Protocol of the Session on June 9, 2010

Kommen wir nun zu den anderen Atommüllbaustellen. Für Morsleben stellt das NMU im Rahmen der Langzeitsicherheitsbetrachtungen radioaktive Beeinträchtigungen des Grundwassers in Niedersachsen in Aussicht, und absolut keinen Plan gibt es für den herausgeholten Asse-Müll, wenn er denn überhaupt herausgeholt wird.

Meine Damen und Herren, CDU und FDP haben aus der Asse gelernt. Wie, das sieht man an den aufgeweichten Stellen in Ihren neuen Sicherheitsanforderungen für Endlager. Seit Asse weiß jeder,

dass die Lüge vom trockenen Salzstock nicht einmal eine Generation hielt und so wahr ist wie eine Jungfrauengeburt. Über Carnallit und Anhydrit wird Wasser zutreten, also schließt man das in den Anforderungen kurzerhand nicht mehr ausdrücklich aus. Asse, ick hör dir tropfen!

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was nicht passt, wird passend gemacht - passend vor allem für Gorleben trotz all seiner Mängel. Denn auf ein intaktes Deckgebirge und ein Mehrbarrierensystem können Sie dann gleich mit verzichten.

(Zuruf von Karin Bertholdes-Sandrock [CDU])

- Es ist eben nicht drin, Frau Bertholdes. Sie müssten das mal lesen.

Dafür kreiert man dann den sogenannten einschlusswirksamen Bereich, der aber gar nicht einschließen kann und soll - eine virtuelle Größe, um das Medium Salz zu retten. Konkret ist, dass in Gorleben der Anhydrit von den Strecken unter Tage - das wissen Sie so gut wie ich - durchbohrt ist. Konkret ist, dass neue Forschungen ergaben, dass sich der Anhydrit wegen unterschiedlicher Viskosität und unterschiedlichem Gewicht im Salz bewegt, unter Wärmeeinfluss umso mehr. Das heißt, da ergeben sich neue Wasserwegsamkeiten. Einschließen sollte der einschlusswirksame Bereich schon laut der bisherigen Anforderungen von Gabriel die Radionuklide nur so weit, dass unter ungünstigen Bedingungen jeder tausendste Anwohner eine schwerwiegende Krankheit wie Krebs bekommen durfte. Haben Sie, Frau Bertholdes-Sandrock, das einmal auf 35 000 Generationen hochgerechnet, die eine Million Jahre abbilden? - Klar, dass das eine schlechte Außenwirkung hat. Das versteht nämlich jeder, wahrscheinlich sogar Sie.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich verstehe es, ehrlich gesagt, nicht!)

Deshalb will Röttgen das durch den heute gültigen Dosisgrenzwert ersetzen. Ein Grenzwert ist kein Freibrief, sondern eine kalkulierte Zahl von Toten und Krankheiten. Obwohl man den Grenzwert künstlich hochhält, weil sonst die ganze Atomlogistik zusammenbräche, musste er immer wieder nach unten korrigiert werden.

Meine Damen und Herren, dann soll auch noch die behälterlose Bohrlochlagerung zugelassen werden, die billigste und gefährlichste aller Lagertech

niken - wieder der Atomlobby zu Diensten, wieder haarsträubenden wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Niederlanden bezüglich der Strahlungsempfindlichkeit von Salz zum Trotz. Ihre Rechnung enthält viel zu viele Unbekannte. Andere Bundesländer bestimmen über das niedersächsische Schicksal, über das Schicksal des Wendlandes - Gesundbeter, die nur ihr eigenes Land vom Atomdreck freihalten wollen.

Was macht die atomophile Landesregierung Niedersachsens? - Da ist alles täglich im Fluss, antwortete das NMU auf die Frage, mit welcher Haltung man in die morgige entscheidende Sitzung des Hauptausschusses Atomenergie von Bund und Ländern hineingehen wolle. Das, Herr Wulff, Herr Sander, gehört hier in eine offene Landtagsdebatte!

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Statt versprochener Transparenz pflegen Sie trotz Asse wie immer Geheimbündelei: verscharren, verschaukeln, vertuschen. - Auch an dieser Stelle ist sämtliches Vertrauen verspielt!

Interessant finde ich natürlich auch, dass die Rückholbarkeit, die Herr Wulff ja so vehement eingefordert hat, aufgegeben werden soll.

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Auch das ist nicht wahr!)

- Möglicherweise, Frau Bertholdes-Sandrock, will Herr Wulff deswegen Bundespräsident werden und hier nicht mehr Ministerpräsident bleiben.

(Zuruf von Ursula Körtner [CDU])

- Frau Körtner, da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht. Frau Bertholdes ist nicht für alles zuständig. Da haben Sie recht.

