Protocol of the Session on December 15, 2009

Wir sind uns dabei ganz sicher: Unsere Schiedsfrauen und Schiedsmänner, unsere Gerichte und die betroffenen Parteien werden es uns danken.

Ich danke Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Weddige-Degenhard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, dass wir Sie jetzt noch mit diesem Gesetzentwurf quälen müssen. Aber es ist doch ein wichtiges Thema. Deswegen können wir nicht ganz darauf verzichten.

„Nur ein Sieg, bei dem es keine Besiegten gibt, ist wirklich ein Sieg“ oder „Schlichten ist besser als Richten“ könnte als Maxime über der Arbeit der Schiedsmänner und Schiedsfrauen stehen. Ich will es nicht unnötig ausweiten - die Arbeit der Schiedsmänner und Schiedsfrauen ist eine wirklich wichtige. Dies haben wir in der ersten Beratung schon deutlich gemacht. Die durch das vorliegende Gesetz geschaffenen neuen Möglichkeiten der verpflichtenden - - -

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Die neuen Möglichkeiten der verpflichtenden Einschaltung einer Schiedsperson können die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements verstärken. Sie ermöglichen eine neue Streitkultur mit dem Schwerpunkt der Konfliktvermeidung und der selbstverantwortlichen Konfliktbereinigung. Dazu gehört jedoch auch eine Öffentlichkeitskampagne, meine Kolleginnen und Kollegen; denn leider ist

vielen Bürgerinnen und Bürgern im Lande nicht bekannt, dass es eine Schiedsfrau bzw. einen Schiedsmann in ihrem Heimatort gibt. So weit sind wir uns ja auch fraktionsübergreifend einig.

Anhörungen dienen insbesondere bei Gesetzesberatungen dazu, Sachverstand aus der Praxis in die Beratungen einzubeziehen. Nur, man muss dann auch auf die Fachleute hören. Dies hat der Ausschuss getan, aber eben nur zum Teil. Der Ausschuss hat eine kleine Anhörung zu der neu in die Aufgaben der Schiedspersonen aufgenommenen Einbeziehung des zivilrechtlichen Teils bei Ansprüchen nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes durchgeführt. Dieses allgemein als Antidiskriminierungsgesetz bekannte Gesetz gibt es in Deutschland seit drei Jahren. Es soll im beruflichen und im privaten Bereich vor Benachteiligungen in Bezug auf Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter - und zwar jedes Lebensalter - und sexuelle Identität schützen.

Die Anhörung hat gezeigt, dass von der Deutschen Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht und der Antidiskriminierungsstelle in Hannover, die bereits auf zehn Jahre Erfahrung in der kommunalen Beratung zurückgreifen kann, wichtige Erfahrungen gesammelt worden sind, die auch uns als SPDFraktion davon überzeugt haben, dass dieser Bereich nicht in das Aufgabengebiet der Schiedsmänner und Schiedsfrauen gehört.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Gründe dafür möchte ich Ihnen kurz nennen:

Erstens ist die Zahl der Fälle nach dem zivilrechtlichen Teil des AGG - wohlgemerkt: der arbeitsrechtliche Teil steht hier nicht zur Diskussion - sehr gering. Ergo fällt eine Entlastung der Gerichte, die durch dieses Gesetz erreicht werden soll, nicht ins Gewicht.

Zweitens sind die auftretenden Fälle struktureller Natur und daher nicht mit Nachbarschaftsstreitigkeiten vergleichbar. Beispiele dafür sind die Verweigerung des Zugangs zu Diskotheken, Bars oder Fitnessclubs, die Verweigerung von Mietverträgen auf dem Wohnungsmarkt wegen Religion oder Herkunft oder die Verweigerung einer Kontoeröffnung wegen der Herkunft oder des Aufenthaltsstatus. Sie können sich sicherlich Fälle in diesem Bereich vorstellen; das muss ich nicht näher ausführen.

