Protocol of the Session on June 9, 2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann noch etwas: Vattenfall hat nach den Ereignissen und nach dem Trafobrand eine Klage gegen die Atomaufsicht eingereicht. Die Atomaufsicht wollte, dass Vattenfall Tonbandaufzeichnungen - - -

Frau Staudte, letzter Satz, bitte!

Ja. - Die Atomaufsicht wollte, dass Vattenfall in der Leitstelle Tonbandaufzeichnungen durchführt. Der Betreiber klagt dagegen - gegen etwas, was in jedem Flugzeug gang und gäbe ist! In jedem Flugzeug gibt es eine Blackbox, sodass man nachvollziehen kann, wie die Abläufe waren. Ein solcher Betreiber ist nicht zuverlässig. Dem muss deshalb auf Dauer die Betriebsgenehmigung entzogen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Bäumer hat die Chance zu antworten. Bitte schön!

Frau Kollegin Staudte, ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal, weil dies anscheinend erforderlich ist. Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn der Betreiber unzuverlässig ist, dann gehört ihm die Betriebserlaubnis entzogen. Wenn er zuverlässig ist, darf er das Kernkraftwerk betreiben. Bis das festgestellt wird, besteht aber überhaupt kein Grund, hier im Landtag einen Beschluss zu fassen. Nicht wir stellen das fest, sondern das macht die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein.

Frau Staudte, auch wenn Sie immerzu den Kopf schütteln: Was das Thema Klagen und Aufzeichnungen angeht, möchte ich Ihnen empfehlen: Machen Sie sich einmal sachkundig! Der Stand, den Sie hier gerade wiedergegeben haben, ist gar nicht mehr aktuell.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Frau Bertholdes-Sandrock von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen fordern die Beteiligung des Niedersächsischen Landtages bei den Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung hoch radioaktiver Stoffe; denn schließlich - das hat auch Herr Herzog betont - habe die Menschheit noch nie eine technische Einrichtung für 35 000 Generationen errichten müssen.

(Präsident Hermann Dinkla übernimmt den Vorsitz)

Ich will Ihnen Folgendes sagen: Darum geht es primär auch gar nicht. Deshalb müssen wir auch nicht - so formulieren Sie wörtlich - „garantieren, dass eine technische Einrichtung eine Million Jahre überdauert“. Das wäre in der Tat vermessen. Sie versuchen ja auch immer, diejenigen, die sich verantwortungsvoll der Endlagerung widmen, in genau diese Ecke zu stellen.

Sichere Endlagerung ist nicht identisch mit der Sicherheit von Bauwerken. Die Sicherheit von Endlagerung muss daraus resultieren - das dürfte allgemein bekannt sein -, dass der Atommüll von der Biosphäre durch die geologischen Eigenschaf

ten des Wirtsgesteins abgeschirmt wird - beispielsweise durch Salz mit seiner isolierenden Wirkung - und nicht etwa durch ein Bauwerk, das so lange halten soll. Deshalb sind im Übrigen zumindest bei der Einlagerung in Salz die Eigenschaften des Wirtsgesteins auch deutlich wichtiger als die der Behältnisse, die ohnehin nicht so lange halten werden.

Deshalb treten wir eindeutig für eine Endlagerung in tiefen geologischen Formationen ein, natürlich ohne vorherige bergbauliche Nutzung - Lehre aus der Asse - sowie mit einem Minimum an Schächten und entsprechenden Verschlussverfahren - sofern man keine Rückholung will; denn Salz ist nicht das Wirtsgestein, das dies grundsätzlich nach sich ziehen würde.

