Protocol of the Session on April 27, 2010

Ich frage Sie ein Zweites: Wie erklären Sie sich, dass bei der von uns bereits 2002 im Schulgesetz geregelten Sprachförderung im Kitabereich - Herr Politze hat darauf hingewiesen - durch Ihre nachträgliche Veränderung der Gruppengrößen der kommunale Anteil permanent steigt und die Landesmittel ständig weniger werden?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Da das ja auch im Kreistag von Soltau-Fallingbostel Thema war - der Vizepräsident wies mich eben darauf hin -, darf ich Sie, Herr von Danwitz, doch darum bitten, dass Sie das hier bestätigen; denn Sie sind genauso über diese Diskussion informiert.

Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass Sie das dringende Anliegen aus der Mitberatung in der Integrationskommision und auch von Frau Mermertaş vom türkischen Elternverband und anderen, hier zu Beschlüssen zu kommen, nicht unterstützen und keinen eigenen Antrag vorlegen, zeigt auf, dass Sie, Frau Özkan, in nächster Zeit viel zu tun haben. Das ist nicht die CDU-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich ebenfalls zu einer Kurzintervention gemeldet. Frau Korter, Sie haben das Wort für anderthalb Minuten.

(David McAllister [CDU] - zur SPD -: Wir sind auch ein paar mehr!)

Einen Moment, Frau Korter. Herr McAllister, ist das geklärt? - Danke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ernst, Sie haben uns gerade vorgeworfen, wir

würden die Realität verkennen. Ich finde das nicht nur ignorant, sondern unverschämt! Wer hat denn die Realität verkannt? Wir haben uns sehr intensiv mit den Migrantenverbänden auseinandergesetzt. Aber Sie wollten keine Anhörung im Ausschuss zu unserem Antrag. Wir haben allein eine Anhörung durchgeführt. Wir haben uns in der Integrationskommission intensiv damit befasst. Dort hat Frau Lorberg - Herr Bachmann hat das gerade gesagt - einen Antrag angekündigt. Dort hat Frau Mermertaş über zwei Stunden lang aus ihrer Erfahrung über die Diskriminierung der Migrantenkinder in den Schulen berichtet. - Und Sie sehen keinen Handlungsbedarf?

Das angekündigte Konzept haben Sie hier nicht vorgelegt. Ich finde, das ist wirklich schlimm und wirklich ignorant!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich etwas zitieren. Offensichtlich sieht man auf der Regierungsbank doch Handlungsbedarf:

„Auch Integration durch Bildung hat für mich große Bedeutung: Unsere Gesellschaft kann es sich gerade in Zeiten des Schülerrückgangs nicht erlauben, auf die Fähigkeiten und Talente junger Menschen mit Migrationshintergrund zu verzichten. Wir müssen in enger Zusammenarbeit mit den Elternhäusern jedes einzelne Kind bestmöglich unterstützen.“

(Hartmut Möllring [CDU]: Das machen wir doch ununterbrochen!)

Das ist ein Zitat aus der Presseerklärung von Minister Althusmann. Man muss nur tun, was man sagt. Das wollen Sie offensichtlich nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Frau Ernst von der CDU-Fraktion hat Gelegenheit zur Antwort. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann noch einmal aufzählen, was wir alles auf den Weg gebracht haben.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Lieber nicht!)

Ich kann noch einmal sagen, dass wir den Antrag nicht brauchen, sondern dass die Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP längst daran arbeiten, das, was Sie eben aus der Presseerklärung des jetzigen Kultusministers vorgelesen haben, auch durchzusetzen. Wenn Sie, Herr Bachmann, immer wieder auf der Sprachförderung herumreiten, dann sage ich Ihnen allen Ernstes: Sie waren ebenso wie ich dabei. Sie haben es zwar auf den Weg gebracht, aber: Ohne Moos nichts los! Sie haben es doch überhaupt nicht finanziert! Das mussten wir machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Weil Sie bedauerlicherweise seit 2003 re- gieren! Sonst hätten wir es gemacht! - Gegenruf von Heinz Rolfes [CDU]: Schrei nicht so rum!)

Es hat doch überhaupt keinen Sinn, das alles aufzurechnen. Wir haben die Gelder dafür eingesetzt. Das ist uns bei der Nettoneuverschuldung von fast 3 Milliarden Euro, die Sie uns hinterlassen haben, schwer genug gefallen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen noch einmal: Auch ohne dass wir hier ein Konzept haben, sind wir auf einem guten Weg. Wir arbeiten daran und werden auch Erfolge aufzeigen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Kein Plan, kein Konzept, aber ein guter Weg!)

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE vor. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag von Bündnis 90/Die Grünen wurde lange oder mit Pausen im Ausschuss und in der Integrationskommission beraten. Gestellt wurde er im November 2008. Als Ergebnis liegt nun die negative Ausschussempfehlung vor.

Die Tatsachen bleiben aber bestehen. Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien sind in unserem Bildungssystem in hohem Maße Benachteiligung und Diskriminierung ausgesetzt. Insofern ist dieser Antrag richtig und notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Stellungnahme der Migrantenverbände aus der Integrationskommission, z. B. auch aus der Anhörung der Grünen, sind bekannt, und sie sind eindeutig. Sie sind alle sehr eindeutig pro den Forderungen des Antrags. Was mich erschreckt, ist die Ignoranz, mit der diese Stellungnahmen letztendlich in den Beratungen vom Tisch gewischt wurden. Typisch waren wieder nur solche Antworten wie: „Wir tun doch schon so viel. Denken Sie an Sprachunterricht.“ Meine Vorrednerin hat bewiesen, wie die Antworten aussehen.

