Protocol of the Session on March 26, 2009

Wir haben in Niedersachsen dank des dreigliedrigen Schulsystems ohnehin eine nur sehr geringe Abiturientenquote. Aber mit Blick auf die Zahl derjenigen, die wir in Niedersachsen an die Hochschulen holen könnten, unterbieten wir diese Bilanz noch. Wir liegen inzwischen mit einer Hochschulübergangsquote von 73,1 % abgeschlagen auf Platz 12 im Ländervergleich. Ende der 1990erJahre waren wir immerhin mal bei 80 %. Und dann, als gäbe es nicht schon genug Zugangshindernisse, führen Sie auch noch Studiengebühren ein und schrecken genau diejenigen von einem Studium ab, die ein Studium ohnehin eher als finanziell riskantes Unternehmen ansehen. Herr Minister Stratmann, da kann dann auch der höhere Anteil von Studierenden aus Nichtakademikerfamilien nicht wirklich als Gegenbeweis herhalten. Denn das ist schlicht ein statistischer Effekt, der der Tatsache geschuldet ist, dass Niedersachsen eine sehr geringe Akademikerquote hat.

Ihre Bilanz, Herr Minister Stratmann, wird nicht dadurch besser, dass Sie zu Ihrer Ehrenrettung immer wieder auf die einzigen Werte verweisen, bei denen Sie wenigstens einmal nicht unter dem Bundesdurchschnitt liegen: Ich rede von der Betreuungsquote und der Absolventenquote. Auf den ersten Blick sind diese Werte tatsächlich erfreulich. Auf den zweiten Blick sollten sie uns, finde ich, nachdenklich machen. Denn eine traditionell überdurchschnittlich hohe Betreuungsquote - sie war auch schon vor Schwarz-Gelb überdurchschnittlich hoch - zahlt sich in Niedersachsen offenbar nicht aus, sondern führt zu einer „nur durchschnittlichen Studiendauer“ und einer „nur durchschnittlichen Absolventenquote“.

Bei nüchterner Betrachtung heißt das: Wir haben nicht nur zu wenige Studierende, sondern wir bilden im Ländervergleich unter dem Aspekt KostenNutzen-Abwägung auch noch ineffizient aus. Ich will hier beileibe nicht der Absenkung der Betreu

ungsrelation das Wort reden. Aber angesichts dieser Bilanz muss aus grüner Sicht dringend über eine Neuauslegung der formelgebundenen Mittelzuweisung als Anreizsystem nachgedacht werden, die ausschließlich an der Lehre orientierte Indikatoren beinhaltet.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, unter dem Strich ist festzuhalten: Ihre Bildungspolitik erzeugt nicht nur soziale Ungerechtigkeit, weil sie den Hochschulzugang verknappt, indem es einfach nicht genug Studienplätze gibt, sondern sie verstärkt auch Niedersachsens Wettbewerbsnachteile. Ob es der Bericht der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ ist, ob es die NIW-Studie ist: Alle schreiben Niedersachsen ins Stammbuch, dass die niedrige Akademikerquote das Entwicklungshemmnis Nummer eins in Niedersachsen ist.

(Zustimmung von Matthias Möhle [SPD])

Fazit: Je mehr der Fachkräftemangel angesichts der demografischen Entwicklung in Niedersachsen zunehmen wird, umso mehr wird Niedersachsen angesichts Ihrer Hochschulpolitik ins Hintertreffen geraten. Deshalb fordern wir Sie auf, endlich gegenzusteuern. Sonst wird nämlich aus dem viel beschworenen Zukunftsland Niedersachsen mehr und mehr ein innerdeutsches Entwicklungsland Niedersachsen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Heiterkeit bei Jens Na- cke [CDU])

Der nächste Redner zur Großen Anfrage ist Herr Grascha von der FDP-Fraktion. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion danke auch ich dem Ministerium sehr herzlich für die Beantwortung der Großen Anfrage der SPDFraktion. Die Antwort liefert durchaus interessante Daten, die für die Weiterentwicklung der Hochschullandschaft sicherlich wertvoll sein werden.

Im Gegensatz allerdings zu den Kolleginnen und Kollegen der Opposition - das ist wahrscheinlich nicht überraschend - sehen wir Niedersachsen bei der Entwicklung unserer Hochschulen insgesamt auf einem sehr guten Weg.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das überrascht uns gar nicht!)