Wenn Sie aber nun für eine Rückholung plädieren - sozusagen zur Risikovorsorge, wie Sie formulieren -, bauen Sie damit auch ein anderes Risiko auf. Das muss man ehrlicherweise dazusagen. Sie müssen nämlich den Betrieb dauerhaft offen halten, um das Eingelagerte zu überwachen. Das müssen künftige Generationen nach Ihnen noch sehr, sehr lange tun. Das heißt: Sie müssen genau abwägen, welche Risikoverlagerung oder gar Risikovergrößerung oder auch Risikominimierung damit verbunden ist. Dies ist gegenwärtig in der Diskussion noch zu leisten. Darüber ist noch gar nicht entschieden. Auch der gegenwärtige Bundesumweltminister wird sich dieser Frage stellen.

Herr Herzog, Sie kritisieren bei Gorleben veränderte Sicherheitsanforderungen als nachträgliche Anpassung, schließlich wollen Sie das Ganze unmöglich machen. Allerdings muss man seit 1983 die wissenschaftlichen Erkenntnisse einbauen. Zum Teil sind die Sicherheitsanforderungen höher, gerade wenn wir jetzt von einer Rückholbarkeit über 500 Jahre reden in Bezug auf die Behälter, die ja so lange halten müssen - das wissen wir aus der Asse -; sonst kann man ja nichts zurückholen. Natürlich gibt es auch dadurch Aktualisierungen, dass ab 2014/2015 der Schacht Konrad in Betrieb sein wird.

Meine Damen und Herren, ich erwarte bei dieser sensiblen Materie wesentlich mehr Sachlichkeit - nicht die plumpen moralischen Beschimpfungen, die wir eben gehört haben, und auch nicht die Clownerien mit irgendwelchen Gewalteinschüben, die im Moment in Gorleben ablaufen. Denn noch ist vieles im Stadium der Diskussion, der wir uns ganz entschieden zu stellen haben. Im Übrigen wird dieser Punkt auch bei der morgigen Sitzung

des Bund-Länder-Ausschusses Atomkernenergie von der Tagesordnung genommen, soweit ich weiß.

Ganz wichtig ist dabei, Herr Herzog - das müssen wir einmal genau sagen -: Mit der Einigung auf Sicherheitsanforderungen wird einer Eignungsaussage in keiner Weise vorgegriffen. Seien Sie also vorsichtig mit Ihrer Behauptung, dass mit den Sicherheitsstandards - die im Übrigen noch nicht verabschiedet sind - jetzt auch gleich die Sicherheit niedriger gesetzt werde. Im Gegenteil - ich habe es eben angedeutet -, mit der bloßen Rückholbarkeit und der mechanischen Integrität der Behälter - so nennt sich das - wird im Grunde ein höheres Sicherheitsniveau erwartet - übrigens höher als das, was Herr Gabriel formuliert hat; er hat nämlich von „Bergung“ gesprochen. Jetzt geht es darum, nicht nur zu bergen - was nämlich in der Asse gar nicht geht; das haben Sie ja über lange Zeit hinweg verbockt -,

(Zustimmung bei der CDU - Lachen bei den GRÜNEN)

sondern wenn Sie etwas zurückholen wollen, muss es in Behältern sein, die 500 Jahre halten. Das ist eine Sicherheitsanforderung, von der bisher noch niemand in dieser Intensität gesprochen hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Nein, ich möchte weiter ausführen. - Ähnliches gilt im Übrigen auch in Bezug auf die angeblich behälterlose Bohrlochlagerung. Meinen Sie denn, da wird einfach irgendetwas hineingeschüttet oder geplempert? - Das sind sehr wohl Edelstahlbehältnisse,

(Lachen bei der SPD)

die sich auch noch einer Sicherheitsanalyse unterziehen müssen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Wie in der Asse! Ganz sorgfältig! - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie beklagen zu Recht den Abbruch der Forschung. Das haben in der Vergangenheit die Minister Trittin und Gabriel veranlasst. Erst Minister Röttgen hat sie wieder aufgenommen. Das ist es ja auch, was Sie so beunruhigt.

(Beifall bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das waren Herr Töpfer und Herr Riesenhuber, Frau Bertholdes- Sandrock!)

