Protocol of the Session on June 9, 2010

mer Antrag erarbeitet werden konnte. Zum einen der gesetzliche Anspruch auf ein Bewertungs- und Anerkennungsverfahren auf Bundesebene - ich zitiere aus Nr. 2 des Änderungsantrags -: „Fehlen dem Anerkennungssuchenden Ausbildungsbestandteile, so hat er einen Anspruch auf ‚Teilanerkennung’ bzw. eine Anpassungsqualifizierung, die nach erfolgreicher Teilnahme zur endgültigen Anerkennung führt.“ Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn so können viele trotz der Nichtanerkennung ihres Abschlusses durch eine Nachqualifizierung oder Anpassungsqualifizierung doch noch eine endgültige Anerkennung erhalten. Das war auch eine explizite Forderung der Integrationskommission.

Der zweite Punkt aus unserem Änderungsantrag, den Sie noch mit aufgenommen haben - Nr. 5 -, betrifft auch diesen Bereich. Die Landesregierung wird gebeten, Maßnahmen zur Anpassung und Nachqualifizierung quantitativ auszubauen. Zum Teil sind in diesem Bereich die Länder zuständig. Entsprechende Maßnahmen müssen dann auch vorgehalten werden.

Unserer Fraktion war auch die Nr. 6 des Änderungsantrags sehr wichtig, nämlich die Verstärkung von Maßnahmen zur Sprachförderung, von fachspezifischen Sprachangeboten, sodass es möglich ist, die Fähigkeiten in der deutschen Sprache z. B. mit Blick auf bestimmtes biochemisches Vokabular zu verbessern und diesen Punkt im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuch einzuführen.

Diese drei wichtigen Punkte haben Sie letztendlich mit aufgenommen, Herr Wiese. Recht herzlichen Dank auch noch einmal von meiner Seite für die gute Zusammenarbeit! Frau Lesemann hat es gesagt: Es ist sehr selten, dass wir einen gemeinsamen fraktionsübergreifenden Antrag auf den Weg bringen, gerade im Integrationsbereich. Von daher auch von meiner Seite noch einmal vielen Dank!

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem gelobten Herrn Kollegen Wiese das Wort.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Er freut sich schon! - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Du brauchst aber nicht rot zu werden!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man als Mann von zwei Frauen gelobt wird, dann kann man dieses Lob schon aus Höflichkeit nur doppelt und dreifach zurückgeben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich mache das aber ausdrücklich nicht nur aus Höflichkeit.

Dieser Entschließungsantrag wird vielleicht nicht auf den Seiten 1, 3 und 5 der überregionalen Medien thematisiert werden, weil er zugegebenermaßen etwas länger in der Beratung war als manch anderer Antrag. Am Ende ist dieser Antrag, der in allen vier Fraktionen eine Kompromissbereitschaft erfordert hat, aber für die Positionierung des Landes Niedersachsen und dieses Landtages zu diesem wichtigen Thema von großer Bedeutung. Insofern ist nicht nur entscheidend, worüber am meisten geredet wird, sondern womit wir am meisten bewegen. Ich glaube, unter dem Strich haben wir hier etwas Gutes zustande gebracht.

Bildungs- und Berufsabschlüsse sind in unserer Gesellschaft ganz wesentlich. Sie dokumentieren die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und geben gleichzeitig Sicherheit im Umgang und schaffen Vertrauensverhältnisse - in der Wirtschaft, im persönlichen Miteinander, bei Kunden, Nachfragern, Verbrauchern, Patienten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Natürlich unterscheiden sich viele deutsche Berufs- und Bildungsabschlüsse von denen in anderen Ländern. Es ist darauf hingewiesen worden, dass es in verschiedenen Bereichen durchaus ein engeres Zusammenwirken gibt, dass es auch Fortschritte bei der Anerkennung gab. Aber wir sind leider - das muss man konstatieren - in den letzten Jahrzehnten noch nicht so weit gekommen und haben das eine oder andere Potenzial durchaus verschenkt. Dieser Antrag ist der, wie ich denke, gelungene Versuch, den Blickwinkel weg von Defiziten und Hürden und hin zu Möglichkeiten und Chancen zu richten.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Diskussion geht auf einen Antrag der SPD-Fraktion zurück. Zu diesem Antrag haben wir eine Anhörung durchgeführt. Er ist dann durch einen Änderungsantrag von CDU und FDP untermauert worden. Wir haben einige

inhaltliche Korrekturen vorgenommen, die aus unserer Sicht sinnvoll waren. Insbesondere haben wir dort die zwischenzeitlichen Entwicklungen berücksichtigt.

Wir als Niedersächsischer Landtag sind auch nicht die Einzigen, die an dem Thema arbeiten. Ich will an dieser Stelle sagen: So bedauerlich es ist, dass es in den letzten Jahrzehnten möglicherweise nicht in allen Bereichen die gewünschte Bewegung gab, so ist in die gesamte Frage jetzt sehr viel Bewegung gekommen. Unsere Landesregierung und verschiedenen Landtagsfraktionen haben sich um diese Themen gekümmert.

