Protocol of the Session on June 9, 2010

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile Frau Ministerin Özkan das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte eingangs schon heu

te Morgen gesagt: Der Schlüssel für den Erfolg von Integration ist in der Tat die Integration in Bildung und Arbeit. Dazu gehört die Anerkennung von im Herkunftsland erworbenen Berufs- und Bildungsabschlüssen, was hierbei von herausragender Bedeutung ist. Dieses Ziel schreiben wir uns mit dem heutigen Beschluss auf die Fahnen.

Ich denke, das ist ein bedeutsamer Schritt. Wir haben bundesweit rund 500 000 Migrantinnen und Migranten, die eben nicht ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt werden, und damit verschenken wir hohes Potenzial. Das wollen wir ändern, und das werden wir in Niedersachsen jetzt vorantreiben.

Wir brauchen die Teilanerkennung, die durch Nachqualifizierung angepasst werden kann, und wir brauchen die berufssprachliche Qualifizierung. Ich bin Ihrer Meinung, dass wir uns verstärkt darum bemühen und ein einfaches, transparentes und nutzerfreundliches Verfahren entwickeln müssen. Wir brauchen eine zentrale Anlaufstelle, und wir brauchen ein zügiges Verfahren. Dafür hat das Eckpunktepapier des Bundes uns einen Zeitrahmen gesetzt, was ich sehr begrüße.

Die Anerkennung von Abschlüssen schafft Motivation, meine Damen und Herren. Ich bin froh darüber, dass der vorliegende Antrag im Ausschuss eine breite Mehrheit gefunden hat. Wir setzen damit Zeichen in verschiedene Richtungen.

Erstens. Den Arbeitgebern in Niedersachsen möchten wir signalisieren, dass wir uns wünschen, dass sie mehr qualifizierte Migrantinnen und Migranten einstellen, als das bisher in Unternehmen, Betrieben und Organisationen möglich war und ist. Zusammen mit der Wirtschaft können wir so nicht nur dem drohenden Fachkräftemangel wirksam entgegentreten, sondern eben auch Menschen ihrer Qualifikation entsprechend in die Arbeit integrieren.

Zweitens. Alle Menschen mit Migrationshintergrund, die in Niedersachsen leben, sollten schon jetzt prüfen, ob sie ihre im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse bei den zuständigen Stellen schon eingereicht oder anerkannt bekommen haben. Auch das schafft eine Motivation, wenn hier das entsprechende Signal ausgesandt wird. Damit können Migrantinnen und Migranten selbst einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass sie nicht mehr unterhalb ihrer Qualifizierung beschäftigt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Drittens. Die zuständigen Stellen im Anerkennungsbereich für Berufsabschlüsse - das sind ganz überwiegend unsere Kammern - bitten wir ebenso wie die zuständigen Stellen im Bildungsbereich, ihr Verfahren schon jetzt transparent und kundengerecht auszugestalten und mit der zentralen Anlaufstelle, die wir möglichst schaffen werden, zusammenzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, ich möchte den Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen Mut machen. Die jungen Menschen sollen sehen, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, fleißig und engagiert zu sein - das sind keine Worthülsen -; denn wenn wir es schaffen, die Eltern, die Erwachsenen ihrer Qualifikation entsprechend zu beschäftigen, dann können sie Vorbilder in ihren Familien sein und können noch viel mehr motivieren, als wir es mit Aufklärungsarbeit können.

(Beifall bei der CDU)

Viertens. Darüber haben wir auch gestern schon diskutiert. Wenn wir berufliche Qualifikationen akzeptieren, schaffen wir auch die Möglichkeit, ein Hochschulstudium aufzunehmen.

Ich würde mich daher freuen, wenn der Antrag heute mit breiter Landtagsmehrheit beschlossen würde. Danach sieht es aus. Danke dafür.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Insofern schließen wir die Aussprache.

Vor dem Hintergrund des gemeinsamen Änderungsantrages der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2542 halte ich Sie damit einverstanden, dass wir zunächst über diesen Änderungsantrag und nur im Falle von dessen Ablehnung anschließend über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abstimmen. Wir haben in der Aussprache vernommen, dass die vier antragstellenden Fraktionen eine breite Zustimmung signalisiert haben und die Fraktion DIE LINKE die Stimmenthaltung angekündigt hat. In den Beratungen hat es zweifellos breite Zustimmung gegeben, die dazu geführt hat, dass wir uns von der Beschlussempfehlung des Ausschusses lösen.

Aber zumindest wir hier im Präsidium haben den Eindruck, dass in der Formulierung des Änderungsantrages noch weitergehende Änderungen ihren Niederschlag gefunden haben; denn nach Lage der Dinge tritt die CDU-Fraktion ab sofort mit

einer Doppelspitze an: Hier steht „Für die Fraktion der CDU - David McAllister - Fraktionsvorsitzender“ und darunter steht: „Für die Fraktion der CDU - Wolfgang Jüttner - Fraktionsvorsitzender“. Bei der FDP ist es ebenso. Hier steht: „Für die Fraktion der FDP - Christian Dürr - Fraktionsvorsitzender“. Herr Dürr, Sie haben ab sofort einen Kollegen: „Für die Fraktion der FDP - Stefan Wenzel - Fraktionsvorsitzender“.

(Heiterkeit und Beifall)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung - mit allem Ernst.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenenthaltungen? - Damit ist dem Änderungsantrag gefolgt worden, und somit wurde der Antrag in der Fassung des Änderungsantrages angenommen. Zugleich - das will ich deutlich machen - ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses nach § 39 Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 21:

Zweite Beratung: Gerecht, leistungsfähig, krisenfest: Die Kranken- und Pflegeversicherung zur solidarischen Bürgerversicherung weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2406 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 16/2477

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir können in die Beratung eintreten, sofern eine Wortmeldung der antragstellenden Fraktion vorliegt.