Bei den genannten Beispielen handelt es sich um die Geschäftspolitik von Firmen und nicht um ein persönliches Fehlverhalten Einzelner. Schiedsverfahren sind nicht öffentlich. Diskriminierende Geschäftspolitik gehört jedoch in die Öffentlichkeit, also auch vor Gericht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nur so entfaltet das AGG seine Präventionswirkung. Eine Verlagerung derartiger Fälle in das Gesetz zur obligatorischen Streitschlichtung wird dem Ziel des Antidiskriminierungsgesetzes, dem gesellschaftlichen Ziel der Gleichbehandlung aller Menschen, nicht gerecht. Deshalb lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Kollege Limburg zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Vorzüge einer Streitbeilegung außerhalb eines Gerichtsverfahrens ist hier schon sehr viel gesagt worden. Aber ich möchte auf diesen Aspekt noch etwas differenzierter eingehen.

Herr Kollege Adasch, Sie haben hier Beispiele aus dem Bereich der gerichtsinternen Mediation vorgebracht. Das ist grundsätzlich nicht verwerflich; wir unterstützen dies auch. Aber wir Grünen fordern ganz besonders einen massiven Ausbau der außergerichtlichen Mediation, also der Mediation, die gar nicht an Gerichten stattfindet, die nichts mit Richterinnen und Richtern zu tun hat, sondern die in der Regel in ehrenamtlichen Vereinen stattfindet, die sich mit Mediation beschäftigen. Die Erfahrungen zeigen, dass es diese außergerichtlichen Mediationsverfahren sind, die dem eigentlichen Kerngedanken der Mediation, fern von den normalen rechtlichen Ritualen in einer Gesprächskultur zu einer Lösung zu kommen, am nächsten kommen und die am wirksamsten sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das meiste hat meine Kollegin Weddige-Degenhard schon ausgeführt. Deswegen kann ich es im Übrigen ganz kurz machen. Wir befürchten, dass dieses Gesetz zu einer massiven Entwertung des zivilrechtlichen Teils des Allgemeinen Gleichbe

handlungsgesetzes führen wird. Sie haben angesprochen, dass der Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen Ihren Gesetzentwurf unterstützt hat. Das stimmt. Sie haben aber verschwiegen, Herr Kollege Adasch, dass es in der mündlichen Anhörung zwei Beiträge und in der schriftlichen Anhörung weitere gab, die den Gesetzentwurf in diesem Teil ganz massiv kritisiert haben.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Nein!)

- Doch, Herr Professor Zielke.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Vier von sechs waren dafür, zwei waren dagegen!)

- Das ist immerhin doppelt so viel, wenn ich richtig rechne. Sie als Mathematiker müssten das wissen.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Nein, nein, umgekehrt!)

- Verdrehen Sie das bitte nicht, Herr Zielke! - Die Anhörung hat also ergeben, dass die Mehrzahl der Anzuhörenden die Einbeziehung des AGG ganz klar kritisiert. Ich möchte Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, warum es so wichtig ist, diesen Bereich, wie Frau Weddige-Degenhard es dargestellt hat, in einem öffentlichen Verfahren zu klären: Wir hatten in der Anhörung Beispiele von ausländischen Geschäftsleuten mit dunkler Hautfarbe, denen hier ein Hotelzimmer oder der Zugang zu einem Restaurant oder auch zu einer Diskothek verweigert wird. Sollen diese Leute, die sich ohnehin nur für einen begrenzten Zeitraum in Deutschland aufhalten und die eigentlich auch gar nichts weiter mit dem Hotel, dem Restaurant oder der Diskothek zu tun haben wollen, außer dass sie dort gefälligst eingelassen werden wollen, dann von Ihnen in ein umständliches obligatorisches Streitschlichtungsverfahren gezwungen werden, bevor sie ihre legitimen zivilrechtlichen Ansprüche geltend machen können? - Das kann doch nicht ernsthaft Ihre Position sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Der wichtigste Aspekt ergibt sich aber, wenn man die Geschichte des AGG und auch schon der Antidiskriminierungsrichtlinie auf Europaebene betrachtet. Konservative Parteien in Europa und auch die CDU in Deutschland als an der Bundesregierung beteiligte Partei haben das von Anfang an