Inzwischen liegt auch ein Eckpunktepapier der Bundesregierung zu diesem Thema mit ganz wesentlichen Forderungen vor. Genau darauf baut unser gemeinsamer Entschließungsantrag auf. Deswegen hatten wir als CDU und FDP auch keine Schwierigkeiten, auf die Wünsche aus den Reihen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einzugehen. Denn in dem Eckpunktepapier der Bundesregierung waren diese Punkte im Wesentlichen enthalten. Es ist richtig und vernünftig, dass wir diese Punkte von den anderen beiden Fraktionen übernommen haben und ausdrücklich benennen. Denn es ist für die Sache manchmal hilfreich, Dinge nicht nur indirekt anzusprechen, sondern sie ausdrücklich zu benennen, wenn wir sie unterstreichen wollen. Das haben wir bei dem gesetzlichen Anspruch,

(Zustimmung bei der CDU)

den detaillierten Beschlüssen, die ich schon angesprochen habe, und der fachspezifischen Sprachförderung getan.

Ich will auch darauf hinweisen, dass es bereits gelungene Initiativen gibt. Ich nenne beispielhaft den Leitfaden der Landesregierung, der noch im Innenministerium verantwortet wurde, mit dem die Informationen über das zugegebenermaßen nicht ganz einfache System zusammengefasst worden sind, damit den Betroffenen Hilfestellung und wertvolle Orientierung gegeben werden.

Diese gemeinsam getragene Beschlussempfehlung ist natürlich kein Persilschein. Wir möchten, dass sich Menschen, die einen Bildungs- oder Berufsabschluss im Ausland erlangt haben, angenommen fühlen. Die Betonung, dass das kein Freifahrtschein ist, ist deshalb so wichtig, weil es auch im Interesse der einzelnen Betroffenen liegt, dass sie keinen geschönten oder korrigierten, sondern einen realistischen Überblick über ihre Kompeten

zen und gegebenenfalls auch Defizite erhalten. Die gemeinsame Aufgabe von den verschiedensten Institutionen ist es, dann an diesen gegebenenfalls vorhandenen Defiziten zu arbeiten. Denn wir wollen die hohe Qualität unseres Handwerks und unserer akademischen Berufe sowie der anderen Bereiche erhalten. Und wenn wir sie erhalten wollen, dann müssen wir diejenigen, die zu uns kommen wollen und eine gute Grundlage - aber möglicherweise nicht alles - mitbringen, auf einem spezifischen Weg so führen, dass sie in unserer Gesellschaft ankommen können. Das ist insoweit eine klare Ansage und ein Aufzeigen von konkreten Wegen. Ich halte das in diesem Fall für sehr wichtig.

Noch einmal herzlichen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit! Damit geben wir ein gemeinsames Signal bei einem Thema, das sich für parteipolitischen Streit nicht unbedingt eignet. Es hat dann besonders gute Chancen, laut und nachhaltig zu wirken, wenn es von weiten Teilen des Hauses ausgeht. Das wird mit der Annahme dieser Entschließung gewährleistet.

Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit und für die Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf eine große Mehrheit bei der Abstimmung.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Oetjen von der FDP-Fraktion das Wort.

Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Initiativen auf verschiedenen Ebenen zur Frage der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse wurden bereits angesprochen. Das Eckpunktepapier, das im Bund auf den Weg gebracht wurde, datiert aus dem Dezember 2009, damit also ein bisschen später als der Beginn der Debatte, die wir hier auf Basis des Antrags der SPD-Fraktion aus dem August 2009 geführt haben. Es ist also viel in Bewegung. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

Ich möchte aber auch sagen, dass die Probleme noch nicht gelöst sind, nur weil ein solcher Beschluss gefasst wird und die Bundesregierung ein Eckpunktepapier auf den Weg gebracht hat, sondern wir haben hier durchaus noch Arbeitsbedarf. Deswegen findet man unter Punkt 7 der Entschlie

ßung - damit möchte ich einmal einen anderen Punkt herausgreifen als die anderen Kollegen - die Aufforderung an die Landesregierung, einen gemeinsamen Pool zur Vergleichbarkeit von internationalen Schul-, Hochschul- und Berufsabschlüssen zu erstellen. Das ist eine Basis dafür, dass dann tatsächlich anhand von fundierten Kriterien über solche Anerkennungsverfahren entschieden werden kann.

Wichtig ist aber zunächst der gesetzliche Anspruch. Darüber haben wir diskutiert, und diesen Anspruch haben wir aufgenommen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, damit jeder, der zu uns kommt und sich hier einbringen will, seinen Berufs- oder Studienabschluss auch anerkennen lassen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch ich möchte mich bei der Kollegin Lesemann, bei der Kollegin Polat und natürlich auch beim Kollegen Wiese ganz herzlich bedanken. Ich möchte meine Ausführungen schließen mit dem Verweis auf die Enquetekommission „Demografischer Wandel“, die wir in der letzten Legislaturperiode hatten. Schon in dieser Enquetekommission haben André Wiese und ich über die Frage der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse vor dem Hintergrund diskutiert, dass wir in Zeiten mit weniger Menschen eigentlich das Wissen und die Teilhabe aller Menschen brauchen, um unseren Wirtschaftsstandort zu sichern und unseren Wohlstand zu gewährleisten. Von daher ist der heutige Beschluss auch aus wirtschaftspolitischer Sicht ein richtiger Schritt. Ich sage aber auch ganz deutlich, dass es eben nicht nur um eine wirtschaftspolitische Frage geht, sondern dass die Möglichkeit, arbeiten und an unserer Gesellschaft teilhaben zu können, auch aus integrationspolitischer Sicht für die Ausländerinnen und Ausländer ganz besonders wichtig ist. Es sind also zwei Seiten derselben Medaille. Von daher freue ich mich darüber, dass wir hier mit den Stimmen von CDU, FDP, SPD und Grünen einen guten Beschluss fassen werden.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

