Protocol of the Session on January 14, 2009

Meine Damen und Herren, eines will ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen, und zwar mit Nachdruck: Aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion ist es völlig egal, ob Personen zusätzlich die irische, britische, polnische, türkische oder irgendeine andere Staatsangehörigkeit besitzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Herkunft eines Menschen darf im Sinne der Gleichbehandlung keine Rolle spielen. Deshalb stimmen wir beiden Anträgen zu bzw. lehnen die Beschlussempfehlung ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen könnte das auch ein Anlass sein, das Gesetz in weiteren Punkten zu überarbeiten und den Realitäten anzupassen. Erwähnt sei die im Gesetz verankerte Aufhebung der Inlandsklausel. Seit Aufhebung der sogenannten Inlandsklausel in § 25 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zum 1. Januar 2000 führte der Wiedererwerb einer anderen Staatsangehörigkeit zum unmittelbaren Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Das galt bei Deutschen mit einem Inlandsaufenthalt zuvor nicht. Die neue Regelung wurde auch als lex turca bezeichnet, weil sie insbesondere den gängigen und von türkischen Behörden geförderten Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft nach einer Einbürgerung unterbinden sollte.

Einer breiteren Öffentlichkeit und auch vielen Betroffenen wurde die Problematik erst nach Presseberichten im Jahr 2005 bekannt. Infolge dieser Rechtslage gibt es eine unbekannte Zahl von Menschen, die in der Bundesrepublik leben, als Deutsche gelten, die deutschen Staatsbürger

schaftsrechte in Anspruch nehmen und sich selbst als Deutsche sehen, aber streng juristisch betrachtet längst keine Deutschen mehr sind. Deshalb sollte in den Fällen des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund des Wiedererwerbs einer anderen Staatsangehörigkeit für bereits eingetretene Verlustfälle eine Amnestieregelung getroffen werden, die sinngemäß eine rückwirkende Fortschreibung der bis zum 1. Januar 2000 geltenden Inlandsklausel beinhaltet.

Herzlichen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Lorberg von der CDU-Fraktion. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Nach den guten Reden hat sie es jetzt aber schwer!)

Keine Angst, Herr Bachmann, ich schaffe das schon.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie in dem SPD-Antrag beschrieben, ist es geltendes Recht, dass Kinder, die nach dem 31. Dezember 1999 hier geboren wurden und deren Eltern nicht aus EU-Staaten stammen, die deutsche Staatsbürgerschaft mit der Geburt erwerben, wenn ein Elternteil ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt und ein rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland mindestens seit acht Jahren vorliegt.

An dieser Stelle erinnere ich daran, dass es zu der Zeit der rot-grünen Bundestagsmehrheit zu der Einigung über die Optionsmöglichkeit im Staatsangehörigkeitsrecht kam und dass man die Vermeidung von Mehrstaatigkeit über die Jahre hinweg im Grundsatz beibehalten hat.

(Zustimmung bei der CDU - Klaus- Peter Bachmann [SPD]: Das ist eben beschrieben worden! Das ist Ge- schichtsklitterung, Frau Kollegin!)

Nun führen Sie das Argument Bundesrat an und verstecken sich zu gern hinter diesem damals getroffenen Kompromiss. Sie haben ihn damals mitgetragen. Heute wollen Sie nichts mehr davon wissen.

(Beifall bei der CDU)

So ist es immer. Erst machen Sie im Wahlkampf große Reden, versprechen den Migrantinnen und Migranten das Blaue vom Himmel, und dann stimmen Sie den Kompromissen zu, die Sie vor der nächsten Wahl wieder infrage stellen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Meine Damen und Herren, man könnte Sie auch als Quartalspolitiker bezeichnen: Vor den Wahlen dröhnen Sie die Menschen mit Ihren Schnapsideen zu, erinnern sich in Ihrer Katerstimmung nicht mehr an die gesagten Worte, und dann lassen Sie die Menschen für Jahre auf dem Trockenen sitzen, um vor der nächsten Wahl - die nächste Bundestagswahl wird bekanntlich im Herbst stattfinden - wieder ein neues Fass zu öffnen. Da kann man nur sagen: Prost Mahlzeit!

(Beifall bei der CDU)

Nur gut, dass Ihre Strategien zu durchsichtig sind und dass Sie damit längst nicht mehr überzeugen können.

(Beifall bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Zum Thema!)

Wie eingangs beschrieben, haben die hier geborenen Kinder ausländischer Herkunft unter den oben genannten Bedingungen die deutsche Staatsbürgerschaft durch ihre Geburt erworben. Die Kindheit, die Jugend und die Zeit als junge Erwachsene verbringen sie in Deutschland. In den allermeisten Fällen entsteht auch eine tiefe Verwurzelung zu Deutschland. Parallel wird aber die Kultur aus den Herkunftsländern der Eltern oftmals sehr intensiv in den Familien gepflegt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch schön!)

Für einige Familien ist die Verbindung zum Herkunftsland gleichermaßen die Bindung an die Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes. Selbst wenn die hier geborenen Kinder nie oder nur sehr selten das Land der Vorfahren gesehen haben, besteht ein enger Bezug zu der Herkunftsstaatsbürgerschaft der Eltern mit dem festen Willen, diese Staatsbürgerschaft auch für ihre Kinder zu wählen. Sehen die Nachkommen - sprich: die Kinder - das ebenso, müssen und wollen wir das natürlich akzeptieren. In diesem Fall wird die deutsche Staatsbürgerschaft mit der Volljährigkeit wieder abgegeben. Ein junger Mensch kann diese Entscheidung bis zum 23. Lebensjahr hinauszögern und erst dann entscheiden, ob er tatsächlich

die deutsche Staatsbürgerschaft oder aber die Staatsbürgerschaft der Eltern haben möchte.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Warum soll er denn nicht zwei haben?)

