Protocol of the Session on October 30, 2009

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Frau Bertholdes-Sandrock, erstens möchte ich mich ganz klar gegen das negative Politikerbild verwahren, das Sie hier kommunizieren und transportieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Wider- spruch von Karin Bertholdes-Sand- rock [CDU])

Ich weise das für meine Fraktion und auch für die anderen Fraktionen hier sehr scharf zurück. Dieses Negativbild, das Sie hier in aller Öffentlichkeit von Politikerinnen und Politikern zeichnen, fördert gerade die Politikverdrossenheit und Politikabstinenz.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Fühlten Sie sich an- gesprochen?)

- Ich glaube, Herr McAllister, es sind eher Leute von Ihrem Schlage angesprochen worden, die hier immer wieder durch Pöbeleien, Rüpeleien und Zwischenrufe die ganze Atmosphäre vergiften.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU)

Der zweite Aspekt, Frau Bertholdes-Sandrock: Sie sind in keiner Weise darauf eingegangen, wo es den Schülerinnen und Schülern konkret schadet, wenn Politikerinnen und Politiker an die Schule kommen. Sie haben ignoriert, dass Politik natürlich von Menschen gemacht wird. Politik wird von uns allen gemacht, von realen Politikerinnen und Politikern. Dann können Sie doch nicht ernsthaft sagen: Es schadet den Schülerinnen und Schülern, den Erstwählerinnen und Erstwählern, wenn sie realen Kontakt mit ihren Volksvertreterinnen und Volksvertretern bekommen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Frau Bertholdes-Sandrock!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Der letzte Punkt - der ärgert mich wirklich am meisten -: Sie entmündigen unsere Schülerinnen und Schüler! Sie trauen den Schülerinnen und Schülern nicht zu, dass sie selbst in der Lage sind zu entscheiden, ob das Politikerinnen oder Politiker sind, die sachlich handeln, oder ob das Menschen sind, die hier nur rumpöbeln wollen. Diese Entscheidung sollten wir den Schülerinnen und Schülern überlassen. Diese können das im Unterricht sehr gut und differenziert beurteilen und sollten nicht einfach, wie Sie meinen, von den Volksvertreterinnen und Volksvertretern ferngehalten werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Frau Flauger hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen an dieser Stelle zunächst einmal versichern: Wenn Diskussionen an Schulen stattfinden, dann kriegen wir Linken es hin, dass wir dort vertreten sind. Ich habe in mehreren Veranstaltungen an Schulen erlebt, dass eher Leute von CDU und FDP fehlten, als dass dies bei den Linken der Fall war.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Annahme, dass Politikerinnen und Politiker vor den Wahlen angespannter und gereizter sind und sich deshalb aggressiver verhalten als zwischen den Wahlen - ich weiß nicht, ob wir das an dieser Stelle nicht als Projektion bezeichnen sollten. Wir sind dann vielleicht zeitlich ein bisschen angespannter, aber verhalten uns dann auch nicht anders als sonst.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie sind immer so!)

Selbst wenn das so ist und vielleicht gerade bei Ihnen so ist, frage ich Sie, ob es dann nicht besser ist, dass dieses Thema direkt im Anschluss an solche Diskussionsveranstaltungen - oder in der Veranstaltung direkt - von den Schülerinnen und Schülern angesprochen werden kann,

(Glocke des Präsidenten)

damit sie dann mit ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer auch über die Form der Auseinandersetzung sprechen können und damit sie auch die Politikerinnen und Politiker direkt darauf ansprechen können: Warum verhalten Sie sich in dieser Diskussion so unsachlich?

(Beifall bei der LINKEN)

Das halte ich für viel sinnvoller, als wenn die Schülerinnen und Schüler nur vor dem Fernseher mit dieser Art von Auseinandersetzung konfrontiert werden, wo sie nicht nachfragen können.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Limburg hat gerade schon gesagt: Was halten Sie eigentlich von diesen Schülerinnen und Schülern? Sie sprechen ihnen die Mündigkeit ab. Was trauen Sie denen eigentlich zu? Wie wenig trauen Sie denen zu? - Für mich grenzt das, was Sie hier fabrizieren, an Wählerinnen- und Wählerschelte. Die können teilweise schon wählen oder werden es in absehbarer Zeit tun können. Was halten Sie eigentlich von denen? Was für ein Demokratieverständnis ist es eigentlich,

(Glocke des Präsidenten)

dass Sie sagen, die sind nicht in der Lage, sich vier Wochen vor einer Wahl mit Politikerinnen und Politikern direkt auseinanderzusetzen?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Was sollen - - -

(Der Präsident schaltet der Rednerin das Mikrofon ab - Die Rednerin setzt ihre Rede fort)

Ich habe Sie bereits unterbrochen, Frau Flauger. Ihre Redezeit ist weit überschritten.

Ich frage Frau Bertholdes-Sandrock: Möchten Sie antworten? - Bitte schön! Sie haben anderthalb Minuten Redezeit.

