Die Antworten des Ministeriums im Bereich Sucht- und Drogenpolitik waren sehr aufschlussreich, zeigten sie doch deutlich, in welchem Zustand die Sucht- und Drogenpolitik in diesem Land ist. Es gibt viele Akteure. An sich macht keiner etwas falsch. Aber es gibt kaum Vernetzungen, und es gibt keine oder nur wenige Verknüpfungen. Das Ganze stellt sich als unüberschaubares Durcheinander dar. Viele gute Initiativen laufen unverbunden nebeneinander her. Dieses Durcheinander zu entwirren und vernünftig durchzuorganisieren, ist zentrale Aufgabe des Landes. Die Sucht- und Drogenpolitik braucht in Niedersachsen einen hohen Stellenwert. Meine Damen und Herren, kommen Sie dieser Aufgabe nach!
Das große Problem an dieser Debatte ist, dass sie oft ohne Kompetenz geführt wird. Das muss ich einmal in dieser Deutlichkeit sagen.
(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Wir haben vielleicht nicht so viel Erfah- rung wie Sie! - Weitere Zurufe von der CDU)
Sie haben hier die Kleiber-Studie kritisiert, die schon von der Ministerin schlechtgeredet wurde. Ich will darauf hinweisen, dass Herr Kleiber in der medizinischen Szene hoch anerkannt ist. Seine im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums angefertigte Studie von 1994/95 war dem Ministerium zu schwierig, zu problematisch in ihrer Aussage. Deshalb hat es ohne Ausschreibung eine neue Studie bei Herrn Thomasius in Auftrag gegeben.
„durch eine Skandalisierung der Thematik auch erfolgreich um Geldmittel. Wie sich erneut bewahrheitet, stellt die mediale Dramatisierung in der heutigen Zeit durchaus ein Erfolgsmodell dar.“
„Schon die von Thomasius herausgegebene und betreute Ecstasy-Studie wies vor allem in dem von ihm betreuten Teilgebiet erhebliche methodische Mängel auf.“
„Es fällt auf, dass er mehrfach höchst überzogene und kaum zutreffende Aussagen zum Cannabis abgibt, bei denen er seine Praxiserfahrungen in einer wissenschaftlich unmöglichen Weise verallgemeinert.“
(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Wie kann man sich nur selber so in die Defensive bringen!)
Hier über die Kompetenz zu reden, halte ich für sehr zwiespältig. Ich möchte nicht wissen, wer von uns beiden mehr Kompetenz hat, über dieses Thema zu reden: Sie, Herr Perli, oder ich.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Oh! bei der CDU - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das musste mal gesagt werden!)
Ich habe mich in dieser Frage nicht auf Herrn Professor Thomasius bezogen. Sie müssen auch ein bisschen in der amerikanischen Literatur unterwegs sein. Da gibt es einen Gracing - ich gebe Ihnen gerne einmal die Quelle -, der die neueste und größte Untersuchung an dieser Stelle angeführt hat. Er hat auch die neu erkannten Gefahren für die Synapsen, die mit diesen Stoffen verbunden sind, herausgearbeitet. Vielleicht sollten Sie also, bevor Sie mit Tomaten werfen, erst einmal gucken, woher der Ketchup kommt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns hier schon über Kompetenz in der Cannabisfrage ausgetauscht. Ich darf Ihnen offen bekennen: Ich habe keine persönliche Kompetenz durch eigene Erfahrung mit dem Thema,
sondern nur dadurch, dass ich mich mit der Großen Anfrage, der Antwort der Landesregierung und ergänzendem Material intensiv beschäftigt habe.
Meine Damen und Herren, wir haben vor Kurzem den 50. Geburtstag der Beatles gefeiert. Der eine oder andere erinnert sich noch an Woodstock und die Zeiten, als der schöne Spruch „Legalize it!“ auf T-Shirts und Hauswänden zu lesen war. Mir scheint, der Kollege Perli wollte diese Zeiten hier in Erinnerung rufen.
