Protocol of the Session on March 16, 2010

Professor Dollase empfiehlt in seinem Gutachten 250 Schulpsychologen für Niedersachsen, die orts- und schulnah organisiert sein müssen. Wir gehen weiter. Langfristiges Ziel muss es sein, dass sich ein Schulpsychologe im Durchschnitt um etwa vier Schulen kümmert. Derzeit sind es fast 90. Hochgerechnet entspräche unsere Forderung 800 Psychologen.

Schulpsychologie darf sich nicht auf systemische Arbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen beschränken. Ihre Tätigkeit kann nicht gegen die Aufgaben von Beratungslehrern, Sozialarbeitern oder Klassenlehrern aufgerechnet werden. Notwendig ist vielmehr, dass alle diese Professionen im System Schule mit allen ihren verschiedenen Aufgaben kontinuierlich zusammenarbeiten. Unter anderem diese konkrete Zusammenarbeit im Beratungsbereich macht skandinavische Schulsysteme unserem Bildungssystem so überlegen.

Wie in vielen anderen Bereichen darf die Umsetzung eines solchen Konzeptes nicht an den knappen Ressourcen scheitern. Aber was ist realistisch sofort möglich? - Hier setzt der Antrag der SPDFraktion an: die sofortige Einstellung von 60 Schulpsychologen. Ich halte das für eine umsetzbare Forderung. Wir können sie nur unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Weiterhin fordert der Antrag richtigerweise ein Konzept für die regionale Verteilung und Planungssicherheit. Nun sollte man meinen, die frappierenden Zahlen zur derzeitigen Versorgung sollten auch die Regierungsfraktionen dazu bringen, die Forderungen dieses Antrages zu unterstützen. Leider zeigten die Ausschussberatungen wieder einmal anderes. Ich bedaure das sehr, umso mehr, da in den letzten Tagen differenziertere Meinungen zur Beratungssituation in Niedersachsens Schulen in der Presse zu lesen waren.

Meine Damen und Herren aufseiten der CDU und der FDP, 38 Schulpsychologen für Niedersachsen - das hat mit schulpsychologischer Versorgung nichts zu tun. Auch die in Aussicht gestellte kleine Aufstockung bei der Landesschulbehörde wird nichts ändern. Ich lasse auch nicht gelten, wir hät

ten ein gut ausgebautes Beratungssystem. Schulpsychologen haben andere Aufgaben. Fassen Sie sich ein Herz und weichen Sie von der eigenen Ausschussempfehlung ab! Die Linke wird diesem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Klare, ich erteile Ihnen für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Poppe, ich bedaure ein wenig die Schärfe, die Sie in die Debatte gebracht haben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war sachgerecht!)

- Wir werden gleich darüber reden. - Ich versuche, auch meinen Teil beizutragen, weil ich fest davon überzeugt bin - darin sind wir uns wohl einig -, dass die schulpsychologische Beratung in Niedersachsen einen sehr guten Ruf genießt und dass auch unter den eingeschränkten Bedingungen - relativ wenige Schulpsychologen - diejenigen, die tätig waren, sehr gute Arbeit geleistet haben. Das merkt man daran, dass immer dann, wenn Schulpsychologen ausgeschieden sind, Eltern große Unterschriftenaktionen durchführen, um neue Schulpsychologen zu bekommen.

Wir sind dankbar für die über Jahre hinweg geleistete Arbeit in Form schulpsychologischer Hilfe für einzelne Kinder, für die Beratung von Lehrkräften und die Information von Eltern. Ich glaube, dass dort mit den Schulpsychologen sehr gute Voraussetzungen geschaffen worden sind. Wenn wir weitergehen und die Schulpsychologie auch in Zukunft leistungsfähig halten wollen, dann brauchen wir selbstverständlich mehr Personal, mehr Schulpsychologen in unseren Schulämtern.

Meine Damen und Herren, sie haben Einzelfall- und Systemberatung durchgeführt. Das heißt, sie haben Schulen informiert, Kollegien weitergebildet und sich an der Aus- und Weiterbildung unserer Beratungslehrer beteiligt. Das werden sie nach den Konzepten, die im Kultusministerium zurzeit angedacht werden, auch weiterhin tun, wobei die Einzelberatung sicherlich zugunsten der Systemberatung etwas zurückgestellt werden muss. Das ist in den Beiträgen der Kollegen, glaube ich, auch deutlich geworden.

Ich sage es noch einmal: Wenn wir die Funktionsfähigkeit verbessern wollen, dann brauchen wir mehr Schulpsychologen.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Dann stimmen Sie doch zu!)