Im Übrigen fällt immer wieder auf: Nicht das Nichtstun in der Atompolitik - gerade bei der Endlagerung - hat Sie beunruhigt, sondern das Tun. Das ist eine gefährliche Haltung in der Politik.

(Beifall bei der CDU)

Zum Schluss Ihres Antrags kommt natürlich der unvermeidliche Hinweis auf die Asse. Ohne ihn können Sie nicht leben. Aus der Asse lernen wir zwar viel, aber nur wenig gegen Gorleben; denn in der Asse gab es keinerlei anlagenbezogene Forschung. Darum ist die Asse auch nie der „Prototyp für Gorleben“ gewesen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Und die Erde ist eine Scheibe!)

Meine Damen und Herren, was wir wirklich brauchen, ist ein offener, breiter Dialog innerhalb unserer Gesellschaft - ergebnisoffen, fair, unter Einbeziehung internationalen Sachverstandes und mit allen gesellschaftlichen Gruppen - aber nicht so, wie es die Bürgerinitiative in Lüchow-Dannenberg gesagt hat: „Mit uns nicht!“ Nur so können wir unserer Verpflichtung gerecht werden, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Endlagerung zu lösen und in dieser Hinsicht einen Beitrag - das kam in Ihrem Tonfall nicht zum Ausdruck; das erwarte ich auch nicht - zur Befriedung in Deutschland zu leisten. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen - auch mit Ihnen, Kollege Herzog.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen Wünsche für Kurzinterventionen vor. Das Verfahren ist bekannt. Als Erstem erteile ich dem Kollegen Meyer von der SPD-Fraktion das Wort.

Liebe Kollegin Bertholdes-Sandrock, wenn es eine Weltmeisterschaft im Schönreden geben würde, wären Sie garantiert Weltmeisterin.

(Beifall bei der SPD)

Das, was Sie eben dargestellt haben, ist erstens eine Geschichtsklitterung und geht zweitens an der Sache vorbei. Sie haben offenbar gar nicht gele

sen, was von Herrn Röttgen alles verändert werden soll, wenn es denn am Ende so beschlossen wird.

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Das, was wichtig ist, nennen Sie nicht!)

Aber das, was der Kollege Bäumer vorhin gesagt hat, liegt ja auf Ihrer Linie. Sie versuchen hier wieder, den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Das, was Sie vor Ort noch lautstark feiern, wird hier wieder zurückgenommen, eingegrenzt und mit semantischen Fisimatenten zu ummanteln versucht. Da stört man sich an einzelnen Begriffen. Darüber hätte man sicherlich auch eine Übereinkunft finden können. Aber Sie wollen das in Wirklichkeit gar nicht. Sagen Sie doch offen und ehrlich, dass Sie für Atomenergie eintreten, und versuchen Sie nicht wieder, mit diesen Wortspielchen zu kommen!

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Mit welchen denn? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Frau Bertholdes-Sandrock, das schönste Beispiel ist die Formulierung, mit der uns Ihre sogenannten Fachleute erklären wollen, was Sie da machen. Sie bezeichnen etwas „Versturztechnik“. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie man den Leuten Sand in die Augen streut. Man kippt einfach etwas um und nennt das dann „Versturztechnik“.

Und dass Ihre Edelstahlbehälter diese Zeit überdauern sollen, ist doch wohl eine Lachnummer. Das glauben Sie doch nicht wirklich selbst.

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Blechdosen!)

Möchte die CDU-Fraktion Stellung nehmen? - Ja. Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock, bitte!

Das, was hier immer sehr auffällig ist, Herr Kollege Meyer, ist auch gerade wieder deutlich geworden: Sie haben bereits der Weisheit letzten Schluss, während die ganze Welt noch im Unsicheren ist.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Nicht die ganze Welt! Nur eine kleine Fraktion!)