massiv kritisiert und bekämpft. Insofern ist das jetzt die logische Fortsetzung Ihrer Obstruktionspolitik auf Bundesebene. Sie versuchen, die Fälle des AGG, die Fälle von struktureller Diskriminierung, außerhalb der Öffentlichkeit zu halten, weil Sie eine öffentliche Debatte über diesen Bereich fürchten und hier nicht haben wollen. Meine Damen und Herren, das ist das Bedauerliche.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir werden aus den von mir genannten Gründen dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, obwohl wir in den anderen Punkten mit den Koalitionsfraktionen ausdrücklich übereinstimmen: Die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung kann natürlich zu einer Entlastung der Gerichte führen und positive Aspekte haben. Aber aus den genannten Gründen im Zusammenhang mit dem AGG können wir nicht zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Limburg. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Adler zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hätten durchaus die Chance gehabt, den größten Teil dieses Gesetzentwurfes hier einstimmig zu verabschieden. Das hätte natürlich vorausgesetzt, dass die Fraktionen von CDU und FDP in einem Punkt ein bisschen nachgegeben hätten, nämlich in dem Punkt, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für die hier vorgesehene Vereinfachung des Verfahrens, also für die Entlastung der Gerichte, die mit dem Schiedsverfahren verbunden ist, eigentlich überhaupt nicht geeignet ist. Aber an diesem Punkt wollten Sie nicht nachgeben. Herr Kollege Limburg hat die Motive, die dafür wahrscheinlich ausschlaggebend waren, genannt.

Erinnern wir uns doch an die Debatte um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Bundestag! Damals hieß es, eine Prozesswelle werde auf die Bundesrepublik zukommen. Inzwischen wissen wir: Zu dieser Prozesswelle ist es nicht gekommen. Es gibt nur ganz wenige gerichtliche Verfahren. Diese Verfahren sind in der Tat so gestrickt, dass sie für das Schiedsverfahren völlig ungeeignet

sind. Wenn man aber ein Schiedsverfahren vorschaltet, von dem man von Anfang an weiß, dass es in ihm zu keiner Lösung kommen wird, dann ist es nur ein bürokratisches Hindernis, das man zusätzlich aufbaut, um demjenigen, der die Diskriminierung anprangern will, den Weg zum Gericht zu erschweren. Das ist der einzig nachvollziehbare Sinn, den es hat, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hier in den Katalog aufzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Deshalb fordere ich Sie auf, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. Wir werden dem gesamten Gesetz nicht zustimmen können, weil Sie sich in diesem einen fundamentalen Punkt so uneinsichtig gezeigt haben und nicht hören wollten, was die Sachverständigen dazu in der Anhörung gesagt haben.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat den Sinn, Diskriminierung zu verhindern. Das Gesetz läuft darauf hinaus, solche Fälle öffentlich zu machen. Das gehört in eine öffentliche Verhandlung, es gehört in einen Prozess, über den möglichst auch die Presse berichten sollte, weil solche Fälle von Diskriminierung, die hin und wieder vorkommen, angeprangert werden müssen. Gerichtsverfahren haben manchmal auch den Sinn, das öffentliche Bewusstsein zu beeinflussen. Wenn Ihnen daran liegt, Rassismus im Alltag zu verhindern - das ist eine der wichtigsten Zielsetzungen des Antidiskriminierungs- oder Gleichbehandlungsgesetzes -, dann stimmen Sie gegen dieses Gesetz!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Dörthe Weddige-Degen- hard [SPD])

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, spricht für die FDP-Fraktion Herr Professor Dr. Dr. Zielke. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner und insbesondere Herr Kollege Adasch haben die meisten Aspekte schon beleuchtet. Ich will mich auf den zentralen Punkt beschränken, in dem die Auffassungen von Opposition und Vernünftigen - nämlich uns - besonders weit auseinanderklaffen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist aber grenzwertig!)

Es geht um die Einbeziehung von Ansprüchen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung. Wie hochbrisant ist das tatsächlich? - In der Anhörung haben wir erfahren, dass es in den letzten drei Jahren weniger als zehn Gerichtsverfahren wegen entsprechender Verstöße gegeben hat. Nun ist die geringe Fallzahl weder ein Argument für noch gegen ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren. Sie von der linken Seite des Hauses argumentieren, Verstöße gegen das AGG seien moralisch derart verwerflich, dass sie in jedem einzelnen Fall sofort an die Öffentlichkeit gehörten und in einem Gerichtsverfahren angeprangert gehörten. - Kleine Nebenbemerkung: Nicht Anprangern ist der primäre Zweck von Gerichtsverfahren, sondern Wahrheitsfindung und Rechtsfrieden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)