Protocol of the Session on June 8, 2010

Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat Ihnen heute Änderungsanträge vorgelegt. Sie zielen auf den Erhalt der Gruppenuniversität, wenden sich gegen die Aushöhlung der Selbstverwaltung und setzen sich für eine Hochschule ohne soziale Hürden ein. Wir sind überzeugt: Eine Universität, eine Hochschule wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Eigeninitiative und die Kreativität der sie tragenden Köpfe fördert. Diese Köpfe brauchen die Möglichkeit, ihre Hochschule selbst zu gestalten. Sonst werden Kreativität und Innovation zerstört.

Ihre Novelle, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ist bei den Hochschulen und bei den Studierenden durchgefallen, auch bei uns. Wir stimmen mit Nein.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜ- NEN)

Ich erteile der Kollegin Dr. Heinen-Kljajić das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Andretta hat es zum Schluss ihrer Rede ausgeführt: Die autonome Hochschule braucht Lehrende und Studierende, die sich mit ihrer Hochschule identifizieren, weil sie sie selbst mitgestalten können und weil sie Verantwortung für ihre Entwicklung übernehmen können.

Sie dagegen, werte Kollegen von CDU und FDP, meinen mit Hochschulautonomie anscheinend eine zentrale Kommandostruktur, an deren Spitze die Hochschulleitung steht. So ist Ihre Hochschulpolitik von einem tiefen Misstrauen gegen jede Form demokratisch legitimierter Steuerung geprägt.

Dabei ist die akademische Selbstverwaltung nicht nur verfassungsrechtlich unabdingbar, sondern sie ist vor allen Dingen auch der Maxime modernen Managements geschuldet, die da sagt, dass Entscheidungen auf der Ebene getroffen werden, auf der die notwendigen Informationen vorliegen und auf der die Konsequenzen einer Entscheidung letztlich auch zu tragen sind. Deshalb ist es völlig kontraproduktiv, wenn Sie Fakultäten aus Besetzungsverfahren heraushalten oder die Mitarbeitergruppe nicht mehr an Berufungsentscheidungen teilnehmen lassen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im ersten Fall haben Sie eine missglückte Korrektur am ursprünglichen Entwurf vorgenommen, und im letztgenannten Fall haben selbst die Präsidenten in der Anhörung gesagt, dass sie es überhaupt nicht wollen, dass die MTV-Gruppe nicht mehr mit abstimmen kann. Das macht vielleicht deutlich, wie wenig Sie manchmal von der Realität an unseren Hochschulen wissen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Woher kommt Ihr Irrglaube, werte Kollegen, dass Entscheidungen, auf die sich Gremien verständigt haben, per se schlechter sein sollen als Entscheidungen, die Einzelne in der Hochschulleitung getroffen haben? Warum stören Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter bei Berufungsverfahren in profilbildenden Bereichen - abgesehen davon, dass kein Mensch weiß, was das sein soll -? Warum sollen externe Berater in einem Stiftungsrat beispielsweise eher wissen, was für eine Hochschule gut ist, als deren Senate?

Die alte Gremienhochschule der 80er- und 90erJahre war nun wahrlich nicht - das muss man zugeben - durch intrinsische Reformmotivation gekennzeichnet. Aber es ist vollkommen falsch, daraus jetzt den Umkehrschluss „Je weniger Binnendemokratie, desto mehr Hochschulreform“ zu ziehen.

Deshalb lehnen wir es auch ab, eine Experimentierklausel in das Gesetz aufzunehmen, die die Möglichkeit eröffnet, sämtliche Beteiligungsrechte der Gremien außer Kraft zu setzen, wenn eine

Hochschule im Rahmen der Exzellentinitiative gefördert wird.

(Unruhe)

Denn anders als in Ihrem Weltbild schließen sich in unserer Vorstellung von einer guten und erfolgreichen Hochschule Exzellenz und akademische Selbstverwaltung nicht aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Vor dem Applaus war es sehr unruhig im Plenarsaal. Ich bitte, die Gespräche in den Fraktionen deutlich zu reduzieren.

Außerdem haben wir in unserem Änderungsantrag eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wie Studierende stärker in die inneruniversitären Willensbildungsprozesse eingebunden werden können. Im Ausschuss haben wir Ihnen sogar Vorschläge gemacht, wie Studierende, wenn sie denn schon Gebühren zahlen müssen, zumindest an der Verwendung dieser Gebühren selbst auch beteiligt werden. Aber diese Vorschläge haben Sie nicht einmal diskutieren wollen. Sie belassen es bei einer unverbindlichen Beteiligung der Studierenden an Entscheidungen zur Verwendung der Studiengebühren.

So viel steht fest. Studiengebühren haben den Studierenden außer erschwerten Bedingungen bei der Finanzierung ihres Studiums nichts gebracht. Die anhaltenden Bildungsstreiks werden das morgen wieder eindrücklich belegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Suchen Sie das Gespräch mit den Studierenden, Frau Ministerin Wanka! Dann werden Sie feststellen, dass Sie einem Trugschluss erliegen, wenn Sie glauben, Studiengebühren würden die Qualität eines Studiums im Vergleich zu einem Billigstudium - so war Ihre Wortwahl gegenüber der Neuen Presse zu einem gebührenfreien Studium - erhöhen.

(Zuruf: Sie hat völlig recht!)

In diesem Interview stellen Sie selbst einen Zusammenhang zwischen Studierfreudigkeit und Studiengebühren her. Diesen Zusammenhang gibt es nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern auch in Niedersachsen. Ihr mickriges Zugeständnis, Studierende aus kinderreichen Familien von

den Zinsen für die Studienbeitragsdarlehen zu befreien, wird daran nichts ändern.

