Protocol of the Session on April 27, 2010

Wir Liberalen wollen, dass innovative Geschäftsmodelle und Unternehmen entstehen. Der Weg aus der Krise kann nicht aus Ängsten heraus und aus Verharren in Altem gefunden werden. Mut, Kreativität und Innovation sind meines Erachtens Schlüsselqualifikationen, mit denen heute Märkte erschlossen werden und wodurch die Wirtschaft florieren kann.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen. Nicht alle Studiengänge sind auf Bachelor und Master umgestellt. Als Beispiel nenne ich die Mediziner. Auch uns Liberalen liegt daran, dass bisherige Erfahrungen in den weiteren Reformprozess Eingang finden.

Ich will noch kurz auf die Novelle zum Niedersächsischen Hochschulgesetz eingehen. Bologna wird auch bei der anstehenden Novellierung dieses Gesetzes wirken. Wir Liberalen würden dennoch gern die Beibehaltung der Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur in die Beratungen einbringen und damit ein Gütesiegel für das deutsche Ingenieurwesen erhalten. Viele ausländische Studierende kamen bisher nach Niedersachsen an die technischen Universitäten, um diesen Abschluss zu erreichen. Noch gibt es ihn. Er steht für Qualität und Können und ist Alleinstellungsmerkmal und Exportartikel mit weltweitem Bekanntheitsgrad.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Der Bologna-Prozess ist in Niedersachsen erfolgreich. Auch dem weiteren Reformprozess sieht die FDP-Fraktion optimistisch entgegen. Der gemeinsame Antrag von CDU und FDP weist den richtigen Weg. Ihm kann nur zugestimmt werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Perli hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Ihm folgt Frau Dr. Andretta. Vorhin war es umgekehrt.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es ganz kurz machen. Frau von Below-Neufeldt, vielen Dank für diese Steilvorlage. Wenn Sie, Herr Dürr und Herr Thümler, die gerade applaudiert haben, sich für die Beibehaltung der Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur starkmachen, müssen Sie dem Antrag der Linken zustimmen, denn dies ist der einzige Antrag, der genau diese Abschlussmöglichkeit wieder in das Hochschulgesetz hineinschreiben möchte. Ich erwarte Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dr. Andretta, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird hier sehr spannend. Eben haben wir von Herrn Kollegen Dreyer gehört: Wir danken der KMK. - Gerade dort ist aber diskutiert worden, dass es mit dem Diplom-Ingenieur leider nichts mehr wird. Meine Frage an die Kollegin von der FDP ist diese: Soll der Abschluss zum Diplom-Ingenieur sowohl an den TUs als auch an den Fachhochschulen erworben werden können und, wenn ja, in wie viel Semestern soll er dort erworben werden können? BA/MA - wie soll das aussehen? Wenn man eine solche Forderung hier in den Raum stellt, sollte dazu konkret etwas gesagt werden können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau von Below-Neufeldt, Sie haben jetzt die Möglichkeit zu erwidern bzw. die Frage zu beantworten. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich bei der Antwort ganz kurz fassen. Ich habe nicht gesagt, dass ich den Diplom-Ingenieur so auf jeden Fall in das neue System hineinbringen will. Ich habe gesagt, ich möchte ihn in die Beratungen einbringen. Das ist ein ziemlich großer Unterschied. Damit ist meine Antwort schon gegeben.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt hat Frau Ministerin Wanka für die Landesregierung das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute haben sich alle Fraktionen mit Anträgen dem Thema der Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses gewidmet. Dafür sage ich allen Dank. Ich habe verschiedene Begründungen und Argumente gehört, warum wir den Bologna-Prozess brauchen und warum der europäische Hochschulraum damals eingeführt wurde. Ich nenne hier z. B. das Stichwort Mobilität. Mobilität ist per se nicht unbedingt etwas Gutes. Ein Argument ist für mich aber schlagend. Wenn Sie in den 30er-Jahren in Deutschland z. B. Physik studiert haben, gab es ein bestimmtes Curriculum. Entsprechend diesem Curriculum marschierte man fünf Jahre lang voran, und dann war man Diplom-Physiker. Wenn Sie in den 90er-Jahren Physik studiert haben, war es noch genauso. Aber in den 30er-Jahren hat nur ein geringer Prozentsatz von jungen Leuten studiert. Jetzt gehen wir jedoch auf 40 % zu.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Nicht in Niedersachsen!)

