Sie wollen jeden Streit ums AGG so hoch wie möglich hängen, um der angeblichen präventiven Wirkung willen. Eine ganz andere Auffassung vertritt der Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen in seiner Stellungnahme zu unserem Gesetzentwurf. Ich zitiere:
„Dass durch die obligatorische Vorschaltung die … Fälle zunächst in ein prinzipiell nicht öffentliches Verfahren … geleitet werden, ist ein weiteres Positivum des vorgelegten Entwurfs. Sicherlich werden darunter auch Fälle menschlicher Diskriminierung sein, die unter allgemein übergeordneten Gesichtspunkten nach öffentlicher Behandlung geradezu schreien. Aber die Frage, ob öffentlich oder nicht öffentlich verhandelt wird, sollten der oder die Diskriminierten entscheiden, nämlich die Opfer, also typischerweise die Antragsteller in diesen Verfahren.“
Kein Antragsteller ist gehindert, bei Scheitern der Schlichtung vor Gericht zu ziehen. Wenn ich Sie so gehört habe, Frau Weddige-Degenhard, dann bin ich sicher: Es werden sich zur Genüge moralisch hochstehende Nichtbetroffene finden, die die mutmaßlich Diskriminierten zum Scheitern der Schlichtung anstacheln werden.
Im Jahre 2006 ist das AGG beschlossen worden. Eine SPD-Bundesjustizministerin war es, die erst die Möglichkeit eröffnet hat, Streitigkeiten zum AGG über obligatorische Schiedsverfahren beizulegen.
Ich frage mich und Sie: Hat Frau Zypries die Brisanz des Themas, hat sie seine gesellschaftliche Dimension verkannt? - Die Antwort ist: Nein, sie hat ganz einfach nur die Gleichbehandlungsrichtlinie der EU aus dem Jahr 2000 in deutsches Recht umgesetzt. In ihr heißt es nämlich - ich zitiere -:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche … auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie … in Schlichtungsverfahren geltend machen können …“
Danke schön. - Nun spricht für die Landesregierung, die hierzu noch eine Redezeit von 2:30 Minuten hat, Herr Minister Busemann. Sie haben das Wort.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist Erschöpfung! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist Müdigkeit, Frau Präsi- dentin! Reine Müdigkeit!)
- Nein, ich fand das schon gut für diese Tageszeit. - Jetzt finde ich es noch besser. - Herr Minister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich finde ich das schade. Ich dachte, dass wir nach der ersten Beratung so weit seien, dieses nicht unwichtige Gesetz im großen Konsens beschließen zu können. Aber offenbar werden Sie beim Stichwort „Diskriminierungsgefahr“ so kopf
Grundsätzlich gehört zu einem modernen Rechtsstaat und einer modernen Rechtsprechung das Mittel der Mediation in allen Varianten, gerichtlich wie außergerichtlich. Wir sind am Thema dran. Das wird nächstes Jahr hoffentlich ja auch bundesgesetzlich geregelt. Daran sollten wir alle mitwirken.
Mit dem Gesetz von heute bringen wir zwei wichtige Anliegen voran: Zum einen geht es um den Gedanken der konsensualen Streitbeilegung, zum anderen um die Förderung des Ehrenamtes. Der Kollege Adasch hat das hier noch einmal sehr deutlich gemacht. Wenn wir jetzt in Bereichen, in denen andere Bundesländer gute Erfahrungen gemacht haben, den Versuch einer außergerichtlichen Einigung als Zugangsvoraussetzung für den Gerichtsweg vorschreiben und diese Aufgabe primär den Schiedsämtern anvertrauen, dient das beidem. Sowohl in den politischen Zielen als auch in der Umsetzung des § 15 a des Einführungsgesetzes zur ZPO sind sich alle Fraktionen seit Langem einig. Umso mehr bedauere ich es, dass die Opposition jetzt nicht zustimmen mag.
Sie will das Gesetz, wie wir eben gehört haben, letztlich nur deshalb nicht unterstützen, weil auch der dritte Abschnitt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - des AGG - einbezogen wird.
