Protocol of the Session on October 30, 2009

Verehrte Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses: Ich bin nun wirklich nicht als Freund Reinhard Grindels verdächtig, aber ich muss hier sagen: Recht hat der Mann. Recht hat er!

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, am 9. Januar 2008 - jetzt wird es interessant -, nur 19 Tage vor der Landtagswahl, diskutierten während der Unterrichtszeit vor und mit 250 Schneverdinger Schülerinnen und Schülern die damaligen Landtagskandidaten; darunter der gestandene Abgeordnete Dieter Möhrmann und der Abgeordnete - man höre und staune - Dr. Karl-Ludwig von Danwitz, heute schulpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion. Niemanden, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat es gestört, zumindest keine Ministerialen unter dem damaligen Minister Busemann.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Keiner hat es gemerkt!)

Minister Busemann steht für Deregulierung dieses Erlasses, Ministerin Heister-Neumann für Gängelung.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Schulen sollten das aber - und damit komme ich zum Schluss - in eigener Verantwortung machen können und dürfen. Das können sie auch.

Schneverdingen, Herr von Danwitz, hat es gezeigt. Ich bin auf Ihren Beitrag gespannt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Schneverdingen ist überall!)

Nächste Rednerin ist Frau Bertholdes-Sandrock von der CDU-Fraktion.

(David McAllister [CDU]: Jetzt geht es aber los hier! Karin, jetzt aber! Gib Gummi!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt, was die Grünen formulieren: Politische Bildung gehört in die Schule. - Das ist in der Tat ein ganz wesentlicher Anspruch von Schulunterricht in einer Demokratie, und das - ich betone das ausdrücklich - das ganze Jahr über. Ob nun unmittelbar vor Wahlen der Politikerbesuch im Unterricht - es geht um die Unterrichtszeit - unbedingt dazu gehört - und das genau in dieser Zeitspanne -, wäre zu überprüfen. Die Lage ist so: Die Schulen dürfen Politiker in ihren Unterricht einladen, ausgenommen in den letzten vier Wochen vor einer Wahl. Früher waren es sogar sechs Wochen. Ab 2007 war dies in das Ermessen des Schulvorstandes gestellt, was die Ministerin zurückgenommen hat, angeblich, wie Sie ihr unterstellen, um kritische Diskussionen über Schulpolitik zu unterbinden. Das, meine Damen und Herren, ist in meinen Augen, mit Verlaub, blanker Unsinn,

(Zustimmung bei der CDU)

und zwar aus folgendem einfachen Grund: Schülerinnen und Schüler - zumindest dann, wenn Sie versuchen, mündige Bürger aus ihnen zu machen - diskutieren immer kritisch über Schulpolitik. Dazu brauchen sie Sie und mich nicht im Unterricht.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Ministerin hatte geäußert, sie habe den Eindruck einer unzulässigen Beeinflussung insbesondere in der ganz heißen Phase des Wahlkampfes vermeiden wollen, und das in ganz Niedersachsen gleichermaßen. Die konkrete Frage, die wir uns nun zu stellen haben, ist: Ist die Live-Diskussion mit Politikern in den letzten vier Wochen absolut notwendig, um, wie die Linken formulieren - ich zitiere -, lebendige demokratische Kultur in unserer Gesellschaft zu fördern, die wir im Übrigen alle

wollen - das betone ich an dieser Stelle -, oder drohen andernfalls, wie die Grünen sagen, Politikverdrossenheit und gar Wahlenthaltung? - Zu beidem sage ich eindeutig: Nein.

Frau Kollegin Korter, auch Sie wissen das: Kein Schüler rennt zur Wahl oder geht unbedingt dort hin, nur weil ein Politiker im Unterricht war. Wenn solche Besuche derartige Spontanreaktionen hervorrufen sollten, wäre das ganze Ziel verfehlt.

Frau Bertholdes-Sandrock, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Flauger?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ich habe nichts anderes erwartet!)

