Eine Frage aber kann man schon heute beantworten, nämlich die danach, wer auf jeden Fall zu den Verlierern beim Hochschulpakt gehören wird. Das sind die jungen Menschen, die Medizin studieren wollen. Obwohl es bundesweit einen steigenden Bedarf an Medizinern gibt, werden noch mehr Studienwünsche im ohnehin schon deutlich überbuchten Fach Medizin nicht erfüllt werden können. Warum? - Weil Medizinstudienplätze nach Ansicht von CDU und FDP zu teuer sind. Hier wird das Hauptproblem des Hochschulpaktes deutlich. Er gehorcht dem Diktat der schlanken Lösung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, obwohl einige Bundesländer, wie Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen, bereits von sich aus die Zulassungszahlen im Fach Medizin temporär um bis zu 5 % erhöhen, sieht Niedersachsen nicht einmal die Notwendigkeit, ein entsprechendes Bund-Länder-Programm aufzulegen. Da überzeugt auch der Verweis darauf wenig, dass Studienplätze an medizinischen Hochschulen an die Bettenzahlen gekoppelt sind; denn der klinische Teil des Studiums könnte zumindest für eine begrenzte Zeit in Lehrkrankenhäuser ausgelagert werden. Das, lieber Herr Zielke, wäre keine optimale Lösung.
Meine Damen und Herren, Sie haben den jungen Menschen in Niedersachsen den doppelten Abiturjahrgang eingebrockt, aber auslöffeln lassen Sie ihn Schüler und Studierende. Die erste Druckwelle bekommen im Moment die Schüler und Schülerinnen ab, die sich in großer Zahl abstufen lassen oder gleich die Schulform wechseln. Die zweite Druckwelle bekommen die Studienanfänger zu
spüren. Die Hörsäle werden, besonders in den Massenfächern, überfüllt sein. Wer Medizin studieren will, braucht Prädikatsnoten im Abitur. Herr Zielke, Frau Dr. Andretta hat schon darauf hingewiesen: Es sind die Kollegen Professoren, Lehrstuhlinhaber an den medizinischen Hochschulen, die damit kalkulieren, dass es zum Teil NCs unterhalb von 1,0 geben wird.
Die dritte Druckwelle werden alle Bachelorabsolventen zu spüren bekommen, die weiter studieren wollen; denn der Hochschulpakt schafft zwar zusätzliche Kapazitäten bei den Bachelorstudiengängen, aber die Masterkapazitäten werden nicht angefasst. Was also Interessenten für ein Medizinstudium bereits ab 2011 bevorsteht, blüht in wenigen Jahren mit Sicherheit vielen Bachelorabsolventen, die ein Masterstudium dranhängen wollen. Sie werden in großer Zahl leer ausgehen, weil trotz drastisch steigender Bewerberzahlen die Zahl der Masterstudienplätze gleich bleiben wird.
Meine Damen und Herren, deshalb fordern wir Sie auf: Bessern Sie bei den Medizinstudienplätzen nach! Machen Sie sich für ein entsprechendes Bund-Länder-Programm stark und erkennen Sie an, dass Sie für alle Studierwilligen Verantwortung tragen, auch für diejenigen jungen Menschen, die Medizin studieren wollen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel des SPD-Antrags ist die Ausweitung der Zahl der Medizinstudienplätze. Dieses Anliegen unterstützen wir; denn wenn man sich die letzten Jahre anschaut, stellt man zwei Entwicklungen fest, die gegen diese Landesregierung sprechen. So hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage erheblich verschlechtert. Im Jahre 2000 kamen auf einen Studienplatz der Humanmedizin 2,55 Bewerber. 2009 waren es bereits 4,4, also fast doppelt so viele. Der Numerus clausus liegt über die Jahre über die verschiedenen Hochschulen hinweg nahe 1,0. Wir haben also ein erhebliches Kapazitätsproblem.