Meine Damen und Herren, so begrüßenswert es ist, die Zugangsvoraussetzung für ein Hochschulstudium radikal zu senken - auch das sei hier zugestanden; das geschieht natürlich in dieser Novelle -: Die damit beabsichtigte Wirkung bleibt ein frommer Wunsch, solange die Zugangsfrage in erster Linie eine Finanzierungsfrage bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb fordern wir u. a., dass Hochschulen, wenn sie schon Stipendien vergeben, dies vordringlich nach sozialen Kriterien tun sollten.

Ich bin in meinen Ausführungen jetzt nicht auf jeden einzelnen Punkt unseres Änderungsantrags eingegangen, sondern habe mich bewusst auf Grundsätzliches konzentriert; denn es sind keine Detailfragen, sondern es ist das grundsätzliche Verständnis davon, wie Bildung organisiert werden muss, was uns als Grüne von CDU und FDP unterscheidet.

Zu diesem unterschiedlichen Verständnis gehört auch, dass wir es für absurd halten, einen Ausverkauf des Professorentitels in Kauf zu nehmen, nur weil es die Landesregierung schick findet, nicht nur Orden, sondern auch höchste akademische Titel verleihen zu können. Die Nobilitierung als Recht von Territorialfürsten ist seit der Weimarer Verfassung abgeschafft, meine Damen und Herren von CDU und FDP. An dieser Stelle fallen Sie nun wirklich in einen vordemokratischen Habitus zurück.

Frau Kollegin, bitte kommen Sie jetzt zum Schluss!

Noch einen Satz. - Legen Sie meinetwegen eine Christian-Wulff-Gedenkmedaille oder was immer Sie wollen auf, aber halten Sie das Hochschulgesetz da heraus!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt der Frau Kollegin von BelowNeufeldt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die NHG-Novelle wird verabschiedet.

Sie enthält wichtige Neuausrichtungen, die das Gesetz viel moderner ausgestalten.

Als Erstes möchte ich darauf eingehen, dass der Aufgabenkatalog der Hochschule erweitert wurde, nämlich um den Passus, dass Unternehmensgründungen aus der Hochschule heraus gefördert werden. Das ist ein wichtiges Anliegen der FDPFraktion; denn dies bietet den Anreiz und die Möglichkeit, dass Studium und Wirtschaft mehr miteinander verzahnt werden. Neue Erkenntnisse sollen beispielsweise zu marktfähigen Produkten entwickelt werden können. Zugewinn an Wissen aus der Forschung soll zu Innovation und damit auch zu neuen Unternehmen führen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich habe kürzlich in Clausthal und Hannover Unternehmen besucht, die solche erfolgreichen Ausgründungen sind. Dort werden hochwertige Spezialprodukte gefertigt. Außerdem gaben sie bereits Anstoß für weitere Ausgründungen von dort aus. Es generiert sich also ein ganz toller Entwicklungsprozess. Das schafft Wirtschaftswachstum und bietet Arbeitsplätze.

Eine weitere wichtige Änderung bietet die offene Hochschule. Dazu sprach bereits Herr Kollege Nacke. Leider studieren erst ungefähr 2 % derjenigen, die andere Qualifikationen als das Abitur haben, nämlich Meister. Ich hoffe sehr, dass sich der Anteil dieser Studierenden noch erhöhen wird. Dieser Weg in das Studium bietet nämlich gute Alternativen. Gerade ging ein Bericht über eine Hauptschülerin durch die Presse, die nach entsprechender weiterer Qualifikation heute mit Mitte 30 Zahnärztin mit eigener Praxis und mehreren Angestellten ist. Das sind Beispiele, die Mut machen können und Mut machen müssen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich komme zu einer weiteren wichtigen Änderung: Studienbeiträge werden bleiben; über eine Flexibilisierung mit der bekannten Obergrenze von 500 Euro könnte aber gegebenenfalls durchaus nachgedacht werden. Das läge dann in der Verantwortung der Hochschulen. Dennoch sind die Studienbeiträge nach Auffassung der FDP unverzichtbar. Aber auch hier gibt es Erleichterungen. Studienbeiträge können über ein Darlehen finanziert werden. Erst mit Aufnahme der Berufstätigkeit müssen diese ratenweise zurückgezahlt werden. Wenn Studienbeiträge angegriffen werden, wenn insgesamt 3 000 Euro für ein Bachelorstudium

infrage gestellt werden, sind das doch wohl nur vorgeschobene Argumente.

(Zuruf von der CDU: Wohl wahr!)

Die spürbaren positiven Veränderungen durch die Einnahmen an den Hochschulen kommen gerade den Studierenden zugute und sind gar nicht mehr wegzudenken.

(Beifall bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Wir haben zwar keine Regelung geschaffen, dass die Zusatzbezeichnung „Diplomingenieur“ nach dem erfolgreichen Abschluss eines technischen Studiengangs geführt werden darf. Auf Bundesebene gibt es jedoch auch innerhalb der CDUFraktion Fürsprecher. Der Titel „Diplomingenieur“ - dafür werbe ich an dieser Stelle noch einmal - hat einen weltweit bekannten guten Ruf, ist Markenzeichen und bürgt für Qualität und für entsprechend angebotene Produkte. Der Titel ist Alleinstellungsmerkmal.

(Beifall bei der FDP)

Insgesamt ist die Novelle sehr gelungen. Die FDPFraktion wird ihr zustimmen. Ob sie verfassungskonform ist, Frau Dr. Andretta, mag in Bückeburg entschieden werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)