Der Besuch eines Politikers, meine Damen und Herren, würde da gar nichts rausreißen. Gucken wir uns außerdem einmal die Situation von Politikern im Wahlkampf an. Wir alle wissen - jetzt richte ich mich ganz besonders an Sie auf der linken Seite; denn Sie wissen das im Moment ganz besonders gut -: Ohne Mandat und Mehrheiten macht man in einer Demokratie keine Politik, egal, wie gut die eigenen Ideen sind. - Also muss ein Politiker unbedingt die Wahlen gewinnen. Und das macht natürlich die Situation vier Wochen vor der Wahl angespannt.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Sie sind angespannt! Wir doch nicht!)

Wir wissen, dass zu dieser Zeit eine gereizte Stimmung aufkommt. Die Zuspitzungen, die Sie von den Grünen nicht nur in Kauf nehmen, sondern sogar ausdrücklich in die Schulen mit hineinbringen wollen, die Angriffe, die wir alle fraktionsübergreifend doch kennen, sind für Schüler ungewohnt. Eine Erfahrung, die wir in diesem Hause doch auch alle gemacht haben: Schüler sind über parlamentarische Zwischenrufe in unseren Landtagssitzungen oft sehr irritiert, weil sie andere Vorstellung von politischer Kultur haben, nämlich ausreden lassen, zuhören und nicht immer dazwischenreden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Bertholdes-Sandrock, es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Nein, ich möchte keine Zwischenfragen.

Es ist also fraglich, ob ein Politiker im Endspurt genau dieser Gesprächspartner ist, auf den die Schüler für eine politische Diskussion warten; denn sein Ziel ist es - das ist unser aller Ziel vor jeder Wahl -, so viele Stimmen wie möglich zu bekommen. Nicht umsonst, Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, spekulieren Sie in Ihrem Antrag expressis verbis genau auf die Erstwähler. Das habe ich mich auch gefragt. So ganz umsonst kommt das nicht. Ich meine jedenfalls: Politische Erziehung muss keineswegs darunter leiden, wenn in diesen 25 oder 28 Tagen vor der Wahl - genau genommen sind es 20 Schultage - kein Politiker mehr im Schulunterricht - meist sogar nur in einer Einzelstunde - erscheint.

(Zustimmung bei der CDU)

Politische Erziehung - da sollten wir über das Spektakuläre von Wahlkämpfen hinausgehen - ist ohnehin nur langfristig zu erreichen. Eine konkrete Wahlentscheidung, Kolleginnen und Kollegen, nicht einmal für die CDU oder für die Linke, sollte von Schülern nicht im Hauruckverfahren gefällt werden.

Politische Bildung zielt darauf ab - darum bemühen wir uns -, bei Schülern auf Dauer - ähnlich wie beim Verantwortungsbewusstsein - die Haltung hervorzubringen, dass sie sich auch für das einsetzen und dafür arbeiten, was außerhalb ihres eigenen Betroffenheitszirkels steht. Eine solche Haltung - das wissen Sie alle; ich hoffe es jedenfalls - wird während des ganzen Jahres aufgebaut

(Kurt Herzog [LINKE]: „Des ganzen Jahres“ - da haben Sie recht!)

und im Übrigen über viele Jahre hinweg - oder sie entsteht gar nicht; auch das ist klar. In besonders aktuellen Situationen wie Wahlkämpfen erhält diese Haltung natürlich quasi neue Nahrung. Aber jetzt alles darauf zu setzen und dies so ausschließlich zu betrachten wie Sie, heißt, das Ganze als Strohfeuer zu überschätzen.