So viel gegenseitiger Dank der Fraktionen untereinander überrascht selbst das Präsidium. - Ich darf jetzt der Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen.

Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Integration in die Gesellschaft - das sollte Konsens sein - verläuft zuallererst über die Integration in den Arbeitsmarkt. Die oftmals komplizierte und langwierige Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse verhindert jedoch in vielen Fällen leider, dass es überhaupt zu einer gelungenen Integration kommen kann. Selbst Migrantinnen und Migranten mit hoher Qualifikation bleibt in diesem Lande aufgrund fehlender Anerkennung manchmal nichts weiter übrig als die Aufnahme einer Arbeit im Niedriglohnsektor und in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Hierin spiegelt sich nicht allein eine Entwertung der jeweiligen Fähigkeiten wider, es bedeutet zugleich die drohende Gefahr des sozialen Abstiegs.

Aber es geht nicht allein um die Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es geht vor allem auch um die auf uns zukommende Herausforderung, Lösungsansätze für den bestehenden Fachkräftemangel sowie die zunehmend alternde Gesellschaft zu finden. Warum sollte ein indischer Arzt den Weg nach Deutschland antreten, wenn er hier höchstens als Krankenpfleger arbeiten darf? Warum sollte ein ukrainischer Ingenieur nach Deutschland kommen, wenn seine beruflichen Perspektiven im Beförderungsgeschäft bzw. im Einsatz als Taxifahrer liegen? - Mit diesem fahrlässigen Umgang mit dringend benötigten Bildungs- und Qualifikationsressourcen verbauen wir uns auch unsere Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir auch einmal auf die Situation an den Schulen! Händeringend versuchen wir Bildungspolitiker seit Langem, Menschen mit Migrationshintergrund ins Lehramt zu bringen. Die Landesregierung könnte hier im Grunde schon ohne Rückendeckung des Bundes handeln. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Ich verzichte darauf; denn vieles ist ja schon gesagt worden.

Ich will aber noch einmal auf das Prozedere eingehen, weil hier ja viel gelobt wurde und es um einen gemeinsamen Antrag geht. Dazu werde ich an dieser Stelle natürlich nicht schweigen, weil Menschen, die dieses Protokoll nachlesen oder hier zuhören, den Eindruck haben könnten, wir Linken seien nicht bereit gewesen, an diesem Antrag mitzuarbeiten. Das ist schlechthin nicht wahr. Ich habe anfangs in dieser Gruppe mitgearbeitet, aber gleich von Herrn Wiese mitgeteilt bekommen, das könne ich gerne tun, aber auf dem Antrag

würde die Fraktion DIE LINKE sowieso nicht stehen. Das hat damit zu tun - dies zu aller Information -, dass die CDU einen Beschluss gefasst hat, hier keinen Antrag zu beschließen, auf dem auch die Fraktion DIE LINKE steht. Das muss man hierzu einfach wissen.

(Ulf Thiele [CDU]: Wir haben be- schlossen, dass wir mit Ihnen keinen gemeinsamen Antrag einreichen!)

Schließlich wurde ich zu diesen Treffen gar nicht mehr eingeladen. Ich finde dieses Verhalten mehr als infantil.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will auch noch sagen, was am Ende bei den Beratungen herausgekommen ist. Herausgekommen ist eine Begründung von drei Seiten, wie man hier gut sehen kann.

(Die Rednerin hält die Beschlussemp- fehlung hoch)

Es steht gar nichts Falsches darin; ich will das gar nicht kritisieren. Dieser dreiseitige Text wird aber gar nicht mit beschlossen. Beschlossen wird lediglich diese vierte Seite, und auf der steht einmal „möglichst“, und dann wird die Landesregierung ständig gebeten. Ich glaube, die Landesregierung wird sechs- oder siebenmal gebeten, richtige Dinge zu tun, aber sie muss sie gar nicht tun, weil es eine Bitte ist. Das ist kein Forderungs- und Aufgabenkatalog, sondern es ist eine Bitte, meine Damen und Herren. Von daher kann alles auch - das ist mein letzter Satz - zur leeren Worthülse werden. Es steht nichts Falsches in der Entschließung. Aber sie ist auch nicht wirklich zukunftsweisend.

(Zuruf von der FDP: Ein dummes Zeug! - Professor Dr. Dr. Roland Ziel- ke [FDP]: Eine Frage des Stils ist das!)

Deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)