Meine Damen und Herren, wir stellen unsere jungen Erwachsenen mit 18 Jahren vor viele und weitreichende Entscheidungen. Wir übertragen ihnen mit 18 Jahren Rechte und Pflichten von einem Tag auf den anderen. Aber: Wir bereiten sie auch 18 Jahre lang darauf vor.

(Beifall bei der CDU)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, glauben nun, dass die jungen Menschen, die vor der Option stehen, ihre Staatsbürgerschaft festzulegen, zu einer solchen Entscheidung nicht in der Lage sind. Wollen Sie uns allen Ernstes weismachen, dass man in 23 Lebensjahren nicht herausfinden kann, ob man der deutschen oder einer anderen Staatsbürgerschaft angehören möchte? Woher nehmen Sie eigentlich diese Erkenntnisse?

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Warum denn nicht zwei?)

Trauen Sie unseren jungen Migrantinnen und Migranten da nicht viel zu wenig zu? - 23 Jahre sollten wirklich ausreichen, um zu wissen, ob man die deutsche Staatsbürgerschaft haben möchte.

(Beifall bei der CDU)

In einem Zeitungsbericht war vor Kurzem von einigen Optionsjugendlichen zu lesen. Es wurde auch der Fall geschildert, dass ein junger Mann sehr gern die deutsche Staatsangehörigkeit behalten möchte, da er sich voll und ganz als Deutscher fühlt. Da aber die Eltern dies keinesfalls wollten, musste er sich dem Willen der Eltern beugen und die deutsche Staatsangehörigkeit abgeben und die Staatsangehörigkeit der Eltern annehmen. Nun argumentieren Sie natürlich, dass in diesem Fall die doppelte Staatsbürgerschaft das Mittel zum Zweck sei. Nein, das sehe ich keinesfalls so. Ich kann es nicht akzeptieren, dass wir ein solches Verhalten innerhalb einiger Familien auch noch unterstützen und Tür und Tor für die generelle Mehrstaatigkeit öffnen. Wenn in diesen Familien so entschieden wird, haben nicht wir als deutscher Staat ein Problem, sondern dann liegt das Problem eindeutig in den Familien und muss auch dort gelöst werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Lorberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Polat?

Nein. - In zahlreichen Gesprächen mit jungen Migrantinnen und Migranten habe ich feststellen müssen, dass sich eine große Anzahl der jungen Menschen trotz der Verwurzelung in Deutschland klar für die Staatsbürgerschaft der Eltern entscheiden möchte. Nur wenige haben überhaupt ein Interesse an der deutschen Staatsangehörigkeit. Die gelebte Kultur in den Elternhäusern prägt die Kinder. Das ist für diese Familien auch gut so.

Eine zweite Staatsangehörigkeit zu wählen, weil man dadurch z. B. wirtschaftliche Vorteile erwartet, kann und darf nicht Grundlage unserer Überlegungen sein. Nur allzu gern führen Sie das unterschiedliche Recht der doppelten Staatsangehörigkeit der EU-Bürger an. Doch auch in diesem Fall gilt, Äpfel nicht mit Birnen zu vergleichen. Hier stehen das klare Bekenntnis zur EU und deren Freizügigkeit im Vordergrund. Die Staatsangehörigkeit ist ein hohes Gut. Wir verbinden damit Rechte und Pflichten sowie eine Zugehörigkeit, die gerade unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung nicht vergessen werden darf.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Was ist mit den Kindern aus binationalen Ehen?)

Ich sehe durch die klare Bekennung zu einer Staatsbürgerschaft auch eine Stärkung der Persönlichkeit. Von daher begrüße ich diese Entscheidung auch sehr. Es gibt in Deutschland viele Menschen, die aus sehr unterschiedlichen Gründen eine doppelte Staatsangehörigkeit haben. Wenn ein besonderer Härtefall vorliegt, prüft die Niedersächsische Landesregierung diesen auch ganz genau und kann dann auch für eine doppelte Staatsangehörigkeit sprechen.

Zu guter Letzt möchte ich Sie bitten: Tun Sie nicht so, als müsse man sich entschuldigen, wenn man sich mit Stolz zur deutschen Staatsangehörigkeit bekennt, was übrigens manch einem gut zu Gesicht stehen würde. Die vorliegenden Anträge lehnen wir ab.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Bachmann gemeldet. Bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon erschreckend, wenn man hier zu dieser Thematik eine so technokratische Rede hören muss, wie Sie sie eben gehalten haben.

(Beifall bei der SPD - Editha Lorberg [CDU]: Sie haben gar nicht zugehört!)

Ich möchte jetzt Ihnen antworten, Frau Lorberg. Herr McAllister, das war ja auch an Sie gerichtet. Haben Sie an dieser Stelle keine emotionale Bindung, wie sie Herr Dr. Rösler wenigstens zum Thema „Boat People“ hatte, oder geben Sie jetzt nach dieser Rede eine Ihrer beiden Staatsangehörigkeiten freiwillig zurück? Diese Frage stellt sich hier doch.

(Beifall bei der SPD)

Hier ist ja nicht zu Unrecht nach der unterschiedlichen Behandlung von Kindern aus binationalen Familien gefragt worden, sondern Sie, Frau Lorberg, haben hier auch Geschichtsklitterung betrieben und das falsch dargestellt. Sie haben gesagt, wir würden in dieser Frage Schnapsideen vorbringen und uns in jedem Quartal anders verhalten.

(Editha Lorberg [CDU]: Das tun Sie doch auch!)