Auch die CDU-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass mehr Schulpsychologen eingesetzt werden. Eines muss ich an dieser Stelle aber auch sagen: Wenn sehr sensibel über Amokläufe wie den in Winnenden gesprochen wird, dann kann man, meine ich, nicht den Schluss ziehen, dass solche Amokläufe umso eher verhindert werden, je mehr Schulpsychologen wir haben.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das hat Herr Poppe auch nicht gesagt!)

- Ich will ja nur davor warnen, solch einfache Schlüsse zu ziehen.

Mir ist es wichtig, dass wir Schulpsychologen einstellen, aber auch unsere Lehrkräfte hinsichtlich Diagnosefähigkeit und Beobachtungsfähigkeit besser schulen - das können sie nämlich im Moment so noch nicht -, damit sie bei sich verändernden Kindheiten schon im Vorfeld reagieren und eingreifen können.

Herr Poppe, da haben Sie recht: Veränderte Kindheiten, mehr Verhaltensauffälligkeiten, mehr Mobbing, mehr Gewalt und das, was es sonst noch an Schulen gibt, verlangen, dass wir auch in diesem Bereich tätig werden. Wir spielen doch nicht die einen gegen die anderen aus. Unser Unterstützungs- und Beratungssystem zeichnet sich dadurch aus, dass wir einerseits Schulpsychologen, andererseits aber knapp 1 400 Beratungslehrer sowie eine große Vielzahl gut ausgebildeter Lehrkräfte an den Schulen haben, die dort ihre Tätigkeit ausüben. Darüber hinaus haben wir über all die Jahre auch Schulsozialarbeiter eingesetzt, die diese Arbeit verstärkt haben. Dies alles zusammen macht das Beratungssystem aus. Dieses Beratungssystem werden wir in Zukunft ausweiten.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, was den vorliegenden Antrag anbelangt, kann ich Ihnen sagen: Wenn die Konzeption für die Landesschulbehörde fertig ist, wird entsprechend den Zusagen des Kultusministeriums auch die Konzeption für die Schulpsychologen folgen. Wenn ich mich recht erinnere, wird an dieser Konzeption zurzeit gearbeitet, sodass sie

in Kürze zu dem angekündigten Zeitpunkt veröffentlicht werden kann.

Was die im zweiten Teil geforderte Aufstockung des Personals angeht, kann ich mich damit anfreunden, dass man sagt: In den einzelnen Außenstellen der Landesschulbehörde - dort gehören sie nämlich hin - brauchen wir drei oder vier Schulpsychologen. In den großen Außenstellen brauchen wir natürlich einige mehr, weil dort auch mehr Schülerinnen und Schüler vorhanden sind. Die Schulpsychologen werden nach und nach behutsam eingestellt. Ich kann mir vorstellen, dass wir jedes Jahr einen Teil der Lehrerstellen in Stellen für Schulpsychologen umwidmen, sodass jeder einzelne Standort der Landesschulbehörde mit drei oder vier Schulpsychologen ausgestattet sein wird. Diese Zahl wird angesichts der anderen Fachleute ausreichen.

(Beifall bei der CDU - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Zu den Standorten, Herr Präsident, sage ich noch einmal Folgendes: Es ist vorgesehen, diese Stellen bei den Landesschulbehörden anzusiedeln, damit die Zusammenarbeit zwischen den schulfachlichen Dezernenten und den schulpsychologischen Dezernenten viel besser funktioniert. Das geht besser, wenn sie in einer Behörde zusammengefasst sind und sich sowohl um die Einzelfälle als auch um die systemische Beratung kümmern können.

(Beifall bei der CDU)

Herr Poppe, ich sage es noch einmal: Natürlich haben Sie angefangen. Das haben Sie auch gesagt. Auch das gehört zur Wahrheit. Die einen sagen: Wir sind da jungfräulich, und wir haben nur die guten Ideen. - Sie haben es zugestanden. Aber es ist richtig: Es ist an der Zeit, mehr zu machen. Die Landesregierung ist auf gutem Wege. Alle Forderungen, die in Ihrem Antrag enthalten sind, werden erfüllt oder stehen kurz davor, erfüllt zu werden.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Dann stimmt doch zu!)