Warum, meine Damen und Herren, wird der Politikunterricht direkt vor der Wahl zwangsläufig leblos - so erscheint es bei Ihnen -, nur weil wir keinen Liveauftritt von Politikern mehr haben? Ich habe

die Erfahrung gemacht - Frau Korter, ich gönne sie auch Ihnen von Herzen -: Schülerinnen und Schüler haben wahnsinnig viele gute Ideen in der Vorwahlkampfzeit. Die Mehrzahl meiner Unterrichtsjahre habe ich ja genau mit einem solchen Erlass verbracht. Da wollen sie z. B. ein Kanzlerkandidatenduell aufzeichnen. Da gehen sie zu Wahlkampfständen, führen dort Gespräche und bringen Material mit, das sie in den Unterricht einbringen. Sie nehmen Anzeigen und Wahlspots unter die Lupe, kommentieren Zeitungsartikel und Fernsehsendungen. Ich sage Ihnen eines: Selbst das Zustandekommen von Überhangmandaten ist gerade auch vor der Bundestagswahl für den Unterricht hilfreich; denn dann können Sie die Bedeutung von Erst- und Zweitstimmen im Unterricht so anbringen, dass die Schüler sogar hinhören wollen. Na, ist das nicht eine Chance?

Ich sage Ihnen: Ausgesprochen interessant und seit Ewigkeiten eine Erfahrung sind für mich die Probeabstimmungen zu Wahlen, die Schüler im Vorfeld von Wahlen durchführen,

(Zuruf von der SPD: Wo Sie regelmä- ßig untergehen!)

wo sie das öffentliche Gebaren der Politik beurteilen. Wenn sie ganz zum Schluss - auch das sind sehr interessante Erfahrungen - im Rollenspiel in die Haut verschiedener Politiker verschiedener Parteien schlüpfen, so kann ich Ihnen versichern, haben sie etwas von Politik verstanden. Die Ideen von Schülerinnen und Schülern - und ich hoffe, auch von ihren Lehrerinnen und Lehrern - können also durchaus so sein, dass man gerade in den vier Wochen vor der Wahl einen superinteressanten Unterricht hat, vor allem wenn man während des Jahres schon Politiker eingeladen hat; denn das Jahr hat ja 52 Wochen und nicht nur vier.

Ganz zum Schluss eine Bemerkung zur Ausgewogenheit: Nicht umsonst sagen die Linken gleich: „Da müssen nicht alle vorhanden sein, Hauptsache, mehrere sind da.“ Was ist denn gerade bei Einzelstunden, wenn nur die Vertreter der CDU und der FDP Zeit hätten, aber kein Linker, kein Grüner und niemand von der SPD dabei wären?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir ha- ben Zeit!)

Das kriegen sie oft zeitlich nicht alles unter einen Hut.

(Weitere Zurufe von der LINKEN)

Oder was ist, wenn man sagt „Na ja, Ausgewogenheit gilt für ein ganzes Jahr“? Nicht, dass da jemand auf die Idee kommt, Linke, Grüne und SPD im Januar und Februar einzuladen und direkt vor der Bundestagswahl die CDU-Vertreterin. Das wäre nun auch nicht ausgewogen, obwohl alle innerhalb eines Jahres dagewesen sind.

Meine Damen und Herren, diese praktischen Schwierigkeiten räumen Sie mit Ihrer Forderung, dass sich das alles auch dann abspielen kann, nicht einfach aus dem Wege.

(Zuruf von der SPD: Fragen Sie ein- mal Herr Busemann, was er davon hält!)

Insofern sage ich Ihnen: Dass, wie Sie formulieren - da zitiere ich Sie gerne -, politische Akteure persönlich im Unterricht zu Wort kommen, fördert in der Tat das politische Bewusstsein. Aber das gilt für 48 Wochen in Wahljahren und für 52 Wochen in Nichtwahljahren. Ich meine, dass wir dafür viele Gelegenheiten haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu dem Beitrag von Frau Bertholdes-Sandrock liegen drei Kurzinterventionen vor. Zunächst rufe ich Herrn Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf. Bitte schön, Herr Limburg! Sie haben anderthalb Minuten Redezeit.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Frau Bertholdes-Sandrock, erstens möchte ich mich ganz klar gegen das negative Politikerbild verwahren, das Sie hier kommunizieren und transportieren.