Protocol of the Session on November 13, 2008

(Ralf Briese [GRÜNE]: Das hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Tobin vor- geschlagen! - Zuruf von der SPD: Ausgezeichnet!)

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung steht auf dem Standpunkt, dass zusätzliche Steuern nicht erforderlich sind. Es hätte die Finanzkrise auch nicht beeinflusst, wenn auf jeden Umsatz von Aktien oder Papieren eine zusätzliche Steuer erhoben worden wäre. Denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Hier sind Spekulationen passiert, die weltweit auch dann passiert wären, wenn wir hier in Deutschland eine zusätzliche Steuer eingeführt hätten.

Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Mich interessieren die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf den niedersächsischen Konjunkturverlauf und auf den Haushalt. Wie erklärt sich die Landesregierung die erhebliche Diskrepanz zwischen der Konjunkturprognose im Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen - sie gehen von einem Nullwachstum im nächsten Jahr aus - und der von ihr aufgestellten Prognose eines Wachstums um 2,1 %, wenn ich mich recht erinnere? Immerhin ist dieses Jahresgutachten von den führenden Ökonomen der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt worden. Das ist meine erste Frage.

Meine zweite Frage lautet: Wenn sich der Konjunkturverlauf sowieso recht positiv entwickelt, wie es der Finanzminister hier gerade dargestellt hat - keine Probleme auf dem Arbeitsmarkt, relativ wenig Probleme auf dem Binnenmarkt -, warum brauchen wir dann überhaupt ein teures Konjunkturpaket, wie es derzeit angedacht wird?

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen zwischen dem nominalen und dem realen Wachstum, das angenommen wird,

unterscheiden. Das nominale Wachstum liegt der Steuerschätzung zugrunde, beim realen Wachstum wird die Inflationsquote abgezogen. Das haben Sie jetzt miteinander vermengt.

Die Prognose des nominalen Wachstums, die der Steuerschätzung zugrunde liegt, haben wir in Übereinstimmung mit der Bundesregierung - sie gibt die Wachstumserwartungen vor; denn irgendeiner muss ja sagen, welche Daten der Steuerschätzung zugrunde gelegt werden - von 2,7 auf 2,1 % reduziert, wenn ich es richtig im Kopf habe. Das reale Wachstum, das bei weniger als 1 % liegt, hat mit der Steuerschätzung nichts zu tun, weil die Steuern auf den tatsächlichen Geldumlauf erhoben werden. Wenn der Geldumlauf durch Inflation steigt, steigen entsprechend auch die Steuern. Deshalb widersprechen sich diese beiden Annahmen nicht.

Zu Konjunkturprogrammen kann man unterschiedlicher Meinung sein. Sicherlich ist der Staat gefordert, die Konjunktur jederzeit zu stützen. Aber mir liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie sich das in Zukunft auswirken wird.

Der Kollege Dr. Althusmann stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Minister, wie bewerten Sie die Reaktionsfähigkeit der deutschen Bankenaufsicht vor dem Hintergrund, dass das Bundesfinanzministerium offensichtlich bereits im März dieses Jahres über die Milliardenabschreibungen bei der deutschen Hypo Real Estate informiert war, fünf Prüfer dorthin geschickt hat, dieser Bericht dem Bundesfinanzministerium auch relativ frühzeitig vorlag und dadurch im Prinzip die gesamte Vertrauenskrise in Bezug auf den Finanzmarkt erst entstanden ist?

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Wenn die Berichte, die ich ebenfalls gelesen habe, zutreffen, ist das sicherlich ein Organisationsfehler innerhalb des Bundesfinanzministeriums.

Die nächste Frage stellt Herr Heidemann von der CDU-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, die Instrumente, die die Krise mit ausgelöst und befördert haben - wie Leerverkäufe und Transaktionen, die sehr undurchschaubar sind -, am Börsen- und Finanzmarkt einzudämmen oder auch zu verbieten?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leerverkäufe gibt es ja nicht nur im Wertpapier- und Aktienhandel, sondern Leerverkäufe sind ein seit Langem an der Börse vorhandenes Instrument, das z. B. von der Nahrungsmittelwirtschaft in Anspruch genommen wird, indem Landwirte eine Ernte zum Teil oder ganz verkaufen, die noch gar nicht gewachsen ist, um Planungssicherheit für das Einkommen zu haben. Ich glaube nicht, dass wir insoweit mit nationalen Verboten hinkommen werden; denn der Finanzmarkt ist international und erstreckt sich um die ganze Welt. Wenn das kleine Land Bundesrepublik Deutschland da etwas zu regeln versucht, dann wird das eben in anderen Ländern abgewickelt. Deshalb halte ich insoweit einen nationalen Alleingang nicht für geboten.

