Protocol of the Session on January 15, 2009

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ent- scheiden wir doch gar nicht!)

Frau Heister-Neumann hat gerade gesagt, es gebe in Niedersachsen jetzt 290 Integrationsklassen, worauf man sehr stolz sei. Wissen Sie, wie viele Schulklassen bis Klasse 10 wir in Niedersachsen haben? Ungefähr 37 500. 290 davon sind Integrationsklassen. Das ist wahrlich kein Grund, darauf stolz zu sein; das müssen wir ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss zitiere ich mit Genehmigung des Präsidenten aus dem Spiegel der vorigen Woche, in dem ein großer Artikel über die UN-Konvention enthalten ist:

„Theresia Degener, Juraprofessorin, Expertin für Behindertenrecht und selbst Contergan-geschädigt, betrachtet die Konvention als einen ‚Meilenstein’ für Menschen mit Behinderung. Das Gesetz werde eine Welle lostreten. ‚Erstmalig wird es einen internationalen Rechtsausschuss mit zwölf unabhängigen Experten geben, ein Überwachungsgremium, das jeder, der sich diskriminiert fühlt, anrufen kann.’ Das Gremium könne zwar kein Urteil sprechen, räumt die Juristin ein. Degener baut aber auf die Außenwirkung des Gesetzes, denn die Experten werden öffentlichkeitswirksam mit dem Finger auf die verantwortliche Regierung zeigen.“

Sorgen Sie mit mir, mit unserer Fraktion, mit dem gesamten Kultusausschuss und diesem Haus dafür, dass niemand mit dem Finger auf Niedersachsen zeigt und wir in dieser Frage tatsächlich einmal vorne sind.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf einen konstruktiven Umgang mit unseren Vorlagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu diesem Beitrag von Frau Korter liegt mir nun eine Kurzintervention von Frau Körtner vor. Bitte schön, Sie haben 1:30 Minuten!

Liebe Ina Korter, erstens ist es nicht unsere Arbeitsgruppe, sondern es ist die Arbeitsgruppe, die die Kultusministerkonferenz unter dem Namen „Ad-hoc-AG Überarbeitung der Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung“ eingesetzt hat. Zweitens ist auch das Zeitfenster nicht unsere Erfindung, sondern das steht in der Konvention.

Dies alles schließt doch nicht aus, wenn wir hier eine sehr qualifizierte Anhörung durchführen, dass wir uns schon mit den Ergebnissen beschäftigen, die auf Niedersachsen zugeschnitten sind. Aber wir sollten - das ist deswegen wichtig, weil wir immer sagen, wir wollen in etwa gleiche Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern schaffen - uns natürlich auch mit den qualifizierten Erarbeitungen der KMK beschäftigen. Im Übrigen habe ich darauf hingewiesen, wie wichtig die Berichterstattung ist und wie sehr wir auch international und national von einer sogenannten Zivilgesellschaft beobachtet werden. Von daher ist uns - die Ministerin hat es gerade angesprochen - ganz wichtig, dass wir auf diese UN-Konvention entsprechend reagieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Korter möchte antworten. Auch Sie haben 1:30 Minuten. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Körtner, es ist uns schon klar, dass die KMK ihren eigenen Zeitplan setzt. Aber was hindert uns daran, in Niedersachsen das Schulgesetz zu ändern? Wir haben dazu ja Vorschläge vorgelegt. Sie haben doch auf Bundesebene dafür gesorgt, dass Schulpolitik Ländersache ist. Dann setzen Sie das auch um. Es hindert Sie niemand daran, im Jahr 2009 anzufangen, damit wir 2010 die Weichen neu gestellt haben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.

Wir kommen nun zu den Ausschussüberweisungen.

Der Gesetzentwurf unter Tagesordnungspunkt 15 soll federführend an den Kultusausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Rechts- und

Verfassungsfragen überwiesen werden, der Antrag unter Tagesordnungspunkt 16 nur an den Kultusausschuss. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause. Wir werden um 14.30 Uhr mit der Sitzung fortfahren. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Mittagspause.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.09 Uhr bis 14.31 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.

