Protocol of the Session on January 15, 2009

„wenn auf diese Weise dem individuellen Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler entsprochen werden kann.“

Was soll das heißen? Wer entscheidet, ob dem individuellen Förderbedarf entsprochen werden kann? Die Eltern, die Schulbehörde oder die Schule? - Ich glaube, dass eine Sollbestimmung wie vorher reicht und dass dieser Wenn-Satz deshalb schlicht und ergreifend gestrichen werden kann. Doch ich meine, über solche Einzelheiten sollten wir im Ausschuss diskutieren; denn hier liegt der Teufel wirklich im Detail.

In einer Anhörung - diese ist ja von den Regierungsfraktionen Gott sei Dank schon zugesagt worden - sollten wir nicht nur deutsche Experten, sondern auch ausländische Experten hören und uns dortige Beispiele vorstellen lassen. Von den praktischen Beispielen anderer Staaten könnten wir nämlich wirklich lernen und feststellen, wie differenziert dort auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingegangen wird.

Ich hoffe, dass es tatsächlich gelingt, ein vernünftiges Gesetz auf den Weg zu bringen, das dafür sorgt, dass wir bei der Inklusion und Integration von benachteiligten Kindern weiter vorankommen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Auf den Redebeitrag von Frau Seeler hat sich Frau Körtner zu einer Kurzintervention gemeldet. Anderthalb Minuten, Frau Körtner!

Frau Kollegin Seeler, nur damit dieses Missverständnis nicht im Raum stehen bleibt: Sie haben von den Kindern in Erziehungshilfe, von den ganz besonders benachteiligten und ganz besonders auffälligen Kindern gesprochen und haben ausgeführt, dass sie nicht in einer Schule unterrichtet werden dürften. Genau das haben wir nicht getan. Wir haben mit unglaublich hohem finanziellem Einsatz die sogenannten mobilen Dienste ins Le

ben gerufen. Gerade bei den besonders auffälligen Kindern sind mit ambulanter und stationärer Betreuung durch die mobilen Dienste ganz wichtige Akzente gesetzt worden.

(Zustimmung von Astrid Vockert [CDU])

Zur Unterstützung der Eltern, der Lehrkräfte und der Schulträger steht dieser mobile Dienst im Flächenland Niedersachsen fast flächendeckend zur Verfügung. Fachkräfte mit spezieller sonderpädagogischer Qualifizierung sorgen dafür, dass die Hilfe zum Kind kommt und nicht, dass das Kind der Hilfe folgen muss.

Ziel ist es, einen Schulbesuch in Wortortnähe sicherzustellen. Landesweit gibt es bei den Eltern, den Schulträgern, den Kommunen und den Betroffenen eine riesige positive Resonanz.

Ich wollte das nur ergänzen, weil das, was Sie gerade gesagt haben, nicht so einfach in der Öffentlichkeit stehen bleiben kann.

(Beifall bei der CDU)

Frau Seeler, Sie möchten antworten, wie ich sehe. Bitte schön!

Herr Präsident! Frau Körtner, das stimmt leider nur zum Teil. Wir haben nämlich zwei staatliche Schulen, verschiedene Waldorfschulen und Tagesbildungsstätten für diese Kinder. An genau diesen Schulformen zeigen sich die Probleme.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schulpolitik dieser Landesregierung hat ein Ziel: Niemand darf verloren gehen.

(Beifall bei der CDU)

Maßstab unseres schul- und bildungspolitischen Handelns ist und bleibt das Kindeswohl. Dies gilt für alle Kinder und Jugendlichen und schließt damit auch ausdrücklich diejenigen Kinder und Ju

gendlichen mit ein, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jedes Kind und jeder Jugendliche hat ein Recht auf eine angemessene, individuelle und auf es bzw. ihn zugeschnittene Förderung. Das bedeutet, dass wir in dem jeweiligen individuellen sonderpädagogischen Förderbedarf einen notwendigen Umfang, gegebenenfalls einen noch zu steigernden Umfang sicherstellen müssen. Ich freue mich darüber, dass wir in diesem Punkt offensichtlich absolut einer Meinung sind.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß auch, meine Damen und Herren, dass in der Vergangenheit gerade die diffizilen Fragen in der Umsetzung dieses Rechts und dieses Anspruchs durch gemeinsame Anstrengungen gelöst worden sind. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei allen bedanken.

Meine Damen und Herren, ich plädiere dafür, dass wir auf diesem Weg gemeinsam weiter voranschreiten; denn das Wohl des Kindes ist sicherlich unser gemeinsames Ziel.

Im Jahr 2005 wurde die sonderpädagogische Förderung in unserem Land grundsätzlich umfassend neu geregelt. Das System dieser sonderpädagogischen Förderung enthält drei Kernelemente: die Pluralität der Förderorte, die Vielfalt der Organisationsformen und die Weiterentwicklung des Systems durch regionale Konzepte - Frau Körtner hat darauf hingewiesen -, um in die Fläche zu kommen. Entwicklungen, Rückmeldungen und die vorliegenden Anträge auf Ausweitung belegen für uns die Richtigkeit dieses behutsam beschrittenen Weges.

