Protocol of the Session on February 16, 2010

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was? Unglaublich! Jetzt reicht es hier aber! Wir müssen uns doch nicht jeden Blödsinn anhören! Das ist eine Unver- schämtheit hier! - Weitere Zurufe)

Wenn Sie unseren Gesetzentwurf für unnötig halten - - -

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist eine Unverschämtheit!)

Herr Kollege, ich möchte Sie ernsthaft bitten, Ihre Formulierung, die Sie eben gewählt haben, zu

korrigieren, weil sie im Ergebnis einen Vorwurf enthält, der so nicht akzeptabel ist.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist unglaublich!)

Herr Präsident! Artikel 26 ist juristisch eindeutig. Meines Wissens ist der Krieg in Jugoslawien, der im Jahr 1999 u. a. von Deutschland entfesselt worden ist, ein Angriffskrieg gewesen. Auch das, was gerade in Afghanistan passiert, ist ein Angriffskrieg. Insofern muss ich hier nichts korrigieren.

(Widerspruch bei der CDU)

Frau von Below-Neufeldt, Sie haben im Kern gesagt, dass unser Gesetzentwurf unnötig sei, weil er bereits durch diesen Artikel des Grundgesetzes abgedeckt sei. Wenn dem so ist, dann verstärkt unser Zivilklauselantrag doch nur noch die Wirkung des Grundgesetzes. Das ist doch auch das Ziel. Die verfassungsrechtliche Debatte besagt eindeutig: Eine Zivilklausel ist die Fortsetzung der Friedensfinalität, die uns unser Grundgesetz vorschreibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Erzählt das doch an- derswo! Erzähl das in deiner Studen- tenverbindung!)

Frau von Below-Neufeldt, möchten Sie Stellung nehmen? Sie müssen es nicht. - Für die FDPFraktion nimmt der Kollege Grascha Stellung. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Perli, ich möchte für meine Fraktion in aller Form zurückweisen, dass wir in irgendeiner Form einem Angriffskrieg von deutschem Boden oder vom Boden eines anderen Landes aus zugestimmt hätten.

(Victor Perli [LINKE]: Afghanistan? Kosovo?)

Das weise ich für meine Fraktion in aller Form zurück.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Übrigen steht es mir nicht zu, die Form Ihres Vortrags zu kritisieren; denn das ist Sache des Präsidiums. Wir möchten Sie aber auffordern, mit Ihren Worten zukünftig sorgsamer umzugehen und sich hier wie ein Demokrat zu verhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile jetzt der Kollegin Hartmann das Wort.

(Björn Thümler [CDU]: Jetzt mal schön zuhören! Jetzt können Sie et- was lernen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Perli, ich möchte Sie gleich zu Beginn ansprechen. Ihr heutiger Vortrag hat bestätigt, warum wir bestimmte Anträge nicht mehr im Detail beraten möchten.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der LINKEN)

Mit bestimmten Anträgen verfolgen Sie das Ziel, hier im Landtag bestimmte Feindbilder zu produzieren, die überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Keine Selbstgesprä- che! Keine Selbstgespräche! - Glocke des Präsidenten)

Nun möchte ich mich in der Debatte aber auch inhaltlich wehren.

(Unruhe)

Das Wort hat jetzt die Kollegin Hartmann!

Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes lautet:

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Dieses verfassungsrechtlich verbriefte Freiheitsrecht stellt in der gesellschaftlichen Entwicklungsgeschichte eine wesentliche Grundlage unseres Fortschritts dar. Die Wissenschaftsfreiheit als Bestandteil der Aufklärung ist heute ein geachtetes Rechtsgut. Sie erlitt im Laufe der Verfassungsgeschichte jedoch einige Rückschläge. Die Karlsbader Beschlüsse - das ist gerade in unserem Bun

desland von ganz besonderer Bedeutung - und gerade die Amtsenthebung der Göttinger Sieben, deren Denkmal nur wenige Meter von hier entfernt steht,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Noch, noch!)

sind hier zu nennen.