Wenn wir uns jetzt nur die Angebotsseite anschauen, so stellen wir fest, dass die Zahl der bundesweiten Studienplätze in diesem Bereich in den vergangenen fünf Jahren um etwa 2 % zugenommen hat. Doch was war der Anteil dieses Bundeslandes, dieser Landesregierung an der Ausweitung? - Gar nichts. Ganz im Gegenteil: Während beispielsweise das rot-rote Berlin seine Kapazitäten um etwa 5 % aufstockte,
gab es unter Schwarz-Gelb in Niedersachsen einen Rückgang der Studienplätze um 13 %. Der Trend geht eindeutig in die falsche Richtung. Damit muss jetzt Schluss sein;
denn der Handlungsbedarf ist akut. Der doppelte Abiturjahrgang in Hamburg hat im letzten Jahr die Schulen verlassen. Niedersachsen und Bayern folgen in diesem Jahr, weitere bevölkerungsstarke Länder in den kommenden Jahren. Es ist eindeutig, dass die Nachfrage weiter steigen wird. Es kann deshalb nicht nur darum gehen, den Status quo zu halten oder aber auf eine Entwicklung in Oldenburg zu hoffen, die frühestens in einigen Jahren für minimale Entlastung sorgen kann und deren Finanzierung völlig ungesichert ist. Ziel muss es sein, unverzüglich sowohl im vorklinischen Bereich als auch im klinischen Bereich die Kapazitäten aufzustocken. Die Landesregierung muss daher bei den festgefahrenen Verhandlungen im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche die Initiative ergreifen und seine Widerstandshaltung aufgeben. Wir dürfen nicht darauf warten, dass wieder einmal die anderen Bundesländer das Studium der niedersächsischen Schulabgängerinnen und Schulabgänger finanzieren und wir - das ist Fakt - das Auswanderungsland Nummer eins bleiben, was die Studienanfänger insgesamt angeht. Daher stimmt die Richtung des SPD-Antrags. Das unterstützen wir natürlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD fordert mehr Studienplätze im Fach Medizin. Einer der Gründe dafür ist der Ärztemangel. Wir sehen das ganz anders. In Deutschland gibt es in
Wir haben also eine ausreichende Zahl an Ärzten. Allerdings haben wir ein Problem bei der Verteilung. Etwa 40 % der Medizinabsolventen sagen, dass sie sich niederlassen wollen. Aber nur die Hälfte derjenigen, die sich niederlassen, geht aufs Land. Die andere Hälfte geht auf jeden Fall in die Stadt, weil dort die Bedingungen als insgesamt angenehmer und besser empfunden werden. Wir haben damit ein Problem, das darin besteht, dass es jetzt und auch in Zukunft einen Landärzte- und Hausärztemangel geben wird.
Meine Damen und Herren, es gibt in diesem Jahr zwei ganz große Veränderungen, die Niedersachsen betreffen. Wir erwarten mehr Studienanfänger zum einen durch den doppelten Abiturjahrgang, zum anderen auch durch die Aussetzung der Wehrpflicht. Das sind sehr große Herausforderungen, denen wir uns stellen werden und die Niedersachsen meines Erachtens auch erfolgreich meistern wird.
In den Medien hört man in der jüngsten Zeit, dass Schüler, die die Sorge haben, keinen Studienplatz zu bekommen, freiwillig eine Ehrenrunde drehen. Ich denke, diese vorsorgliche Ehrenrunde, nämlich ein Jahr mehr Schule, ist nicht zielführend. Ich möchte den Schülerinnen und Schülern die Angst nehmen, keinen Studienplatz zu bekommen. Niedersachsen hat bereits 11 000 zusätzliche Studienplätze geschaffen. Den Medien war kürzlich zu entnehmen, dass weitere 6 000 Studienplätze zur Verfügung stehen. Das ist eine große Leistung. Ich danke der Landesregierung, dass sie das mit diesem Vorlauf schon so gut geschafft hat.
Meine Damen und Herren, zu den Gründen, aus denen keine zusätzlichen Studienplätze für die medizinischen Fächer eingerichtet werden, Folgendes: Zum einen sind es die finanziellen Möglichkeiten Niedersachsens. Ein Medizinstudium kostet das Land etwa 250 000 Euro. Das ist schwierig zu schultern.
Zum anderen: Sie fordern in Ihrem Antrag aber auch die Teilnahme Niedersachsens an einem Sonderprogramm zum Kapazitätsausbau für den
Interimszeitraum 2011 bis 2016. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass es derzeit nur die Absicht gibt, über ein Sonderprogramm zu sprechen. Immer mehr Länder klinken sich aus. Warum? - Der limitierende Faktor ist der Patient. Ohne Patienten ist keine klinische Ausbildung möglich. Jeder wird verstehen, dass diese unabdingbar ist; denn hier geht es nicht allein um Wissenserwerb. Bei der klinischen Ausbildung geht es auch patientenseitig um Würde, Verständnis und Rücksichtnahme. Die Anerkennung als Lehrkrankenhaus ist weiß Gott nicht trivial - es müssen hohe, anspruchsvolle Kriterien erfüllt werden. Wer jetzt aber glauben lassen möchte, dass mehr Medizinstudienplätze eine bessere Versorgung der Bevölkerung auf dem Land bedeutet, der irrt. Ein Grund ist, dass nur etwa sechs von zehn fertigen Medizinern im Arztberuf arbeiten.
Was macht den Wechsel zu Versicherungen, Kammern und anderen Institutionen innerhalb Deutschlands so attraktiv?
Danke schön. - Und warum wandern so viele Ärzte jedes Jahr aus? - Das sind meines Erachtens die Fragen, denen wir uns künftig stellen müssen. Deswegen bitte ich Sie: Lehnen Sie den Antrag der SPD ab!
Herzlichen Dank, Frau von Below-Neufeldt. - Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Kollegin Hartmann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach zwei sehr ausführlichen Diskussionen im Wissenschaftsausschuss kann ich feststellen: Die Debatte im Wissenschaftsausschuss war von hoher Sachlichkeit und ausführlichen Vorträgen des Wissenschaftsministeriums geprägt, dessen Vertreter sehr ausführlich erläutert haben, warum dem Antrag in dieser Form nicht Folge geleistet werden kann.