Das heißt, es war zwingend notwendig - das ist für mich ganz entscheidend -, dass das Studium individualisiert wird, dass also ganz unterschiedliche Studienwege möglich sind. Dafür ist die Idee von Bologna gut und richtig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir uns im Wissenschaftsbereich Erfolge anschauen, z. B. die Exzellenzinitiative, dann sehen wir - darüber ärgern wir uns immer - eine Art von Nord-Süd-Gefälle: Im Süden gibt es mehr Eliteuniversitäten etc. Auch bei dem BolognaProzess gibt es ein Nord-Süd-Gefälle,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber an- dersherum!)

aber mit anderem Vorzeichen. Die Vorreiter im Bologna-Prozess - das zeigen alle einschlägigen Untersuchungen - sind Niedersachsen, Bremen, Brandenburg, Berlin, egal, ob Sie nun nach der Zahl der umgestellten Studiengänge schauen oder nach dem Anteil der Studierenden, die diese Studiengänge in den entsprechenden Hochschulen wählen. Ich glaube, das ist ein gutes Indiz.

Die Studentenproteste des letzten Jahres wurden angesprochen. Diese sind sehr ernst zu nehmen, wobei, wenn ich Niedersachsen im Bundesvergleich sehe, die Proteste hier eigentlich unterdurchschnittlich intensiv waren. Daraus kann man vielleicht nicht ohne Weiteres schlussfolgern, dass hier alles in Ordnung ist; das tue ich auch nicht. Aber man hat hier, obwohl der studentische Protest hier viel verhaltener als an anderen Stellen war, eine Initiative bis in die KMK hinein ergriffen; ich finde die zehn Punkte, die Herr Stratmann damals formuliert hat, sehr gut.

Die KMK hat sich in den letzten zwölf Monaten dreimal sehr intensiv mit Bologna beschäftigt, nämlich im Oktober, im Dezember und im Februar dieses Jahres. Dort sind recht schnell Konsequenzen gezogen worden, z. B. in der Frage der Anerkennung von Prüfungsleistungen. Diese KMK-Beschlüsse können jetzt nicht als unwichtig abgetan werden. Wenn Sie Mobilität wollen, wenn Sie z. B. die Anerkennung bayerischer Abschlüsse in Niedersachsen wollen, dann können Sie das nicht nur den Bayern oder nur den Niedersachsen überlassen, sondern gerade dann brauchen Sie Regeln über die KMK. Wir halten uns daran. Die Einzigen, die da nicht ganz so konsequent sind, sind die Berliner. Diese KMK-Beschlüsse sind also sehr wichtig. Diese liegen jetzt vor. Sie sind die Voraussetzung, dass man in den Universitäten und Hochschulen jetzt zu Veränderungen kommt.

Zu der Zuweisung von zehn Semestern: Zehn Semester sind eine Verpflichtung für die Hochschulen, damit die Veranstaltungen so angeboten werden, dass ein Studium in zehn Semestern möglich ist. Der einzelne Student kann das für sich ganz anders entscheiden. Da jetzt die KMK-Beschlüsse vorliegen, müssen nun die Veränderungen greifen, damit man zu einer Umgestaltung z. B. in Bezug auf die Prüfungsdichte kommt. Der Weg, in Niedersachsen eine Arbeitsgruppe einzurichten, in der die Landesrektorenkonferenz, die Studierenden, Experten und das Ministerium vertreten sind, ist richtig. Ich glaube auch, dass eine Berichterstattung mit Empfehlungen bis zum Herbst zu begrüßen ist, auch vom Zeitraum her. Jetzt im Schnellschuss wieder alles umzudrehen oder zu verändern, ist meiner Meinung nicht das, was wir wollen.

Als ehemalige Rektorin zucke ich etwas, wenn man ständig die Autonomie der Hochschulen als etwas ganz Tolles und Wichtiges lobt, aber ihnen dann, wenn es ein bisschen konkret wird, alles vorschreiben will. So kann es nicht funktionieren!

Wenn jetzt Empfehlungen herauskommen, dann sind sie an den einzelnen Hochschulen umzusetzen.