(Beifall bei der CDU)

Nach der Versammlung in der Paulskirche erhielt die Wissenschaftsfreiheit Eingang in die Reichsverfassung und später auch in die Weimarer Verfassung. Unter der Nazidiktatur wurde die Freiheit der Forschung und Lehre erneut eingeschränkt, und Forschung und Lehre wurden für die menschenverachtenden Ziele des damaligen Naziregimes genutzt.

(Zurufe von der SPD und von der LINKEN)

- Seien Sie doch einfach einmal etwas entspannter! Sie müssen sich nun einmal daran gewöhnen, dass ich hier ab und zu rede. Das ist mein gutes Recht.

(Beifall bei der CDU - Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Wir sind hier immer entspannt!)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich mich jedes Mal aufregen würde, wenn Sozialdemokraten reden, hätte ich am Tag viel zu tun. Seien Sie insofern einfach ein bisschen entspannt.

Ich möchte die Verfassungsgeschichte jetzt nicht weiter vertiefen. Gelegentlich lohnt sich aber ein Blick in die Bücher.

Der Umkehrschluss heißt jedoch nicht, dass Wissenschaft völlig losgelöst von ethischen Fragestellungen handeln kann. Wissenschaftsfreiheit findet ihre Beschränkung dort, wo andere Verfassungsgüter berührt sind. Die akademische Selbstverwaltung als eigenes Grundrecht der Hochschulen erfährt ihre autonome Selbstbeschränkung durch eingesetzte Ethikkommissionen und durch übergeordnete ethische Standards der Wissenschaftsgemeinde.

Hochschulautonomie heißt aber auch das negative Recht, gewisse Bereiche aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht zu erforschen, weil Wissenschaftler zu dem Ergebnis kommen, dass dies im Sinne der Wissenschaftsethik nicht verantwortbar ist.

Forschung und Wissenschaft sind nun einmal häufig in ihren Ergebnissen nicht vorhersehbar. Daher ist nicht von Beginn der Entscheidung über ein Forschungsprojekt an erkennbar, welche ethischen Aspekte die Ergebnisse aufwerfen können. Die Ergebnisse sind gelegentlich auch nicht eindeutig in einem Rahmen der Verantwortungsethik zu kategorisieren, weil sie positiven und negativen Nutzen zugleich haben können.

Friedrich Dürrenmatt schreibt in seinen Thesen zu seiner Groteske „Die Physiker“: „Alles Denkbare wird einmal gedacht.“ Dies lässt sich in der Wissenschaftsgeschichte vielfach und immer wieder aufs Neue belegen. Wenn alles Denkbare einmal gedacht werden kann, so stellt sich für mich die Frage: Wird alles Machbare einmal gemacht?

Der wesentliche Aspekt dieser Debatte kann meines Erachtens nicht darin bestehen, zu versuchen, die Wissenschaftsfreiheit durch das Hochschulgesetz einzuschränken - auch deshalb nicht, weil dies, wie heute deutlich geworden ist, automatisch mit der Frage verbunden ist, wo die inhaltlichen Abgrenzungen der Einschränkungen liegen.

Dürrenmatt schreibt in seinen Thesen zu „Die Physiker“ auch: „Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkungen alle Menschen. Was alle angeht, können nur alle lösen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die entscheidende Frage ist, ob wir uns im Rahmen eines dauerhaften und engagierten Diskurses in Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Medien immer wieder vergewissern, ob alles von Menschenhand Machbare auch gemacht werden darf, ob alles, was zum Erkenntnisgewinn der Wissenschaft möglich ist, im Rahmen einer Verantwortungsethik verantwortbar ist.

Wir haben diese Fragen schon häufig diskutiert. Die Forschung mit embryonalen Stammzellen wurde hier bereits genannt.

Es gibt weder einen aktuellen Anlass zum Zweifeln am verantwortlichen Handeln unserer Wissenschaftler in Niedersachsen noch einen unter Verfassungsgesichtspunkten zu rechtfertigenden Grund, das Hochschulgesetz im Sinne des vorliegenden Gesetzentwurfs der Linken zu ändern.