Vorangestellt kann ich feststellen, dass die medizinische Ausbildung in Niedersachsen an der Medizinischen Hochschule in Hannover, aber natürlich auch an der Universitätsmedizin Göttingen eine hohe Reputation auch außerhalb von Niedersachsen genießt. Darauf können wir angesichts der Debatte, die wir heute führen, stolz sein.
Wir haben in den Beratungen im Wissenschaftsausschuss sehr ausführlich dargelegt bekommen, warum dieser Antrag am heutigen Tag im Grunde genommen hätte zurückgezogen werden müssen.
Erstens fordern Sie, dass wir uns als Land Niedersachsen am Sonderprogramm des Bundes und der Länder beteiligen sollen. - Einen solchen Beschluss aber können wir hier heute schlichtweg nicht fassen, weil es kein Sonderprogramm gibt.
Zweitens haben Sie eine Erhöhung der Anzahl der Studienplätze zum Wintersemester 2011/2012 gefordert. - Wir haben im Wissenschaftsausschuss sehr ausführlich dargelegt bekommen, dass dies nicht möglich ist, zumindest nicht verantwortbar möglich ist, wenn wir unsere Ansprüche an die Qualität des Studiums aufrechterhalten wollen und wenn wir gegenüber den Studentinnen und Studenten, die letztendlich nach der Approbationsverordnung einen Anspruch darauf haben, eine gewisse Qualität an Lehre dargeboten zu bekommen, und die irgendwann auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden wollen, Verantwortung wahrnehmen wollen.
Entgegen den Ausführungen in der heutigen Debatte wurde klar dargelegt, dass insbesondere die Universitätsmedizin in Göttingen keine Möglichkeit sieht, die Anfängerzahlen bei den Studenten zu erhöhen, zumindest nicht unter den gegebenen Gesichtspunkten; denn die Lehrkrankenhäuser können zwar eine Ergänzung in der Lehre und in der praktischen Ausbildung sein, aber niemals ein Ersatz.
Deshalb haben mich Ihre Ausführungen sehr verwundert; denn sie erwecken den Eindruck, als habe die Debatte im Wissenschaftsausschuss gar nicht stattgefunden. Es finden zwar Verhandlungen statt, beispielsweise in Bremen oder mit Kassel, aber es ist, wie gesagt, nicht möglich, die Studierendenzahlen bereits zum nächsten Wintersemester zu erhöhen.
Frau Kollegin von Below-Neufeldt hat dargelegt, dass der Hausarztmangel ganz unterschiedliche Gründe hat. Zur regionalen Verteilung ist etwas
gesagt. Ich möchte hierzu nicht weiter ausführen. Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle aber darstellen. Der Hausarztmangel hat natürlich auch etwas damit zu tun, wie sich die berufliche Realität für junge Ärztinnen und Ärzte darstellt. Der ländliche Raum als Arbeitsplatz ist natürlich nicht nur wegen seiner Struktur für die persönliche Lebensplanung vielfach nicht so attraktiv, sondern natürlich auch, weil die Arbeitsbelastung für die Mediziner im ländlichen Raum enorm ist. Wir haben dieses Phänomen insbesondere am Beispiel unserer Nordseeinseln vielfach gespürt, weil es fast nicht möglich war, für eine Tätigkeit dort Ersatzärzte zu finden.
Bei der Medizinerausbildung gilt für uns, dass Qualität und Quantität nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, sondern dass wir darauf zu achten haben, dass die Qualität gewährleistet ist. Der Dekan und Vorstand für Forschung und Lehre im Bereich Humanmedizin an der Uni Göttingen, Herr Professor Dr. Frömmel, hat dargelegt, dass der kurzfristige Ausbau der Studienanfängerzahlen zum nächsten Wintersemester nicht möglich ist. Das liegt auch daran, dass es in Göttingen eine Spezialsituation gibt, die sich darin äußert, dass in der Vorklinik mehr Kapazitäten als in der Klinik vorhanden sind. Wie wir im Ausschuss ebenfalls gehört haben, gab es hierzu Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entsprechend entschieden.
Frau Kollegin Andretta, die Absolventen der UMG haben zunehmend Probleme, nach dem Physikum Anschlussstudienplätze zu finden. Wir haben Verantwortung gegenüber den Studierenden zu tragen, und deswegen können wir Ihrem Antrag heute nicht folgen.
Der limitierende Faktor bei der Schaffung von Studienplätzen im Bereich Medizin ist und bleibt natürlich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Patienten. Das können wir nicht ignorieren. Das ist einfach ein Stück Realität. So wünschenswert es sein mag, dass wir bereits im Wintersemester 2011/2012 mehr Studienplätze realisieren können - es ist ja nicht so, dass wir uns das nicht wünschen würden -, aber praktisch ist das einfach nicht umsetzbar. Zur Wahrheit gehört an diesem Tage und in dieser Debatte auch, dass wir dies gemeinsam feststellen.