Protocol of the Session on August 26, 2009

rung von Rahmenbedingungen und Qualitätsstandards aufzuwerten. Wir werden die Gesetzesberatung positiv begleiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Adler für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Herr Adler!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soweit es darum geht, Nachbarstreitigkeiten von den Gerichten fernzuhalten und dafür das Verfahren der Schiedsämter davorzuschalten, werden Sie unsere Unterstützung haben. Diejenigen von Ihnen, die als Anwältinnen oder Anwälte Erfahrungen haben, wissen, was da teilweise abgeht. Ich denke, da sind wir uns einig.

Der nächste Punkt, den Sie aufgenommen haben, betrifft den Ehrenschutz. Auch diese Verfahren wollen Sie in das außergerichtliche Verfahren vor den Schiedsämtern hineinnehmen. Ausgenommen werden sollen Presse und Rundfunk. Nun müssten Sie eigentlich wissen, dass es z. B. im Internet durchaus das Bedürfnis des Ehrenschutzes gibt. In § 21 des Niedersächsischen Mediengesetzes ist z. B. das Recht der Gegendarstellung verankert. Es macht schon Sinn, dass man, wenn man das Recht der Gegendarstellung im Presserecht als Ausnahme ausnimmt, das auch für das Internet macht. Das hat, glaube ich, das gleiche Gewicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Jetzt aber kommt etwas, wo wir wirklich aufpassen müssen, dass wir uns hier nicht über den Tisch ziehen lassen: Sie wollen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz da mit hineinnehmen. Das ist für ein Schlichtungsverfahren vor Schiedsämtern meiner Meinung nach völlig ungeeignet. Wir müssen uns einmal kurz in Erinnerung rufen, um was es sich dabei handelt. Dieses Gesetz, das auch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet worden ist, geht zurück auf die EU-Richtlinie 2043 aus dem Jahre 2000, die sogenannte Antirassismusrichtlinie. Als diese ins deutsche Recht umgesetzt wurde, hat es bei der CDU-Fraktion ein riesiges Geschrei gegeben, es würde eine Prozesslawine ausgelöst etc. Das ist überhaupt nicht eingetreten. Aber wenn Sie dieses Verfahren jetzt erschweren, indem Sie die Streitschlichtung obligatorisch da

vorschalten, dann tun Sie etwas ganz Schlimmes. Was die Nachbarschaftsstreitigkeiten angeht, so sind das Prozesse, die wir wirklich nicht wollen. Hier aber geht es um Fälle, bei denen wir wirklich eine öffentliche Verhandlung benötigen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Es geht um die Fälle von Rassismus im Alltag. Ich nehme einmal den Fall, dass jemand nicht in eine Diskothek hineinkommt, weil er eine schwarze Hautfarbe hat. Dann heißt es „Ausländer kommen hier nicht hinein“. Solche Fälle hat es gegeben. Es ist wichtig, dass ein solches Verfahren öffentlich stattfindet und nicht nicht öffentlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn die obligatorische Streitschlichtung vor dem Schiedsmann ist ein nicht öffentliches Verfahren. Deshalb ist der zuletzt genannte Bereich, der des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, für derartige Verfahren völlig ungeeignet. Gerade da brauchen wir die Aufklärung und Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, um das Bewusstsein zu verändern, damit es keinen Rassismus im Alltag mehr gibt.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Zum gleichen Tagesordnungspunkt hat Herr Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einführung der außergerichtlichen Streitschlichtung eingebracht. Das ist grundsätzlich gut. Wenn man bedenkt, dass Sie dazu bereits seit vielen Jahren die Möglichkeit gehabt hätten - Bayern z. B. hat ein solches Gesetz bereits seit dem Jahr 2000 -, dann ist das allerdings kein besonders schnelles Handeln. Aber es ist schön, dass Sie es jetzt endlich geschafft haben, Herr Busemann.

Im Grundsatz besteht - das entnehme ich der bisherigen Debatte - hier im Hause Einigkeit über den Sinn und Zweck außergerichtlicher Streitschlichtung. Deshalb will ich das nicht alles wiederholen. Meine Kollegin und mein Kollege von SPD und CDU haben sehr gut dargestellt, in welchen Fällen eine außergerichtliche Streitschlichtung ein notwendiges und gutes Mittel ist, um den Streit auf

anderem Wege als in einem normalen Gerichtsprozess zu lösen.

Dieser Gesetzentwurf hat aber - Herr Adler hat das gerade richtig dargestellt - einen Pferdefuß, nämlich der zivilrechtliche Teil des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Anders als der arbeitsrechtliche Teil des AGG ist gerade der zivilrechtliche Teil bislang juristisches Neuland. Dieses Neuland muss durch kontinuierliche Rechtsprechung und richtungweisende Urteilssprüche überhaupt erst ausgestaltet werden. Die obligatorische Vorschaltung von Schiedsverfahren dient aber gerade dazu, diese Gerichtsurteile zu vermeiden. Sie verkennen mit diesem Gesetzentwurf - auch das hat Herr Adler gerade dargestellt -, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das die Union von Anfang an heftig bekämpft hat, nicht nur dazu gedacht ist, bilaterale Streitigkeiten zu lösen, sondern ausdrücklich auch eine breite allgemeine gesellschaftliche Präventivfunktion entfalten soll. Diese Präventivfunktion kann es aber nur entfalten, wenn es zu öffentlichen Gerichtsverhandlungen kommt und die Fälle nicht vorher im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung im nicht öffentlichen Bereich gelöst werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Durch Ihren Gesetzentwurf würde dieser Teil des AGG unsichtbar gemacht; es würde seiner präventiven Funktion beraubt werden.

