Protocol of the Session on January 14, 2009

(Editha Lorberg [CDU]: Das tun Sie doch auch!)

Sie wissen, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung das Territorialprinzip in das Staatsangehörigkeitsrecht als Einstieg nur aufgrund eines Kompromisses einführen konnte, den Sie überhaupt nicht wollten und im Bundesrat bekämpft haben.

(Zurufe)

Seit Jahren haben wir jetzt die Situation, dass diejenigen, die inzwischen älter geworden sind und über zwei Staatsangehörigkeiten verfügen, vor dem Problem stehen, eine Optionsentscheidung treffen zu müssen. Jetzt und hier ist der richtige Zeitpunkt, diese Frage zu debattieren. Wenn Sie sich in der Sache geäußert hätten, dann wäre dies um einiges besser gewesen, als eine solch technokratische Rede zu halten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ebenfalls zu einer Kurzintervention hat sich Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Bitte schön! Sie haben anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lorberg, ich kann Herrn Bachmann nur zustimmen. Das wird Sie nicht wundern.

(Editha Lorberg [CDU]: Das wundert uns nicht!)

Ich finde es auch ziemlich erschreckend, dass jemand sagt, dass es ganz toll sei, die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben, sich aber gleichzeitig nicht vorstellen kann, dass es auch Menschen gibt, die aufgrund ihrer Wurzeln zwei Staatsbürgerschaften haben möchten. In diesem Fall muss man auf jeden Fall die Wahlfreiheit lassen.

(Zuruf von Editha Lorberg [CDU])

- Frau Lorberg, Sie können mir ruhig zuhören. Ich habe Ihnen ja auch zugehört.

Zu Herrn McAllister möchte ich sagen: Herr McAllister, ich finde es völlig in Ordnung, dass Sie zwei Staatsangehörigkeiten haben. Umso absurder wird aber die Argumentation von Frau Lorberg dafür, dass das so ist und bei Ihnen geht, bei anderen aber nicht. Herr McAllister, Sie sind doch auch schon älter als 23. Sie haben sich doch dafür entschieden. Ich finde es in Ordnung.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur nächsten Kurzintervention erteile ich Frau Polat das Wort. Bitte schön!

Meine Damen und Herren! Ich kann erstens nur festhalten, dass hier die Doppelmoral der Integrationspolitik der Landesregierung sehr deutlich geworden ist.

Zweitens zurück ins finstere 19. Jahrhundert: Frau Lorberg, Sie argumentieren immer noch wie die Väter des Reichs- und Staatsangehörigkeitsrechts des 19. Jahrhunderts.

Drittens hätte ich mir gewünscht - das sind Sie uns auch im Ausschuss und in der Integrationskommission schuldig geblieben -, dass Sie uns einmal sagen, welches Argument diese Landesregierung und die CDU auf Bundesebene - in diesem Fall auch die FDP - gegen eine doppelte Staatsangehörigkeit dieser jungen Menschen anführen. Weshalb gestehen Sie mir als Tochter aus einer binationalen Ehe eine doppelte Staatsangehörigkeit zu,

nicht aber einem anderen Kind, das hier geboren worden ist? Nennen Sie dafür nur ein einziges Argument!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auf die Kurzinterventionen möchte der Kollege Biallas antworten. Bitte schön! Sie haben anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsbürgerschaft ist ja nicht irgendein Artikel, den man an der Börse handeln oder erwerben kann, sondern mit der Staatsbürgerschaft sind tiefgreifende Rechte und Pflichten verbunden. Aus diesem Grund hat es einen Kompromiss gegeben, an dem vier Parteien, die auch hier im Landtag vertreten sind, beteiligt waren. Dieser Kompromiss galt über alle Jahre. Jetzt, wo dieser Kompromiss eingelöst werden soll, versuchen hier zwei Fraktionen, sich in die Büsche zu schlagen und aus dem Staub zu machen, nämlich die Roten und die Grünen. So einfach ist das. Wir verlangen nichts anderes, als dass der Kompromiss, der geschlossen worden ist, jetzt auch eingehalten wird und erst einmal geschaut wird - - -

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Der erpresst worden ist! Erpresst wurde der!)

- Es geht auch leise, Herr Kollege Bachmann. Ich habe schon immer gesagt: Zu hoher Blutdruck ist ungesund. - Es geht jetzt darum, dass wir erst einmal sehen, wie sich das in der Praxis auswirkt. Dann können wir noch einmal darüber sprechen. Es gibt aber im Moment noch gar keine konkreten Fälle, sondern nur von Ihnen befürchtete Fälle.