Wir fahren in der Tagesordnung fort mit Tagesordnungspunkt 17:

Erste Beratung: Die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll neu und seriös starten - den untauglichen Salzstock Gorleben endgültig aufgeben! - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/698

Zur Einbringung hat sich Herr Herzog von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich, dass bei diesem für Niedersachsen, wie ich finde, sehr wichtigen Thema so „viele“ MdLs anwesend sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Ministerpräsident Albrecht legte am 22. Februar 1977 Gorleben als Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum mit Wiederaufarbeitungsanlage, Zwischenlager, Fasslager, Konditionierungsanlage und Endlager fest. Er machte das, wie man das in Deutschland gerne macht, von oben, aus heiterem Himmel und vor allem ohne kritische Wissenschaftler und ohne die Betroffenen mit einzubeziehen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: So ist es gerade nicht!)

Die Wiederaufbereitung kippte Ernst Albrecht, weil sie politisch nicht durchsetzbar war. Sehr schnell wurde klar, dass Gorleben ein politischer Endlagerstandort war und ist. Hören Sie deshalb auch

einmal, was damals Professor Gerd Lüttig dazu sagte - er war Niedersachsens oberster Geologe, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung. Bei Tiggemann findet sich folgendes Zitat: Auf die überraschende Nachfrage Lüttigs, dass dieser Salzstock - Gorleben - nicht auf der von ihm erstellten Liste stehe, habe Ministerpräsident Albrecht geantwortet, die Entscheidung habe andere Gründe. Die Geologen kämen später schon noch zu Wort. - Zitatende.

Auch deswegen, meine Damen und Herren, fordern wir Linken von der Regierung: Geben Sie endlich die Akten frei, aus denen hervorgeht, warum Albrecht so sprach und dann politisch entschied - und eben nicht sachgerecht.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Genau dies möchte ich hier heute untermauern. Gleichzeitig will ich Ihren falschen Behauptungen energisch widersprechen, nichts und niemand spreche gegen den Salzstock Gorleben-Rambow. Deswegen werde ich es Ihnen auch nicht ersparen, sich einige Zitate von Wissenschaftlern anzuhören, die Gorleben ablehnen.

Die mit der Untersuchung des Salzstocks Gorleben beauftragte PTB stellte sehr schnell fest, dass Gorleben-Rambow viele unheilbare Schwächen aufweist. Der Projektleiter, Professor Klaus Duphorn, übrigens kein Atomkraftgegner, wie er immer wieder selbst betont, beginnt jede seiner zehn Schlussfolgerungen aus seinen Untersuchungen mit dem Satzteil „Wir können nicht für einen Salzstock plädieren, der …“ und endet mit der Aufforderung „Erkundung anderer Lagerstätten“. Er hält damit Gorleben schlicht für untauglich und will den Salzstock damit aus dem Pool möglicher Standorte komplett herausnehmen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Das ist, um es noch einmal zu betonen, Frau Bertholdes, auch der Standpunkt des Kreistages Lüchow-Dannenberg und der überwiegenden Mehrheit der dortigen Bevölkerung.

Warum Professor Duphorn zu dieser ablehnenden Einschätzung kam, will ich mit einigen Zitaten verdeutlichen. Zitat: Der Salzstock Gorleben enthält sprödes, klüftiges Gestein. Soweit Klüfte verheilt sind, können sie aufbrechen, wenn das Gebirge durch Bergbau oder durch das Auslaufen von Laugennestern unter Spannung gerät. So kann Verbindung zum Grundwasser entstehen. Diese Ge

fahr droht vor allem unter Entwicklung der hohen Temperaturen radioaktiver Abfälle.

Genau diese Laugennester entdecke Duphorn beim Abtäufen bzw. bei den Tiefbohrungen zuhauf. Wie war das noch mal mit der Vorgabe von einem sicheren Einschluss über 1 Million Jahre?

Duphorn führte weiterhin aus - Zitat -: Bei den Rissen handelt es sich nicht um einzelne Risse, sondern um ein ganzes Netzwerk kommunizierender Röhren. Sicher ist, dass die Lauge nicht aus Einschlüssen stammt, sondern dass Risse Verbindungen zum Gipshut und damit zum darüber liegenden Gebirge haben.

So ein Projektleiter, meine Damen und Herren, der außer Fachkunde und Praxiserfahrung auch noch ein Gewissen hat, war für den weiteren reibungslosen Fortgang natürlich hinderlich. Später stellte er dann zusammen mit seinem Kollegen, dem Geologen Detlef Appels, fest: Bei der alternativen Untersuchung und Bewertung von 41 norddeutschen Salzstrukturen durch die BGR 1995 lande bei Einbeziehung Gorlebens in der Schlusslichtgruppe und bilde dort die rote Laterne.