Lieber Herr Kollege Perli, nach Ihrer Rede hier sind wir auf Ihre nachfolgenden parlamentarischen Initiativen außerordentlich gespannt.
Ich richte meinen Dank an die Landesregierung für die erneute, umfassende Darstellung der Präventionsmaßnahmen, die im Lande Niedersachsen ausgeführt werden.
Im Gegensatz zur geschätzten Vorrednerin, Frau Tiemann, bin ich der Ansicht, dass die 7,2 Millionen Euro, die wir jährlich dafür verausgaben, gut angelegtes Geld sind, weil Prävention der wichtigste Bestandteil von Drogenpolitik ist.
Meine Damen und Herren, der Drogen sind viele. Es ist überwiegend Traditionen zu verdanken, welche Drogen legal und welche illegal sind. Über Rauchen und über Alkohol haben wir hier schon das eine oder andere gehört. Cannabisprodukte sind bis in die Gegenwart hinein illegal, zumindest in Niedersachsen.
Es gab einmal eine Zeit, nämlich ab 1896, als ein Medikament mit dem schönen Namen Diacetylmorphin auf dem Markt war. Der eine oder andere kennt es vielleicht besser unter dem Namen Heroin. Es ist bis 1931 legal von Bayer produziert und verschrieben worden. Es galt bei Bayer als ein schmerzlinderndes Mittel. Nach Jahrzehnten der Kenntnis, dass dieses Medikament suchtgefährdend ist, hat man das Produkt dann nicht mehr hergestellt und erst im Jahre 1971 endgültig verboten. Ich finde, das ist eine ganz interessante Konnotation zu der Frage, wie sich der Umgang mit Legalität und Illegalität im Zusammenhang mit Drogen im Laufe der Zeit ändern kann.
Fachleute halten es für außerordentlich zweifelhaft, dass, wenn heute der Kaffee erfunden würde, er überhaupt zugelassen werden könnte angesichts
der Vielfalt der Substanzen, die in ihm enthalten sind und die allerlei Auswirkungen auf den Metabolismus und zum Teil auch auf das Bewusstsein haben.
Beim Tabakrauch gestalten wir in den letzten Jahren einen rechtlichen Wandel. Dazu haben wir auch in Niedersachsen beigetragen. Der Wertewandel äußert sich auch in einem rechtlichen Wandel. Rauchen ist an vielen Stellen nicht mehr erlaubt. Erlaubt ist das Rauchen noch an den Pforten des Niedersächsischen Landtages. Wenn Bürgerinnen und Bürger zu uns kommen, kommen sie erst einmal an den freundlichen Kolleginnen und Kollegen Rauchern vorbei. Das sind auch Aspekte, die sich im Wertewandel ergeben.
Verehrte Damen und Herren, unser Ziel bei unseren Maßnahmen im politischen Bereich sollte immer das Bild einer Gesellschaft der aufgeklärten Bürgerinnen und Bürger sein. Um das zu erreichen, ist in der Drogen- und Suchtpolitik ein dreifacher Ansatz vonnöten. Über Prävention habe ich schon ein wenig gesprochen. Therapie, wo nötig, ist der zweite Punkt und Repression, wo notwendig, der dritte Bestandteil dieses dreifachen Ansatzes in der Drogen- und Suchtpolitik.
Der Suchtmittelkonsum in Deutschland - darüber dürften wir uns, wie ich glaube, nicht uneins sein - führt zu einer großen Zahl vorzeitiger Sterbefälle, zu erheblichen Krankheitshäufungen, zu großem persönlichen Leid, zu sozialen Schäden und zu hohen Kosten für die Gesellschaft.
Information über legale und illegale Drogen und deren Gefahren, das ist die wichtigste politische Aufgabe, der sich das öffentliche Bildungswesen annimmt. Wir tun gut daran, dass wir einen kleinteiligen Gebrauch illegaler Drogen - sechs Gramm sind genannt worden - mitunter als Jugendsünde ansehen, nicht unnachsichtig verfolgen, gleichwohl aber das Illegalitätsprinzip aufrechterhalten.