Zu dem Argument, ich schätzte die Politiker zu negativ ein: Ich kann Sie beruhigen, das tue ich nicht. Aber wir alle, ich inbegriffen, sind immer wieder erstaunt über die Reaktionen von Schülerinnen und Schülern hier im Landtag - ich selbst habe auch deshalb während meiner aktiven Schulzeit die Besuche hier dosiert - und über das mangelnde Verständnis von Schülern für parlamentarische Situationen. Das fängt ja beim Zeitunglesen an.

Ich bitte, davon Abstand zu nehmen, im Zusammenhang mit meinen Redebeiträgen von Pöbeleien und Rüpeleien zu reden. Sie können mir sicherlich manches vorwerfen, aber ich glaube, dazu haben Sie mich noch nicht gebracht.

Zu der Frage von Frau Flauger, ob ich die Schüler nur an den Fernseher lassen will: Welche Vorstellungen vom Unterricht haben Sie? Im Unterricht wird über das Fernsehen gesprochen. Ich lade Sie ein, irgendwann einmal gemeinsam mit mir guten Politikunterricht anzuschauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Lesen Sie das im Protokoll nach!)

In der weiteren Beratung ist Herr Försterling von der FDP-Fraktion der nächste Redner. Bitte schön, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder mag zum jetzigen Zeitpunkt selbst entscheiden, ob die bisher geführte Debatte für mehr oder weniger Politikverdrossenheit gesorgt hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich für meinen Teil finde es schon etwas merkwürdig, wie sehr hier darüber diskutiert wird, ob man die Demokratie letzten Endes damit rettet, ob vier Wochen vor den Wahlen Podiumsdiskussionen in den Schulen stattfinden oder nicht. Ich traue es im Übrigen den Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen zu, dass sie sich selbstständig informieren und dann bei der jeweiligen Wahl eine kluge Entscheidung treffen, auch ohne dass sie sozusagen im Rahmen der Schulverpflichtung mit den Politikerinnen und Politikern konfrontiert werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Viele Argumente sind bereits ausgetauscht worden. Aber ich möchte auf eines hinweisen, weil das in meiner Region leider eine sehr wichtige Rolle spielt und weil die nächsten Wahlen, die in Niedersachsen anstehen, die Kommunalwahlen sein werden. Wir haben beispielsweise in Salzgitter eine Ratsfraktion der Republikaner. Ich möchte gerne wissen, ob es auch als positiv erachtet wird, wenn die vor der Kommunalwahl in die Schulen gehen. Es gibt im Landkreis Wolfenbüttel leider - das sei an dieser Stelle gesagt - auch einen Kreistagsabgeordneten namens Molau. Er ist einer der Chefdemagogen der NPD oder DVU, je nachdem, wo im rechten Spektrum er sich gerade aufhält. Es wird dann auch die Frage zu entscheiden sein - zumal wir immer dafür gekämpft haben, dass wir solche Extremisten nicht in der Schule haben -, ob wir die entsprechend zulassen oder nicht. Natürlich hat jeder von uns die Möglichkeit und, ich glaube, auch die Fähigkeit, solche Demagogen in der Diskussion in gewisser Weise zu entlarven. Aber die Frage ist doch, ob da nicht immer etwas haften bleibt und ob wir uns dem nicht gerade vor Wahlen verwehren sollten, zumal wir alle wissen, wie platt solche Demagogen argumentieren. Die Frage ist, ob wir hier nicht auch eine gewisse demokratische Verantwortung haben, die es wahrzunehmen gilt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Diese demokratische Verantwortung bringt es für mich auch mit sich, dass man nicht nur in den vier Wochen vor den Wahlen in die Schulen geht, sondern auch in der übrigen Zeit.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Gar nicht mehr!)

Wir machen das immer wieder. Ich möchte an dieser Stelle das folgende Beispiel nennen: Während meiner gesamten Schulzeit war ich in den vier Wochen vor einer Wahl bei keiner einzigen politi

schen Diskussion. Das wird dem Kollegen Perli ähnlich gegangen sein. Gleichwohl hat es unsere Schule vermocht, eine gewisse politische Bildung - bei dem einen weniger erfolgreich, bei dem anderen vielleicht mit ein bisschen mehr Erfolg - zu verankern. Diese Schule, in der niemals in den vier Wochen vor einer Wahl entsprechende Veranstaltungen stattgefunden haben, hat es mittlerweile geschafft, aus den Schülerreihen vier Landtagsabgeordnete und einen Europaabgeordneten zu generieren.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber alle FDP!)

Das heißt, politische Bildung findet nicht nur in den vier Wochen vor den Wahlen statt, sondern das gesamte Schuljahr über. Wir sind in der Verpflichtung, auch jetzt einmal in die Schulen zu gehen und möglicherweise den Koalitionsvertrag mit den Schülerinnen und Schülern zu diskutieren. Das ist unsere Verantwortung, die wir auch wahrnehmen sollten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu dem Redebeitrag von Herrn Försterling haben sich Frau Korter und Frau Heiligenstadt zu Kurzinterventionen gemeldet. Frau Korter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, ich glaube, Sie trauen den Schulen einfach zu wenig zu. Vorher konnten zwei Jahre lang die Eigenverantwortlichen Schulen mit ihren Schulvorständen darüber entscheiden, ob sie Podiumsdiskussionen durchführen oder nicht.