Die Opposition bringt hierzu den Öffentlichkeitsaspekt bei der Diskriminierungsprävention vor. Sie meint weiter, die Rechtsmaterie sei Neuland und zu kompliziert. Hierzu will ich Folgendes sagen: Die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union selber lässt Schlichtungsverfahren zur Beilegung der betreffenden Streitigkeiten ausdrücklich zu. Der Bundesgesetzgeber hält die obligatorische Streitschlichtung im Bereich des dritten Abschnitts des AGG für - so wörtlich - in besonderer Weise geeignet. Seinerzeit haben dem Gesetz übrigens auch und gerade SPD und Grüne zugestimmt. Deshalb wundert mich jetzt die andere Position. Auch das damalige Nein der Linken hatte wohl nichts mit Vorbehalten gegen obligatorische Streitschlichtung zu tun.
Die EU und das Bundesrecht haben also den Weg geebnet. Niedersachsen geht ihn nicht als einziges Land. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Schleswig-Holstein ist das AGG bereits in die Schlichtungsgesetze aufgenommen, in NRW übri
gens mit den Stimmen der SPD bei Enthaltung der Grünen, in Schleswig-Holstein sogar einstimmig. Besonders interessant ist die Haltung der SPD in Nordrhein-Westfalen. In der Beschlussempfehlung des dortigen Rechtsausschusses heißt es wörtlich, die Aufnahme von Ansprüchen aus dem Gleichbehandlungsgesetz verstehe die SPD als Akzeptanz des Gleichbehandlungsgesetzes durch die Landesregierung. - Warum in anderen Ländern und im Bund so, aber hier anders? Das verstehe ich nicht ganz. Nun will ich nicht so weit gehen, der hiesigen SPD-Fraktion fehlende Akzeptanz des AGG zu attestieren; denn ich will durchaus anerkennen, dass man sich mit der Materie hier ganz erheblich auseinandergesetzt hat.
Meine Damen und Herren, die Schlussfolgerung der Opposition teile ich nicht. Aufgabe des Schiedsamtes ist es doch gerade nicht, Recht zu sprechen, sondern es geht darum, eine interessen- und bedürfnisgerechte Lösung zu finden. Dafür mag das Recht eine Dimension darstellen, aber eben nur eine unter mehreren und nicht notwendigerweise die wichtigste.
Zu dem Aspekt der Öffentlichkeit: Es ist keineswegs sicher, dass es dem Diskriminierungsopfer auf die Öffentlichkeit ankommt. Im Gegenteil kann es ihm auch wichtig sein, den Interessenausgleich in einem geschützten Raum zu suchen. Die einzelnen Betroffenen mögen es unterschiedlich sehen. Es ist keineswegs gesagt, dass die Öffentlichkeit immer gleichermaßen hergestellt werden muss. In einem Schlichtungsverfahren kann das gebotene, richtige, dem Opfer angemessene Maß an Öffentlichkeit hergestellt werden. Vertrauen wir da doch einfach unseren Schiedsleuten, dass sie das vernünftig handhaben und passend und richtig machen.
Meine Damen und Herren, ich will Sie nicht über Gebühr strapazieren, aber das musste jetzt zum Rechtlichen gesagt werden.
Ich glaube, dass die ehrenamtliche, außergerichtliche Streitschlichtung ein wesentliches Element unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie ist. Es werden nicht Tausende von Fällen sein, aber doch einige, von denen wir die Justiz entlasten können. Ich denke, wir haben ein wichtiges Institut und ein gutes Gesetz, dem Sie mit Ruhe zustimmen können.
Ich schließe die allgemeine Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst zur Einzelberatung.
Artikel 1. - Hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer möchte zustimmen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Artikel 2. - Auch hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer möchte zustimmen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Auch hier ist der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist das Gesetz beschlossen.
Zweite Beratung: Gentechnikfreie Regionen in Niedersachsen unterstützen und rechtsverbindlich absichern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1218 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - Drs. 16/1912
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1218 ablehnen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? -