(Heiner Bartling [SPD]: Das ist die zweite Beratung! Es kann anfangen, wer will!)

- Sicherlich! Das können wir so machen. Damit habe ich kein Problem.

Ich erteile der Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man soll nicht zweimal versuchen, mit dem Kopf durch die gleiche Wand zu gehen. Das hat leider wohl noch niemand dem Bundesgesundheitsminister gesagt; denn sonst hätte er darauf verzichtet, das gleich mehrmals wöchentlich zu versuchen und dann am Ende grandios zu scheitern.

Er wollte eigentlich die Arbeitskosten senken, schlug dann aber vor, den Arbeitgeberbeitrag zu erhöhen. Er wollte eigentlich einen Sozialausgleich aus Steuermitteln, dann sollte der aber innerhalb der Gruppe der Beitragszahler stattfinden. Er wollte eigentlich Bürokratie abbauen, schlug dann aber vor, dass die Kassen Bedürftigkeitsprüfungen für alle ihre Mitglieder machen sollten.

(Roland Riese [FDP]: Das müssen sie jetzt schon!)

Nun, das alles fand nicht einmal Gnade vor den Augen des eigenen Koalitionspartners. Der Vorgänger aus München schmetterte ein kräftiges Nein nach Berlin, und nun steht Herr Rösler und mit ihm die gesamte Koalition im kurzen Hemd da. Mitglieder der Koalition beschimpfen sich gegenseitig als Wildsäue bzw. Gurkentruppe - und Mutti schweigt dazu und greift nicht ein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Da- vid McAllister [CDU]: Bei den Grünen ist so etwas ganz unüblich!)

Deutlicher kann der desolate Zustand der Schwarz-Gelben in Berlin nicht mehr gezeigt werden. Nicht ohne Grund meldet Forsa heute nur noch 37 % Zustimmung für die Koalition. Das ist - - -

(Zurufe von der LINKEN)

Ich will das nicht weiter kommentieren. Es spricht für sich.

Meine Damen und Herren, das, was Herr Rösler nach den Gesprächen mit den Koalitionspartnern zwischenzeitlich vorgelegt hat, hat mit den eigenen Ansprüchen überhaupt nichts mehr zu tun. Das neue Konzeptchen ist im Grunde keines, sondern versucht, den alten Wein „Gesundheitsprämie“ im neuen Schlauch „Zusatzbeitrag“ zu verkaufen. Aber egal, wie man es nennt, es bleibt doch eine Kopfpauschale, die natürlich zu einer Belastung der Geringverdiener führt, weil der Minisozialausgleich die Mehrkosten der Pauschale nicht ausgleichen wird. Darüber hinaus weiß immer noch

niemand, wie das im nächsten Jahr erwartete Defizit von 11 Milliarden Euro ausgeglichen werden soll.

Klar ist nur: Den Löwenanteil von 7 Milliarden Euro sollen allein die Versicherten erbringen. Es kann nur einen Grund für diesen Quatsch geben: Rösler braucht die Kopfpauschale um jeden Preis, und zwar um seinen eigenen Kopf zu retten; denn er hat immerhin seinen Verbleib im Amt damit verbunden, dass es eine wie auch immer geartete Kopfpauschale geben wird. Das ist der wahre Grund für diese verzweifelte Flickschusterei.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das hat er nicht gesagt!)

- Er hat einmal gesagt: Dann will mich hier aber niemand mehr haben, wenn ich das nicht durchsetze. - Daran kann ich mich noch ziemlich genau erinnern.

Meine Damen und Herren, eigentlich finde ich es sogar ein bisschen ungerecht, was speziell die CSU mit Herrn Rösler macht. Der Arme tut doch nur das, was er soll und was Programm von CDU, CSU und FDP ist, nämlich die Entsolidarisierung des Krankenversicherungssystems. Das allerdings ist mit uns nicht zu machen!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollege Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erste Beratung des vorliegenden SPD-Antrages zur solidarischen Bürgerversicherung liegt gerade einmal sechs Wochen zurück. Es ist eigentlich bezeichnend, dass die Regierungsfraktionen diesen Antrag gar nicht richtig diskutieren wollten und er schon nach dieser kurzen Zeit hier zur Beschlussfassung vorgelegt werden muss. Ich kann Ihnen allerdings schon jetzt versprechen, dass die Linksfraktion - vermutlich wie auch die anderen Oppositionsfraktionen - Sie mit diesen Themen nicht in Ruhe lassen wird. Das ist ein Versprechen.

Die Probleme im Bereich der Gesundheitsversorgung sind zahlreich. Viele von diesen Problemen sind mehr als nur brisant. Ich nenne zum einen die

Lage in den Krankenhäusern, die zunehmend besorgniserregender wird. Ich nenne die ärztliche Versorgung in der Fläche, die zum Teil schon gefährdet und eingeschränkt ist. Ich nenne des Weiteren die Situation in der Pflege, die auf unterschiedliche Weise prekär geworden ist, gerade für „Normalsterbliche“. Ich nenne des Weiteren, dass ein großer Teil der selbstständigen Hebammen ab dem kommenden Monat nicht mehr von ihrer Arbeit leben kann. Außerdem türmen sich die Eingaben und Widersprüche bei den Krankenkassen aus unterschiedlichen Patientengruppen, die sich um die Finanzierung von wirksamen Medikamenten, Therapien und Eingriffen streiten müssen.