Nirgendwo steht, dass der Masterzugang mit einer Durchschnittsnote belegt werden muss. Aber, meine Damen und Herren, ein Masterzugang ist kein Menschenrecht, das ist nichts, was für jeden offen stehen muss, sondern da ist ganz klar: Leistungsanforderungen sind legitim!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Niedersachsen, die studieren, wollen natürlich einen Job haben, die wollen gut verdienen. Da stehen sie nicht nur in einem Wettbewerb mit anderen in Niedersachsen, sondern wir stehen mittlerweile in einem europäischen Wettbewerb. Deshalb muss man eines immer deutlich sagen - das habe ich auch protestierenden Studenten immer gesagt -: Wenn man gut sein will, dann muss man intensiv arbeiten. Darum kommt man nicht herum, auch nicht im Studium. Da gibt es keine Wohlfühlvarianten, sondern es ist mit harter Arbeit verbunden, wenn man Leistung zeigen will.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein letztes Wort zur Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes und dem Ergebnis, dass der Bildungserfolg von der Bildungsherkunft im Elternhaus abhängt: Bei der ersten PISA-Untersuchung im Jahr 2000 waren alle über die schlechten Noten für Deutschland in den Bereichen Mathematik und Lesefähigkeit etc. erschrocken. Das eigentlich Schlimme war damals, wie ich fand, dass Deutschland einen sehr starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufwies.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das fin- den wir auch!)

Aber - zuhören! - da gibt es im föderalen System, über das wir gerade geredet haben, große Unterschiede. In Bezug auf den Schulbereich ist in der PISA-Studie nachlesbar, dass der Zusammenhang in Deutschland sehr eng ist, was nicht gut ist, was wir ändern wollen. Es gibt aber drei Bundesländer, wo es nicht so ist, wo es exzellent ist, wo es so ist wie in Finnland oder Schweden, wo es diesen Zusammenhang nicht gibt. Nun sagen Sie mir einmal, welche drei das sind! - Bayern, Sachsen und Thüringen. Diese Diskussion weist also auch einen föderalen Zungenschlag auf. Das ist für alle sehr anregend.

Bei der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes wurde deutlich, dass sich der Anteil von Studierenden aus bildungsfernen Schichten seit, glaube ich, 25 Jahren nicht erhöht hat. Damals gab es noch keine Studiengebühren. Trotzdem hat sich der Anteil auch damals nicht erhöht, trotz aller BAföG-Novellen. Wenn wir jetzt beklagen, dass der Anteil zu gering ist, dann kann man nicht einfach den Schluss ziehen, dass es durch die Einführung der Studiengebühren schlechter geworden ist. Studiengebühren per se sind nicht gut und nicht schlecht, sondern es kommt ganz auf die Ausgestaltung an. Es gibt Länder mit Studiengebühren, in denen der Anteil der Studenten aus bildungsfernen Schichten bei über 30 % liegt. Aber wir in Deutschland haben ein Problem. Deswegen war das, was ich vorhin sagte, also die Strategie mit den dualen Studiengängen etc., so wichtig; denn das ist auch eine Strategie, um junge Leuten aus diesen Schichten, vielleicht mit einem kleinen Umweg, zum Studium und zum Aufstieg durch Bildung zu bringen.

Nochmals zur Anfangsbemerkung: Ich finde es sehr gut, dass hier in diesem Landtag so lange über den Bologna-Prozess und seine Weiterentwicklung diskutiert wurde. Ich denke, wenn die Empfehlungen auf dem Tisch liegen, ist dies hier wieder ein Ort, um festzustellen, wie wir weitergekommen sind und welche weiteren Schritte wir unternehmen.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mir liegt der Wunsch nach zusätzlicher Redezeit von den Kollegen Perli und Professor Zielke vor. Sie bekommen jeweils 90 Sekunden zusätzliche Redezeit.

(Zurufe der SPD und der GRÜNEN: Das wird schön!)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Wanka, ich möchte mich auf zwei Punkte konzentrieren.

Erstens haben Sie hier behauptet, dass die Niedersachsen bei den Bildungsstreiks weniger als im Bundesdurchschnitt demonstriert hätten. Das ist falsch! In 14 niedersächsischen Hochschulen waren Räume besetzt worden, also in weit mehr als

der Hälfte aller Hochschulen. In allen Universitäten waren Räume besetzt. Es gab in allen Universitäten große Plenen mit großen Forderungspapieren. Passiert ist aber wenig.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir hatten davor - Sie erinnern sich! - einen sehr heißen Sommer mit fast 300 000 Schülern und Studierenden bundesweit auf der Straße. Hiervon war jeder siebte in Niedersachsen auf der Straße - jeder siebte!

(Zurufe von der CDU)

Wir haben ja aber bekanntlich nur ungefähr jeden zehnten Bundesbürger in unserem schönen Bundesland.