In einigen Segmenten sind wir überdurchschnittlich und somit sehr gut aufgestellt - das hat der Minister gerade dargestellt -, in anderen Bereichen liegen wir bundesweit im Durchschnitt und können wie andere Bundesländer auch besser werden.

In meiner Bewertung möchte ich einige Aspekte besonders hervorheben. In Niedersachsen haben Kinder aus einkommensschwächeren Familien größere Chancen, eine Hochschulbildung zu absolvieren, als in anderen Bundesländern. Sicherlich gab es deutschlandweit seit Anfang der 80erJahre immer mehr Studierende mit einer gehobenen sozialen Herkunft und umgekehrt immer weniger mit einer sozial schwächeren Herkunft. Dieses Problem ist allerdings nicht niedersachsentypisch und hat im Übrigen - das hat der Minister schon gesagt - überhaupt nichts mit den Studienbeiträgen zu tun. Das beweisen diese Zahlen, aber auch andere aktuelle Studien. Die hier verwendeten Zahlen stammen von 1982 bis 2006. Damals gab es bekanntermaßen noch keine Studienbeiträge.

An dieser Stelle möchte ich besonders die Arbeit der Fachhochschulen loben. Ihre Arbeit ist für die Chance von sozial schwächeren Kindern besonders wertvoll; denn schon heute ist deren Zahl an den Fachhochschulen gegenüber der Zahl an den Universitäten um ca. 50 % höher. Dies zeigt, dass Niedersachsen mit der Schaffung zusätzlicher Studienplätze an den Fachhochschulen einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit für junge Menschen schafft.

Wir wollen allen Kindern eine Chance auf eine optimale und möglichst individuelle Bildung geben, schon am Anfang. Auch an den Hochschulen gibt es dazu viele Möglichkeiten. In vielen Bereichen ist Niedersachsen deutschlandweit Vorreiter. Darauf sind wir von CDU und FDP stolz.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In Niedersachsen studieren schon heute 15 % aller nicht traditionellen Studienanfänger. Die weitere Verbesserung der Zugangsvoraussetzungen für beruflich Qualifizierte sowie die Anrechnung von beruflichen Kompetenzen sind weitere Schritte, um neben dem Abitur andere Bildungswege für den Hochschulzugang anzuerkennen. Ebenfalls werden duale und berufsbegleitende Studiengänge im Zusammenhang mit Unternehmen immer wichtiger, um Kindern aus sozial schwächeren Familien eine Hochschulbildung zu ermöglichen. Gerade bei

diesen Studiengängen sind die Fachhochschulen und hier insbesondere die privaten Hochschulen sehr erfolgreich. Die Hochschulen orientieren sich an den Bedarfen der Wirtschaft und schaffen so einen reibungslosen Übergang von der Hochschulbildung zum Arbeitsmarkt. Das ist gut, das ist erfolgreich, und das wollen wir auch weiterhin stärken.

Besonders zu erwähnen, Frau Dr. Heinen-Kljajić, ist die gute Betreuungsrelation in Niedersachsen. Sie will ich nicht als ineffizient bezeichnen, sondern sie ist schlicht gut und kommt jedem Studierenden zugute. Das Betreuungsverhältnis von Lehrenden und Studierenden ist im deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittlich. Die Planungssicherheit durch den Zukunftsvertrag mit den Hochschulen hat hierbei sicher positive Auswirkungen. CDU und FDP stehen im Gegensatz zur SPD-Vorgängerregierung hier für Verlässlichkeit.

(Zustimmung von Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU])

Diese Verlässlichkeit zeigt sich im Übrigen auch bei den Studienbeiträgen. Die Einnahmen aus Studienbeiträgen werden mit Sicherheit das Betreuungsverhältnis und die Qualität der Ausbildung auch in der Zukunft weiter verbessern. Immerhin werden mittlerweile fast 40 % der Einnahmen in Personal investiert. Das haben wir immer gefordert. Wir werden die Hochschulen auch in der Zukunft weiterhin ermuntern, unter Inanspruchnahme des Aufkommens aus den Studienbeiträgen Personal einzustellen. Die Hochschulen können sich an der Stelle auf CDU und FDP in Niedersachsen verlassen. Die Studienbeiträge wird es auch in der Zukunft geben. Es braucht niemand davor Angst zu haben, dass sie abgeschafft werden.

