so zu führen, dass wir uns um diejenigen kümmern, die sich an die Regeln halten, und dass wir für diejenigen Regeln definieren, die sie schützen. Bitte nehmen Sie dieses Ziel auf und reden Sie nicht davon, dass wir mit einem solchen Gesetz Wettbewerbsverzerrungen fördern würden. Wir schaffen damit Wettbewerbsgleichheit - das ist das Ziel dieses Gesetzes. Wir sorgen für anständige Bedingungen für die Menschen in unserem Land. Als öffentliche Hand