Das Argument einer Entlastung der Gerichte greift im Übrigen bei Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch nicht. Die Zahl der nichtarbeitsrechtlichen Verfahren nach dem AGG ist momentan - leider, muss man in einigen Fällen sagen - minimal. Aus unserer Sicht sollte daher darauf hingewirkt werden, dass § 1 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzentwurfs ersatzlos gestrichen wird.

Wir hoffen auf konstruktive Ausschussberatungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Professor Zielke hat das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche Experten haben diagnostiziert, wir Deutschen seien ein besonders rechthaberisches und streitsüch

tiges Volk. Das haben wir nun auch verinnerlicht und wollen uns ein Beispiel nehmen an sanfteren Völkern, wo nicht gleich zum Gericht gerannt wird, sondern man Wut und gerechten Zorn zunächst auf andere Art zu lindern und abzufedern versucht. Mediation - ob gerichtsintern oder über freie Mediatorinnen oder Mediatoren - hilft nur in einem Teil der Fälle; denn sie setzt voraus, dass ein Streit schon vor Gericht gelandet ist oder dass beide Parteien zumindest mit einem Mediationsversuch einverstanden sind.

Frau Weddige-Degenhard, da der Bund wegen der Mediationsrichtlinie der Europäischen Union ohnehin verpflichtet ist, von seiner Regelungskompetenz im Bereich der Mediation Gebrauch zu machen und bis Mai 2011 ein Gesetz dazu zu erlassen, tut Niedersachsen gut daran, hier jetzt keine Eigeninitiative zu ergreifen. Insofern ist das kein Versäumnis. Aber das Bundesrecht gibt den Ländern immerhin die Möglichkeit, ihr Scherflein zur Milderung des Furor Teutonicus beizutragen durch obligatorische außergerichtliche oder, genauer gesagt, obligatorische vorgerichtliche Streitschlichtungen in einigen eng umgrenzten Bereichen. Einige Länder machen das seit einigen Jahren, und ihre Erfahrungen sind in den vorliegenden niedersächsischen Gesetzentwurf eingeflossen.

Ich glaube, es ist ein guter Entwurf; denn er beschränkt sich auf Fallkonstellationen, in denen der emotionale Aspekt besonders schwer wiegt. Zum Anfang war erwogen worden, alle Streitereien um Geld unter 750 Euro in den Katalog aufzunehmen. Aber die Erfahrungen aus anderen Bundesländern haben eben gezeigt, dass hier gütliche Einigungen nicht die Regel sind und oft auch in Mahnverfahren ausgewichen wird.

Zum Schluss etwas zu den Kosten der vorgerichtlichen Streitschlichtung - und das ist mir besonders wichtig -: Die Regelungen sind so gestaltet, dass jeder seine Interessen vertreten kann, auch wenn er nur wenig oder gar kein Geld hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht mehr vor. Wir sind am Ende der Beratungen angelangt und kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig werden, und mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Es ist so beschlossen worden.

Vielen Dank.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung kriegsfördernder Aktivitäten an den Hochschulen - Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1485

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren, am 1. September 1939, überfielen deutsche Truppen unser Nachbarland Polen und entfesselten damit den Zweiten Weltkrieg, der die bislang größte und verheerendste von Menschen gemachte Katastrophe darstellt.

Der deutsche Faschismus, der Holocaust und der Zweite Weltkrieg haben ein unvorstellbares Leiden über die Menschheit gebracht. Als Nachgeborene stehen wir in der Verantwortung, die Erinnerung an diese abscheulichen Taten und ihre Opfer lebendig zu halten und dafür zu sorgen, dass sich Derartiges niemals wieder abspielt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben in der Konsequenz aus der Kriegskatastrophe in der Präambel den Willen zum Ausdruck gebracht, „in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“, und darüber hinaus mit Artikel 26 auch eine Antikriegsklausel aufgenommen, in der es heißt:

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig.“

Willy Brandt hat vor dem Hintergrund dieser deutschen und europäischen Geschichte den Ausruf geprägt: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

In einer ähnlichen Formulierung wurde dieser Satz völkerrechtlich bindend in den sogenannten Zweiplus-Vier-Vertrag aufgenommen.

Welche Bedeutung hat das alles für die Wissenschaft? - Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, die durch Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützt ist, ist für uns ein hohes Gut. Schließt diese Wissenschaftsfreiheit aber auch das Recht ein, für den Krieg zu forschen?

Die Bundeswehr stellt hierzu eindeutige Anforderungen. Der Heeresinspekteur der Bundeswehr, Hans-Otto Budde, fordert - Zitat -:

„Wir brauchen den archaischen Kämpfer und den, der den High-TechKrieg führen kann.“

Die Bundesregierung hat deshalb allein im Jahr 2008 1,1 Milliarden Euro für Rüstungsforschung an den Hochschulen und An-Instituten ausgegeben. Die Forschungsprojekte reichen von der Entwicklung besserer Panzerungen über wehrpsychologische Projekte bis hin zu sozialwissenschaftlicher Forschung. Hinzu kommen 1,4 Milliarden Euro von der EU-Kommission und eine unbekannte Summe aus der privaten Rüstungsindustrie. Auch in der Lehre gibt es zunehmend Verflechtungen zwischen Hochschulen, der Bundeswehr und Rüstungsunternehmen.

Nach Angaben der Bundesregierung hat bislang keine einzige Hochschule einen Forschungsauftrag des Verteidigungsministeriums abgelehnt. Das liegt eben auch daran, dass viele Forscher an den Hochschulen heute von Drittmittelaufträgen abhängig sind. Das hat die Politik - mit Ausnahme der Linken - forciert.