In Bezug auf den Kollegen McAllister habe Ihnen bereits im Ausschuss erklärt - ich wiederhole das hier -: Es geht dabei meistens um die Frage, ob türkische Staatsbürger zugleich deutsche Staatsbürger werden können. Um diese Frage geht es. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Türkei zumindest derzeit nicht Mitglied der EU ist. Herr McAllister heißt McAllister, weil er einen schottischen Vater hat. Deswegen ist er britischer Staatsbürger und deutscher Staatsbürger. Von Ihnen wird ja wohl niemand behaupten wollen, dass Herr McAllister in der Türkei geboren ist. Das ist der Unterschied zwischen Herrn McAllister und dem Sachverhalt, um den es hier geht.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist menschen- verachtend! Dass Sie sich nicht schämen! - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Herzlichen Dank für die ehrli- chen Worte! - Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN - Unruhe)

Der nächste Redner ist Herr Bode von der FDPFraktion.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Schä- men Sie sich! - Weiterer Zuruf von der LINKEN: Das war Rassismus pur! - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Jetzt musst du aber wieder was rausholen nach dem, was dein Koalitionspartner hier angerichtet hat! - Unruhe)

- Im Moment kann ich es Ihnen noch nicht erteilen, Herr Bode. - Nachdem sich jetzt die Emotionen etwas gelegt haben, erteile ich Herrn Kollegen Bode das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann sehr gut verstehen, dass diese Debatte sehr emotional und aufgrund eigener Erfahrungen auch sehr persönlich geführt wird. Bei der Frage des Staatsbürgerschaftsrechts geht es in der Tat auch immer um die Frage, welches das Vaterland ist und wo die Heimat ist. Kann man beispielsweise parallel in zwei Staatsbürgerschaften auch zwei Vaterländer tatsächlich abbilden? Ist das vertretbar? Wie ist die Identifikation, wie ist die Integration gewährleistet?

Ich denke, wir tun ganz gut daran, wenn wir in einer derartigen, auch unser Wertesystem berührenden Frage nicht heute so und morgen anders entscheiden. Wir sollten vielmehr versuchen, in der Bevölkerung einen breiten Konsens in dieser Frage herzustellen. Denn man kann das Staatsangehörigkeitsrecht nicht heute ändern und sagen „Es kommt auf die Herkunft an“ und morgen sagen „Wir verfahren doch nach dem Geburtsprinzip, also dem Geburtsort“. Ich meine, wir sollten in dieser Frage einen langfristigen Konsens und auch eine langfristige Regelung begrüßen.

Wir haben es mit dem Problem zu tun, dass die SPD auf der einen Seite - das hat der Kollege Bachmann hier richtig ausgeführt - eine komplette Systemänderung haben wollte. Die CDU, die andere große Volkspartei in Deutschland, war auf der

anderen Seite zu dieser Veränderung nicht bereit, sondern wollte es bei dem altbewährten Recht in Deutschland belassen. Trotzdem hat man für einen Personenkreis, der hier in Deutschland geboren ist und die deutsche Staatsbürgerschaft sonst nicht bekommen würde, eine Lösung gesucht und in einem ziemlich intensiven Vermittlungsverfahren zwischen allen Seiten einen Kompromiss gefunden. Ich finde, dass man, solange die Meinung in der deutschen Gesellschaft nach wie vor in zwei große Blöcke geteilt ist, die nicht in Einklang zu bringen sind, an dem von den beteiligten Parteien und Fraktionen gefundenen Kompromiss der Option - der in der Bevölkerung zwar nicht bei allen, aber bei einem großen Anteil Akzeptanz findet - festhalten sollte. Man muss ihn allerdings auch evaluieren. Man kann ihn aber nicht evaluieren, bevor das Optionieren und das Entscheiden in der Tat das erste Mal stattgefunden haben.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Was wollen Sie denn da evaluieren?)

Man muss vielmehr darauf schauen: Ist das vertretbar, ist es akzeptabel, welche Probleme werden dadurch ausgelöst?

(Filiz Polat [GRÜNE]: Die CDU will die doppelte Staatsbürgerschaft nicht!)

Der richtige Zeitpunkt dafür ist, meine ich, der Herbst dieses Jahres. Die Innenministerkonferenz hat ja entsprechende Prüfaufträge erteilt und Arbeitsgruppen eingesetzt. Nach den Ergebnissen und den konkreten Erfahrungen sollten wir in einem neuen Dialog zu einem neuen parteiübergreifenden Konsens finden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auf den Beitrag von Herrn Bode hat sich Herr Adler zu einer Kurzintervention gemeldet. Herr Adler, Sie haben für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte etwas zu den Ausführungen von Herrn Bode sagen. Herr Bode, ich hatte von Ihnen eigentlich erwartet, dass Sie uns einmal einen sachlichen Grund verraten, warum die doppelte Staatsbürgerschaft so schädlich ist. Ich habe bisher von keinem Vertreter der Regierungsfraktionen dazu etwas gehört. Es wurde ja mehrfach

angemahnt, hier einmal darzulegen, was gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft spricht, was daran so schlimm ist, wenn jemand zwei Staatsbürgerschaften hat. Dazu haben Sie nichts gesagt.

Als Zweites hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie sich nach der Rede von Herrn Biallas von dessen - ich sage das ganz bewusst so; denn so ist es rübergekommen - rassistischen Äußerungen distanzieren,

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

die darauf hinausliefen, bei einem britischen Staatsbürger würde er eine doppelte Staatsbürgerschaft in Kauf nehmen, nicht aber bei einem türkischen Staatsbürger. Herr Biallas, es war wirklich schlimm, was Sie gesagt haben.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir sind am Ende der Beratung.

Wir haben die Tagesordnungspunkte 8 und 9 gemeinsam beraten, lassen aber getrennt darüber abstimmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 8.