Protocol of the Session on November 11, 2010

Vor Ort sind die Bildungs- und sozialen Leistungen ganz unterschiedlich ausgestaltet. Die Kommunen steuern diese Angebote bereits jetzt. Sie können sie demzufolge am besten mit dem Teilhabe- und Bildungspaket verzahnen.

Das bedeutet allerdings auch, die kreis- bzw. regionsangehörigen Gemeinden zu beteiligen. Sie hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung bisher nicht erfasst. Wir müssen noch einen Weg finden, dass nach dem Landesrecht diese kreisangehörigen Städte und Gemeinden beteiligt werden können - etwa durch Antragszuständigkeiten, durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Kreisebene. Dafür bitten wir die Landesregierung um Unterstützung.

Wir müssen den Kommunen auch die Übernahme des Bildungspaketes schmackhaft machen, bürokratischen Aufwand minimieren, den Bundesrechnungshof heraushalten und die Möglichkeit nutzen, die Bundesmittel pauschal weiterzugeben.

Zum Schluss noch einen Satz zur Fluktuation aus dem SGB II heraus: Nach den uns vorliegenden Zahlen finden die meisten Bezieher von Leistungen nach dem SGB II relativ schnell aus Hartz IV heraus, nämlich in Niedersachsen 55 % aller Leistungsbezieher in bis zu zwölf Monaten und weitere 15 % in bis zu zwei Jahren. Diese Werte wollen wir verbessern. Jetzt sind das etwa 200 000 Menschen pro Jahr. Diese Zahl wollen wir deutlich steigern. Insofern bieten wir der Opposition auch eine Zusammenarbeit an.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention auf Dr. Matthiesen erteile ich von der Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Flauger für 1:30 Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Redebeitrag nicht zur Sprache gekommen

ist das gestern hier schon einmal behandelte Thema Fachkräftemangel. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ungefähr 2 Milliarden Euro aus dem Qualifizierungstopf entfernt werden, wovon der größte Teil dafür gedacht war, Leistungsbeziehende zu qualifizieren. Sie könnten sicherlich einen Teil dieser nicht besetzten Fachkräftepositionen besetzen. Daran möchten Sie aber nicht arbeiten. Sie möchten lieber, dass es einen schönen großen Pool an Leuten gibt, damit Sie niemals in die Verlegenheit kommen, dass Firmen um Arbeitnehmer werben müssten - statt wie bisher umgekehrt.

(Beifall bei der LINKEN - Heidemarie Mundlos [CDU]: Blödsinnige Unter- stellungen!)

Jetzt komme ich zu einem zweiten Thema. Hier klang eben wieder das an, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist: Wer arbeitet, der muss auch mehr haben als jemand, der nicht arbeitet. - Das stellt niemand infrage; auch nicht jemand, der jetzt nicht arbeitet. Das kann man nicht ernsthaft tun.

Was Sie aber tun, ist ziemlich pervers. Sie tun nämlich nichts.

(Zuruf von der CDU: Wie bitte?)

Sie verweisen auf die Tarifautonomie und lassen sich die Gewerkschaften daran abkämpfen, dass Löhne von 5,50 Euro auf 6 Euro pro Stunde erhöht werden.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist deren originäre Aufgabe!)

Dann sagen Sie, dass diejenigen, die nicht arbeiten, noch weniger haben müssen als diese armen Menschen, die manchmal nicht einmal 5,50 Euro in der Stunde bekommen. Was Sie da machen, ist unanständig.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wenn Sie sich in dieser Art und Weise auf ein Lohnabstandsgebot berufen, ist das wirklich ein Skandal. Das sollten Sie lassen.

Sie dürfen sich auch nicht wundern, dass Länder wie Frankreich in der Europäischen Union Deutschland inzwischen auffordern, für vernünftige Löhne zu sorgen; denn Sie praktizieren mit den Niedriglöhnen in Deutschland einen unlauteren Wettbewerb. Sie wollen, dass die Armen in

Deutschland gegen die Ärmsten ausgespielt werden - - -

(Beifall bei der LINKEN - Die Präsi- dentin schaltet der Rednerin das Mik- rofon ab)

Ihre Redezeit ist zu Ende, Frau Kollegin Flauger. - Herr Dr. Matthiesen möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten.

(Björn Thümler [CDU]: Es ist auch notwendig, auf so etwas zu antwor- ten!)

Liebe Kollegin Flauger, die Einsparungen im Bundeshaushalt gehören dorthin. Die Bundesregierung trifft die Maßnahmen mit Augenmaß. Es ist ja nicht so, dass die Bundesagentur, die Jobcenter und die Optionskommunen handlungsunfähig werden. Sie bleiben voll handlungsfähig und haben auch die erforderlichen Mittel. Es geht darum, diese Mittel im Wege von Ermessensleistungen zielgenau einzusetzen. Das ist überhaupt nicht zu beanstanden.

Wichtig ist vor allem, dass die Jobcenter, die Optionskommunen und die Bundesagentur noch leistungsfähiger werden. Dazu haben wir einige Diskussionen auch hier im Landtag gehabt. Das ist ein großes Vorhaben, das wir noch angehen müssen. Aber es kommt nicht auf einzelne Haushaltspositionen an. Wir alle wissen, dass wir einen gewaltigen Schuldenberg aufgetürmt haben, auf allen Ebenen. Damit haben wir auch die Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich bewältigt. Jetzt ist es Zeit, wieder Mittel in den öffentlichen Haushalten zu sparen. Das wird auch möglich sein, weil die Wirtschaft wieder brummt. - Das ist der erste Punkt.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das Problem ist, dass die Falschen bezah- len!)

Der zweite Punkt ist: Was Sie zum Lohnabstand erzählen, trifft einfach nicht zu.