Die Studienbeiträge fließen im Übrigen zusätzlich zu den allgemeinen Landesmitteln an die Hochschulen. Die 93 Millionen Euro helfen enorm, die Qualität an den niedersächsischen Hochschulen für die Studierenden zu verbessern. Ich begrüße es ausdrücklich, wenn Studierende in den Hochschulen mitentscheiden, was mit ihren Beiträgen passiert. Das steigert sowohl die Akzeptanz als auch die Identifikation mit der Hochschule.

Wenn allerdings hier bzw. in Pressemitteilungen, Frau Dr. Andretta, kritisiert wird, dass aus dem Aufkommen an Studienbeiträgen Rücklagen gebildet werden, dann ist das aus meiner Sicht ein Angriff auf die Hochschulautonomie. Wir wissen, dass die Rücklagen zum überwiegenden Teil sehr sinn

voll verplant sind. Wir haben den Hochschulen die Freiheit gegeben, möglichst in Eigenverantwortung selbst darüber zu entscheiden, wie dieses Geld ausgegeben werden kann. Aus Ihrer Kritik muss man leider schlussfolgern, dass Sie die Hochschulautonomie wohl einschränken und das Geld zwangsweise ausgeben lassen wollen. Wir Liberalen wollen sowohl bei der Verwendung der Studienbeiträge als auch bei deren Höhe weiterhin mehr Eigenverantwortung für die Hochschulen. Daran werden wir weiter arbeiten. Diese Freiheit hilft den Studierenden und damit auch unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich Frau Dr. Andretta von der SPDFraktion gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grascha, Sie haben die Katze aus dem Sack gelassen. Sie wollen am liebsten, dass die Studiengebühren zur Finanzierung komplett an die Hochschulen gehen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Sie waren es aber, die vorher getäuscht haben und den Studierenden vermittelt haben, dass die Beiträge zweckgebunden und natürlich für die Verbesserung der Lehre gedacht seien. Inzwischen sehen wir, dass sich ein Tabubruch an den anderen reiht. Die Hochschulen sanieren damit ihre Hörsäle und heizen damit ihre Seminarsäle. Das alles sind Aufgaben des Landes, die jetzt aus Studiengebühren finanziert werden. Das ist ein Skandal für die Studierenden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Der größte Skandal besteht darin, dass diese Studiengebühren für schlechte Zeiten in einer Rücklage auf die hohe Kante gelegt werden, und zwar zum Teil auch deshalb, weil die Universitäten gar nicht wissen, was sie mit dem Geld anstellen sollen, weil sich spätestens nach der Anschaffung des dritten Beamers diese Frage stellt. Dafür zu sorgen, dass es Professoren und Professorinnen

gibt, ist immer noch die Aufgabe des Landes und nicht der Studierenden, Herr Grascha.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Herr Grascha möchte antworten. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Andretta, Sie sollten vielleicht doch noch mehr vor Ort präsent sein und die Hochschulen besuchen,

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen!)

um dort tatsächlich Rückmeldung zu bekommen.

Aus der Antwort auf die Große Anfrage geht deutlich hervor, dass dem Ministerium kein Fall bekannt ist, in dem sich jemand darüber, wie die Studienbeiträge verwendet werden, beschwert hat. Insofern verwundert Ihre Aussage schon.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das steht heute sogar in der HAZ!)

An das Thema Rücklage kann man eigentlich mit dem gesunden kaufmännischen Verständnis herangehen. Wenn jemand eine Investition für die Zukunft tätigt, die mehr Mittel erfordert, dann ist es doch absolut sinnvoll, dass Rücklagen gebildet werden. Wir haben aus den Hochschulen die Rückmeldung, dass die Rücklagen, die bis jetzt gebildet wurden, für absolut sinnvolle Maßnahmen, für die Studierenden und für eine bessere Qualität der Lehre, verwendet werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grascha, hätten Sie heute die Hannoversche Allgemeine Zeitung gelesen,

(Christian Grascha [FDP]: Ich habe sie gelesen!)

dann wüssten Sie, wie sich die Situation darstellt. Die Studenten dürfen Ja und Amen zu dem sagen, was man ihnen zur Verwendung der Studienbeiträge vorhält. Aber in dem Moment, in dem die

Studierenden sich dagegen aussprechen, dass für eine Maßnahme Geld ausgegeben wird, werden sie entmachtet und ins Abseits gestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist völlig illegitim und zeigt, dass Ihre gesamte Studiengebührenpolitik eine Farce und ein Betrug an den Studierenden ist.