Es ist darauf hingewiesen worden: Jede dritte Grundschule ist mit einer sonderpädagogischen Grundversorgung für die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung ausgestattet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Zahlen der Kinder beispielsweise an den Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen sind in Niedersachsen um 22 % gesunken, d. h. von 26 000 im Jahr 2003 auf unter 20 000 im Jahr 2008. Dies führen wir auf die Ausweitung und Kombination der Angebote zur sonderpädagogischen Förderung zurück.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ferner ist darauf hingewiesen worden, dass auch die Anzahl der Integrationsklassen angestiegen ist, allein im Zeitraum von 2005 bis 2007 von 255 auf 290. Tatsache ist: Wir setzen bereits in der Grundschule auf Prävention und können dadurch den Förderbedarf in den weiteren Schulformen vermeiden.

In unserem Land Niedersachsen besuchen 96 % der Schülerinnen und Schüler allgemeinbildende Schulen. Das, meine Damen und Herren, ist der zweitbeste Wert in der gesamten Bundesrepublik. Darauf können wir durchaus stolz sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen Frau Korter, lehnen wir verkürzt präsentierte Patentrezepte ab, die eine Abschaffung der Förderschule empfehlen, weil sie der differenzierten Problematik nicht gerecht werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unsere Förderschullehrkräfte und die Schulträger leisten ausgezeichnete Arbeit; der Schulpreis für eine dieser Schulen ist ein wirklich gutes Beispiel dafür.

Ich bin aber auch der Auffassung - insofern war diese Darstellung eben nicht komplett richtig -, dass in den Begründungen des Gesetzentwurfs und des Entschließungsantrags manches enthalten ist, das geeignet ist, um in eine weiterführende Diskussion über die Perspektiven sonderpädagogischen Förderbedarfs und über die Förderung einzutreten. Dazu gehört nach meiner festen Überzeugung auch der Hinweis auf neue Modelle der Kooperation mit anderen Trägern, die ich für sehr wichtig und richtig halte. Dieser Diskussion werden wir uns stellen, und zwar öffentlich und unter Beteiligung aller relevanten Gruppen; denn es geht um Kinder, die einen besonderen Förderbedarf haben und daher auch eine besondere Förderung brauchen. Kein Kind, kein Jugendlicher darf verloren gehen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Kultusausschuss und auf die Anhörung. Ich bin sicher, dass wir in Niedersachsen auch in diesem Bereich gemeinsam im Interesse unserer Kinder weiter vorankommen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben noch eine Restredezeit von 3:23 Minuten, Frau Korter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, für den konstruktiven Umgang mit unserem Gesetzentwurf und unserem Antrag. Das macht zumindest Hoffnung, dass wir wirklich etwas erreichen können. Das hätte ich nicht erwartet; ich freue mich darüber.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich kann allerdings nicht Ihre Auffassung teilen, dass wir mit einem verkürzten Patentrezept aufwarteten. Das ist unser Gesetzentwurf beileibe nicht, auch nicht unser Antrag; sie stellen vielmehr eine sehr differenzierte und gute Grundlage dafür dar, dass Niedersachsen tatsächlich nach vorne kommt. Wir berufen uns auf den Bildungsbericht 2008 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und auf den Bericht der KMK. Danach ist Niedersachsen Schlusslicht bei der Integrationsquote, und das muss sich ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann nicht verstehen, Frau Körtner, dass Sie sagen, es werde jetzt eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe bei der KMK eingerichtet - ad hoc heißt für mich auch „schnell“ -, die sich drei Jahre Zeit lassen soll, einen Gesetzentwurf vorzulegen oder Umsetzungsregularien zu entwerfen. Was glauben Sie wohl, was drei Jahre für ein behindertes, gehandicaptes Kind bedeuten, dessen Eltern versuchen, es in einer Schule unterzubringen, die nicht aussondert? - Das dürfen wir nicht machen. Was hindert Sie denn daran, in Niedersachsen anzufangen? - Wir haben hier eine gute Arbeitsgrundlage vorgelegt. Lassen Sie uns diese Arbeitsgrundlage durchdiskutieren und die besten Dinge umsetzen. Wir sagen ja nicht, dass alles perfekt sei; es ist ein Angebot. Vielleicht können wir zu einer guten Lösung im Sinne dieser Kinder kommen, die auf jeden Fall nicht länger ausgesondert werden wollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn es richtig wäre, dass Sie mit der sonderpädagogischen Förderung oder der Inklusion in Niedersachsen gut aufgestellt sind und dass der beste Förderort die Förderschule ist, also die aussondernde Beschulung, dann wäre Ihr Vorgehen rich

tig. Das ist sie aber nach unserer Auffassung nicht, auch nicht nach Auffassung der meisten Experten.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ent- scheiden wir doch gar nicht!)