Deshalb kann ich es Ihnen nicht ersparen zu sagen: Wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil alles das, was Sie fordern, weitestgehend umgesetzt wird. Das ist unsere Position dazu. Wir werden jetzt aber gemeinsam darauf achten, dass da tatsächlich etwas passiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen vor. Zunächst Herr Poppe und dann Frau Korter. Herr Poppe, Sie haben anderthalb Minuten. Bitte sehr! - Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Herr Kollege Klare, Sie haben sich über eine gewisse Schärfe meinerseits gewundert. Diese Schärfe ist aber - was meines Erachtens sehr verständlich ist - Ergebnis der letzten Sitzung des Kultusausschusses - ich kann das auch jetzt nicht anders wiedergeben -, in der unser Antrag mit der Begründung abgelehnt worden ist, dass er völlig richtig sei. Dieses Vorgehen erschließt sich mir einfach nicht. Sie sagen: Alle Forderungen sind in Ordnung. - Ich habe Ihrer Rede kein einziges Argument entnommen, mit dem Sie Ihre Ablehnung begründen könnten.

Ich nehme jetzt etwas Schärfe heraus, Herr Kollege. Sie haben davon gesprochen, dass eine noch so hohe Zahl von Schulpsychologen ein Katastrophenereignis wie das von Winnenden nicht verhindern kann. Dazu ein Zitat aus dem Beschluss des Landtags von Baden-Württemberg, den ich eingangs erwähnt habe. Dieser Beschluss nimmt das ganz wörtlich auf:

„Dem Sonderausschuss war von Beginn an klar, dass es realistischerweise nicht möglich sein wird, künftig Amokläufe völlig zu verhindern, so wünschenswert dies natürlich wäre … Zielsetzung … war es vielmehr, Wege aufzuzeigen, um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass Amokläufe zukünftig weniger wahrscheinlich werden.“

Das genau ist die Zielsetzung unseres Antrags. Ich sage noch einmal: Sie sollten und können ihm zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort zur nächsten Kurzintervention erteile ich Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klare, Sie haben sich hier

darauf bezogen, dass Herr Poppe und auch ich gesagt hätten, dass Beratungslehrkräfte, Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften. Das haben Sie bzw. Ihr Ministerium aber immer getan. Immer dann, wenn wir nach der Besetzung der Stellen für Schulpsychologen gefragt haben, wurde uns gesagt: Die Schulpsychologen sollen nur noch Multiplikatoren ausbilden oder sich nur noch um Multiplikatoren kümmern, nicht mehr aber um Einzelfälle an den Schulen oder um Krisenintervention. - Das ist vor dem Hintergrund solcher Vorkommnisse wie den Gewalthandlungen, die gefilmt und ins Internet gestellt worden sind, wirklich fragwürdig. Dass so etwas passiert ist, war ja schon schlimm genug.

Deshalb haben wir im Ausschuss und in Anfragen schon mehrfach deutlich gemacht: Nur dann, wenn wir genügend Schulpsychologen haben, können wir Beratungslehrkräfte für alle Schulen ausbilden. Bisher gibt es nur an 40 % unserer Schulen Beratungslehrkräfte. Es gibt eine riesige Nachfrage nach dieser Ausbildung. Trotzdem stellt die Landesregierung nicht genügend Möglichkeiten bereit, dieser Nachfrage zu entsprechen. Ich habe es eben schon angesprochen: Ihre Landesregierung hat die Zahl der Beratungsstunden von fünf auf drei reduziert. - Das heißt: Kolleginnen und Kollegen, die zwei Jahre lang aufwendig und teuer gut ausgebildet worden sind, dürfen nur drei Stunden beraten, obwohl der Bedarf viel größer ist.

(Glocke des Präsidenten)

Das haben Sie doch in der Hand. Geben Sie hier wenigstens ein Signal, dass Sie in diesem Bereich tätig werden wollen! Sich dem Problem einfach nur mit einer Ablehnung - - -

(Der Präsident schaltet das Mikrofon am Redepult ab)

Vielen Dank, Frau Korter. - Der Herr Kollege Klare möchte antworten. Ich erteile ihm das Wort ebenfalls für anderthalb Minuten.

Herr Poppe, Ihr Antrag enthält vier Forderungen. Erstens soll ein umfassendes Konzept vorgelegt werden. - Das passiert und wird in nächster Zeit veröffentlicht.

Zweitens soll dieses Konzept auch die regionale Verteilung und die Standorte der künftigen schul

psychologischen Beratungsdienste berücksichtigen. - Wie ich erklärt habe, passiert auch das und wird im Konzept dargestellt: an die Außenstellen der Landesschulbehörde.

Drittens fordern Sie einen Mindestansatz von umgehend 60 neuen Stellen. - Ich habe hier keine Zahlen, sondern nur Anhaltspunkte genannt. Es gibt mehr Stellen. Also: Antrag erfüllt. Damit braucht er hier gar nicht weiter behandelt zu werden.