(Ursula Körtner [CDU]: Das habe ich gar nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie reden von „Weitblick“, aber schon im Nahbereich brauchen Sie einen Blindenhund.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Bäumer von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Herzog, ich höre Ihnen immer wieder gerne zu.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Ihnen zuzuhören ist fast so schön, als wenn ich meinen Kindern zu Hause Märchen vorlese. Davon haben wir beide etwas.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nur kein Neid auf Kompetenz!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kernenergie ist ein sehr emotionales Thema.

(Zurufe - Unruhe)

Herr Kollege Bäumer, vielleicht warten Sie einen Moment. Wir warten alle. - So, jetzt können Sie fortfahren.

Das Kernkraftwerk Krümmel gehört mit Sicherheit dazu. Das wissen wir auch nicht erst seit heute, sondern das wissen wir schon seit der Diskussion, die wir hier im Plenum am 17. März 2010 zu diesem Thema geführt haben. Ich bin mir sicher, das wird auch in Zukunft so sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach umfangreicher Diskussion hat dieser Landtag am 17. März 2010 entschieden, diesen Antrag noch einmal im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz zu beraten. Das haben wir am 19. April 2010 getan. Zu dieser Ausschusssitzung hatten die Landtagsfraktionen von CDU und FDP so, wie angekündigt, fristgerecht einen Änderungsvorschlag vorgelegt. Danach ist lange nichts passiert. Erst am Tag der letzten Sitzung des Umweltausschusses vor diesem Landtagsplenum, also am 31. Mai, gab es seitens der Grünen eine Tischvorlage mit dem Text der Resolution aus Hamburg, nachdem mir Herr Wenzel dies bereits am 29. Mai, also zwei Tage vorher, am Samstagabend per E-Mail angekündigt hatte.

Warum erzähle ich Ihnen das? - Damit Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, erkennen können, mit welcher Ernsthaftigkeit die Opposition in dieser Sache arbeitet. Wenn Ihnen, Herr Wenzel, wirklich daran gelegen wäre, in dieser Angelegenheit einen einstimmigen Beschluss zu erwirken, dann wären Sie früher auf uns zugekommen als

zwei Tage vor der Sitzung des Umweltausschusses.

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Zwei Tage sind ein paar mehr als bei Ihren Vorlagen zum Rechtsausschuss!)

Warum wir hier im Landtag - Herr Limburg, bleiben Sie ein bisschen ruhig - dem Text der Resolution aus dem Landkreis Harburg nicht zustimmen können, habe ich Ihnen bereits im Umweltausschuss erklärt. Die Resolution ist nämlich in mehreren Punkten unpräzise. Erstens liegt die Atomaufsicht mittlerweile beim Justizministerium. Zweitens hat es in Krümmel nicht Störfälle in rechtlich-fachlichem Sinne gegeben, sondern Vorfälle oder gravierende Störungen des Betriebsablaufs.

Herr Bäumer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Sohn?

Nein. - Drittens. Vor dem gegebenenfalls gerechtfertigten Entzug der Betriebserlaubnis muss in einem Rechtsstaat zunächst eine Prüfung der Zuverlässigkeit des Betreibers stattfinden. Viertens. Betreiber des Kraftwerks Krümmel - in diesem Punkt bin ich ziemlich enttäuscht von Ihnen, weil Sie das gar nicht genau erkannt haben - ist die Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH und nicht die Vattenfall Europe Aktiengesellschaft.

(Zustimmung von Kurt Herzog [LINKE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Unstimmigkeiten haben wir in unserem Änderungsvorschlag präzisiert. Dieser Vorschlag liegt Ihnen seit mehr als sechs Wochen vor. Wenn es Ihnen, Herr Wenzel, um die Sache ginge, dann würden Sie unserem Vorschlag gleich zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Sehr gut!)

Frau Kollegin Staudte, Sie wollten kurz intervenieren. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bäumer, Sie haben uns vorgeworfen, wir würden

nicht ernsthaft an die Sache herangehen. Ich muss wirklich sagen: Ihre Argumentation hier ist absolut lächerlich.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Welche Argumentation?)

- Genau: Welche Argumentation? - Sie behaupten, es habe daran gelegen, dass der Titel von Vattenfall nicht korrekt benannt worden sei. Meines Erachtens liegt es aber eher daran, dass Sie Ihren Kollegen vor Ort gestatten, sich als Atom- und Krümmelgegner darzustellen. Letztendlich landen Sie dann hier aber immer als Bettvorleger von Vattenfall.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Was die Zuverlässigkeit von Vattenfall anbelangt, möchte ich Sie noch einmal an unsere letzte Debatte hier im Landtag erinnern. Wir haben hier über Krümmel und Vattenfall diskutiert. Vattenfall hat erst an jenem Tag der Atomaufsicht gemeldet, dass es wegen einer Kühlwasserpumpe erneut einen Störfall gegeben hat, obwohl dieser Störfall schon fünf Tage vorher aufgetreten war. Angesichts dessen frage ich Sie: Muss erst jetzt geprüft werden, ob dieser Betreiber überhaupt noch zuverlässig ist oder nicht? - Ich denke, wir wissen das eigentlich.