Ein weiterer schärfster Kritiker, meine Damen und Herren, war Professor Herrmann vom geochemischen Institut der Uni Göttingen. Für die Anhörung durch den Innenausschuss des Deutschen Bundestages 1984 entwickelte er eine umfangreiche Stellungnahme. Professor Herrmann führte Folgendes aus. In den Endlagergremien saßen seines Erachtens viel zu wenige Geowissenschaftler aus der Praxis. Das wäre aus meiner Sicht natürlich Grundvoraussetzung für so einen Vorgang. Zitat: Das deutsche Salzstockkonzept basiere von Anfang an auf verallgemeinernden Behauptungen. Zwei dieser Behauptungen beziehen sich auf die ausschließlich plastische Verformbarkeit von Steinsalz sowie auf deren absolute Undurchlässigkeit gegenüber Lösungen und Gasen. Diese Behauptungen stehen in völligem Widerspruch zu den seit Jahrzehnten bekannten Beobachtungen.

Zweites Zitat: Bei der Bewegung von Salzschichten durch die Einlagerung stark Wärme entwickelnder Abfälle können sich Wegsamkeiten zwischen den Lösungsreservoiren im Salzstock und dem Endlagerbereich ausbilden.

Drittes Zitat: Salzgesteine sind nicht unter allen geologischen Bedingungen ausschließlich bruchlos verformbar.

Im Übrigen sprachen sich bei der Anhörung 1984 im Innenausschuss des Deutschen Bundestages

fünf von acht Wissenschaftlern gegen den Salzstock Gorleben aus. Alle Kritiker stellten heraus, dass die starke Wärmeentwicklung des hoch radioaktiven Atommülls zu verschärfenden Phänomenen im Salz führen werde. Verstopfte Zuflüsse würden reaktiviert, Klüfte aufbrechen, Wegsamkeiten für Laugen eröffnet, und zwar mit der Tendenz des Wanderns auf die Wärmequelle hin, also zum Atommüll hin.

Und noch jemand führte im April 1990 Beachtliches dazu aus, meine Damen und Herren, nämlich das Bundesamt für Strahlenschutz - BfS. Zitat: Es muss weiter bedacht werden, dass nach dem Ausfließen eines zunächst begrenzten Lösungsreservoirs gegenwärtig verschlossene Wegsamkeiten zum Nebengestein und Deckgebirge neu eröffnet werden können. In einem solchen Fall wäre die Gefahr weiterer Lösungszuflüsse nicht auszuschließen.

Das NMU setzte damals noch eines oben drauf - Zitat -: Aus atomrechtlicher Sicht besteht kein Zweifel daran, dass die festgestellten Risse für die Sicherheit des geplanten Endlagers von Bedeutung sind.

Alle zitierten und noch etliche weitere Wissenschaftler fordern ein Mehr- bzw. Multibarrierensystem, das aber, wie sie alle feststellten und bemängeln, in Gorleben schlichtweg fehlt. Außer den bisher beschriebenen Unzulänglichkeiten des Lagermediums Salz selbst ist das Deckgebirge auf einer Fläche von 7,5 km² zerstört. Damit steht das Grundwasser auf dem Salz, laugt jährlich Tausende Kubikmeter Salz ab und gelangt schon jetzt auf ca. 50 km² an die Oberfläche mit dort wachsender spezifischer Salzflora. Im nordöstlichen Teil des Salzstocks Gorleben-Rambow sind dadurch Ablaugungssenken - allgemeinverständlich gesagt: zwei Seen - entstanden, wobei es sich geologisch betrachtet um frische - 13 000 Jahre alte - Formen handelt. Wie war das noch einmal mit der Sicherheit für 1 Million Jahre?

Meine Damen und Herren, beim Endlagersymposium in Berlin im letzten Oktober bewegte sich der Atomlobbybeton keinen Nanometer. Deutlich wurde, dass die Sicherheitsanforderungen an Endlager nicht klarer wurden - im Gegenteil. Umweltminister Gabriel gab den Begriff „Mehrbarrierensystem“ schlicht auf. Weiterhin wurden bestimmte Kriterien einfach auf Gorleben zugeschnitten. So soll es für einen Standort sprechen, wenn in der Nähe viele Atomanlagen vorhanden sind. Das ist regelrecht ein Maßanzug für Gorleben. Vorhanden