(Ursula Ernst [CDU]: Das stimmt ja auch!)

Ich bestreite nicht die Bemühungen der Landesregierung um Sprachunterricht, aber das allein reicht nicht aus.

(Zustimmung von Filiz Polat [GRÜNE])

Die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Frau Honey Deihimi, hat im Ausschuss die Schwerpunkte der Landesregierung beschrieben: tatsächlich Sprachunterricht, Elternarbeit, Lotsenprogramme, interkulturelle Kompetenz. Alles das ist wichtig und notwendig; das wird auch in diesem Antrag gesagt. Wir brauchen Änderungen in der Lehrerausbildung, wir brauchen tatsächlich mehr Migrantinnen und Migranten in den Berufen der Lehrer und der Erzieher. Natürlich sind auch spezielle Werbemaßnahmen notwendig, um Menschen dafür zu gewinnen.

Aber wo bleiben die Antworten auf die Fragen z. B. nach den Auswirkungen der fatalen Schullaufbahnempfehlungen oder auf die Frage, warum 2,5mal mehr Kinder aus Migrantenfamilien ohne Abschluss in unserem Schulsystem bleiben? Es ist ein Skandal, dass immer wieder Kinder aus Migrantenfamilien auf Förderschulen abgeschoben werden, an denen der Prozentsatz dieser Kinder doppelt so hoch ist. Das ist ein Armutszeugnis für unser angebliches Bildungsland Niedersachsen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung bleibt auch die Antwort auf die Frage schuldig, wie Chancengleichheit in unserem gegliederten Schulsystem überhaupt verwirklicht werden kann.

(Ursula Ernst [CDU]: Das musste ja auch gesagt werden!)

Meine Damen und Herren, man kann nicht über Chancengleichheit für Kinder aus Einwandererfamilien reden, ohne über die Schulstruktur zu sprechen. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gibt Lösungsansätze für die gestellten Fragen. Einer davon ist: Weg vom gegliederten Schulsystem hin zu längerem gemeinsamen Lernen in gebundenen Ganztagsschulen. - Das können wir nur unterstützen.

Noch ein Wort zum Sprachunterricht: Es geht nicht nur um Deutschunterricht. Gute Deutschkenntnisse sind auch vom muttersprachlichen Unterricht abhängig. Nur wer eine hohe sprachliche Kompetenz in der Muttersprache entwickelt, wird auch Deutsch als zweite Sprache gut beherrschen. Deshalb fordern wir dringend mindestens acht Jahre herkunftssprachlichen Unterricht.

Meine Damen und Herren, die Maßnahmen der Landesregierung reichen bei Weitem nicht aus, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Der Antrag bietet gute Lösungsansätze. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall von Ina Korter [GRÜNE])

Deutschland ist ein Einwanderungsland, und wir haben die Pflicht, in unserem Bildungssystem gleiche Chancen auch für Kinder aus Einwandererfamilien zu bieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss kurz ein Wort in einer ganz anderen Sache an die scheidende Ministerin: Wir haben uns in den zweieinhalb Jahren in vielen inhaltlichen Auseinandersetzungen im Ausschuss und hier kennengelernt. Mit unseren Meinungen lagen wir natürlich meilenweit auseinander. Es gab harte Auseinandersetzungen bis hin zu mehreren Rücktrittsforderungen. Eines habe ich dabei schätzen gelernt, vor allem in den kleinen Begegnungen am Rande des Ausschusses oder hier: Sie sind mit diesen Angriffen auf eine, wie ich denke, sehr positive Art umgegangen, weil sie bei diesen kleinen Begegnungen einfach kein Thema mehr waren. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Zum Redebeitrag von Frau Reichwaldt hat sich Herr Klare zu einer Kurzintervention gemeldet. Anderthalb Minuten, bitte sehr!

Meine Damen und Herren, wir sollten noch einmal sachlich über die Sprachförderung reden, weil da sehr viele Dinge in die Welt gesetzt werden. Ich glaube, dass Sie an einer umfassenden Darstellung gar nicht interessiert sind. Im Übrigen ist es richtig, Herr Bachmann,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber die Kurzintervention ist jetzt auf Frau Reichwald!)

dass Sie einmal das Konzept aufgestellt hatten. Aber Sie haben es nicht umgesetzt. Erst Herr Busemann als Kultusminister hat die nötigen Gelder zur Verfügung gestellt und zum ersten Mal Sprachförderung für Fünfjährige eingeführt. Erstens gibt es Sprachförderung für Dreijährige, die Sie gefordert haben, heute schon, und zweitens gibt es Sprachförderung ein Jahr vor dem Beginn der Grundschule. Über 600 Lehrer arbeiten mit großem Erfolg in dieser Sprachförderung, und wir haben festgestellt, dass schon nach relativ kurzer Zeit die Rückstellungsquoten sich erheblich verringern. Wir haben, bundesweit einmalig, Kerncurricula für Sprachförderung im muttersprachlichen Unterricht an Grundschulen für 17 Sprachen. Das haben andere Länder nicht. Ich kann nur sagen: Die Vielfalt der Sprachförderung ist der Eingang in eine gute Integration, und das werden wir fortführen.