(Björn Thümler [CDU]: So ist es!)

Ich habe gerade die Beispiele angeführt, die zeigen, dass dem Bedarf Rechnung getragen wird. Wenn Sie einen Lohnabstand zwischen normalen sozialversicherungspflichtigen Einkommen und dem Bedarf, den ich gerade ausgerechnet habe, machen würden, dann kämen Sie überhaupt nicht

zurecht. Es ist doch klar, dass das Bedarfsprinzip gilt. Der Lohnabstand wird im Verhältnis zu den sozialversicherungspflichtigen Einkommen - dazu gibt es tausend Berechnungen - auch eingehalten. Damit kommen Sie nicht weiter.

Dass geringfügige Beschäftigung, sehr niedrige Löhne und auch Lohndumping zum Teil um sich greifen, ist leider eine Folge davon, dass Gewerkschaften und auch Arbeitgeberverbände nicht stark genug sind und Tarifflucht stattfindet - - -

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Dann stärken Sie doch die Gewerkschaften! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Mindestlohn! - Die Präsiden- tin schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Herr Dr. Matthiesen, auch Ihre anderthalb Minuten sind vorbei. Ich habe auch Ihnen das Mikrofon abgestellt.

Nun hat sich von der Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Sohn zur Geschäftsordnung gemeldet. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weil beide Sachen zusammengehören und wir zusammen darüber abstimmen wollen, beantrage ich sofortige Abstimmung auch über unseren Antrag.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Davon war ich schon ausgegangen!)

Herzlichen Dank. Das war zum Verfahren, jetzt geht es weiter um den Inhalt. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Watermann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wie oft wir in diesem Landtag die Sozialgesetzgebung schon diskutiert haben. Wir haben uns darüber auseinandergesetzt, ob Hartz IV damals richtig oder falsch gewesen ist. Dann haben wir uns auf ein System geeinigt, wie es organisiert wird. Wir haben viele Schlachten geschlagen. Ich stelle heute mit Genugtuung fest: Wir sind im System angekommen.

Herr Kollege Humke-Focks, Sie haben eine Kritik geäußert, die ich in vielen Punkten teile. Wir diskutieren in diesem Landtag nicht mehr die Plattitü

den, die da heißen „Hartz IV muss weg!“, sondern wir diskutieren - nachdem wir eine gute Lösung gefunden haben, indem wir Optionskommunen und Jobcenter zugelassen haben - darüber, wie wir uns zu der Frage der Ausgestaltung verhalten und was es eigentlich bedeutet, menschenwürdig davon zu leben. Darüber können wir wirklich trefflich streiten.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dem, wie wir es gemacht haben, eine gute Lösung für die Frage gefunden haben, welche Modelle wir nach vorn bringen. Aber ich bin schwer enttäuscht davon, wie mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil umgegangen wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind auch weg davon, uns gegenseitig zu unterstellen, dafür verantwortlich zu sein, dass das damals so beurteilt worden ist. Wir sind in der Wirklichkeit angekommen. Wir wissen, dass die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld notwendig und richtig war. In der Umsetzung ist es zu Fehlern gekommen. Zu diesen Fehlern kann man stehen. Ein Fehler ist repariert worden. Der andere Fehler ist aus meiner Sicht noch nicht repariert worden. Da aber der Bundesrat zustimmen muss, muss man jetzt formulieren, worum es eigentlich geht.

Mir gefällt es nicht, wenn man diese Spiele mit Gehältern treibt. Das ist die falsche Herangehensweise.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Das sind doch keine Spiele!)

Wir geben in der Sozialgesetzgebung Geld nicht als Ersatz für Arbeit, sondern wir lindern und geben einen Mindeststandard in der Not. Wir als Sozialdemokraten gehen fest davon aus, dass gute Arbeit mit gutem Lohn die Voraussetzung in dieser Gesellschaft sein muss. Deshalb lehnen wir auch Dinge wie ein bedingungsloses Grundeinkommen ab.

(Zustimmung von Dr. Max Matthiesen [CDU] - Roland Riese [FDP]: Aha!)

Gute Arbeit und gute Bezahlung sind die Grundlage, für die wir eintreten müssen. Ich denke, wir müssen deutlicher sagen, dass anständige Löhne die Voraussetzung für eine gute gesellschaftliche Entwicklung sind.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht auch um Menschenwürde und darum, dass die Berechnungen der Regelsätze für Kinder aus meiner Sicht eine weitere Verbesserung erfahren müssen. Das wollen auch die Sozialdemokraten. Wir treten dafür ein, die eigene Grundsicherung für Kinder ernsthaft voranzutreiben. Das bedeutet für uns auch, das für Kinder geldliche Leistungen zu zahlen sind und dass es keine Diskriminierung geben darf. Ein Kernpunkt der damaligen Zusammenlegung war ja die Erkenntnis, dass in der klassischen Sozialhilfe die Leute viel zu lange entmündigt wurden. Wir haben uns dann gewundert, dass hinterher der Umgang mit Geldmitteln schwergefallen ist. Deshalb lehnen wir Sachleistungen ab.

Wir sind bei Ihnen, wenn wir dafür kämpfen, Bildungspakete zu schnüren, die bei allen ankommen, also z. B. auch bei den Wohnhilfeempfängern, die im Moment außen vor stehen. Diese Bildungspakete dürfen nicht an Diskriminierungen gekoppelt sein. Bildung muss so organisiert werden, dass der Zugang für alle möglich ist. Wir müssen dort viel mehr drauflegen. Eine Kernforderung der Sozialdemokraten ist deshalb: Bei der Schulsozialarbeit und beim Bildungspaket muss mehr ankommen.