Die Frage ist, ob man sich daran beteiligt. Wer sich daran beteiligt, muss wissen, dass er damit ein Risiko eingeht. Bei einem Risiko kann man hohe Gewinne, im umgekehrten Fall aber auch hohe Verluste machen. Deshalb kann ich jedem empfehlen, sich daran nur zu beteiligen, wenn er etwas von der Sache versteht, und nicht auf hohe Gewinne zu setzen und sich hinterher zu wundern, wenn es zu hohen Verlusten kommt.

Die nächste Frage stellt Herr Schönecke von der CDU-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung: Wie schätzt sie die Arbeitsweise der internationalen Ratingagenturen und die Kontrollmechanismen der Bundesbank und der BaFin ein? Die dortigen Leistungen, die in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert worden sind, könnten dazu führen, dass sich die Landesregierung in den Prozess einbringt.

Herr Minister!

Zu den Ratingagenturen habe ich schon in der letzten Landtagssitzung Stellung genommen. Es ist sicherlich wünschenswert - daran muss dringend gearbeitet werden -, dass wir nicht von den drei amerikanischen Ratingagenturen abhängig sind, sondern es hinbekommen, eine ernst zu nehmende europäische Ratingagentur aufzubauen.

Die Frage hinsichtlich der Kontrollmechanismen der Bundesbank und der BaFin ist immer schwierig zu beantworten. Bis vor Kurzem hieß es eigentlich, die Kontrollen seien zu dicht, zu eng und überzogen. Liegt das Kind im Brunnen, heißt es hinterher, die Kontrollen seien nicht dicht genug gewesen. Ich glaube, dass die vorhandenen Mechanismen durchaus ausreichend sind. Dass bei jeder Kontrolle immer wieder Fehler passieren können, dass etwas übersehen wird, ist bedauerlich. Aber jetzt noch engere Kontrollen einzuziehen, würde, glaube ich, dem gesamten Markt nichts nützen, sondern ihn eher noch stärker einengen.

Die nächste Frage stellt Herr Rickert von der FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Unternehmerverbände erst heute Morgen haben verlautbaren lassen, dass die niedersächsische Wirtschaft dank des guten Standings von NORD/LB und VW relativ robust aufgestellt ist und wahrscheinlich sehr gut durch diese Krise kommen könnte, frage ich die Landesregierung: Gibt es Hinweise darauf, dass die Kreditvergabe in der mittelständischen Wirtschaft in irgendeiner Weise behindert ist? Ist die Kreditversorgung der niedersächsischen mittelständischen Wirtschaft gewährleistet?

Herr Minister!

Grundsätzlich gibt es in Niedersachsen, soweit wir das beurteilen können, keine generelle Kreditklemme. Es wird natürlich vereinzelt Fälle geben, in denen Einzelunternehmen es nicht so leicht

haben, Kredite zu bekommen. Aber da muss man sich jeden Einzelfall anschauen und sollte jetzt nicht alles auf die Finanzkrise schieben. Um beurteilen zu können, ob das der Grund dafür ist, dass ein Unternehmer keinen Kredit bekommt, müsste man sich den Einzelfall ansehen. Wir haben gestern beim Sparkassenverband auch darüber gesprochen. Es gibt sehr stabil aufgestellte Sparkassen und sehr gute Volksbanken hier im Lande, die die mittelständische Wirtschaft gemeinsam mit den Landesbanken mit Krediten versorgen. Ich sehe da also keine generelle Sorge. Einzelfälle können wir natürlich nicht ausschließen.

Die nächste Frage stellt die Abgeordnete Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass Herr Möllring gerade der Auffassung des Wirtschaftsrates widersprochen hat, Deutschland sei in einer Rezession, frage ich die Landesregierung, wie sie angesichts dieses deutlichen Widerspruchs zwischen Auffassung des Wirtschaftsrates und Auffassung der Landesregierung die Kompetenz dieses Wirtschaftsrates einschätzt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Nach meiner Kenntnis, Frau Kollegin, hat der Wirtschaftsrat nicht gesagt, wir sind in einer Rezession - dafür sprechen auch die Tatsachen nicht -, sondern er hat davor gewarnt, dass wir in eine Rezession gehen. Das ist Zukunft.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Teilen Sie die Auffassung denn?)

- Ich bin kein Prophet. Ich glaube es nicht. Ich halte es auch für falsch, das künstlich herbeizureden.

(Beifall bei der CDU)

Dass manche lieber die Katastrophe sehen als den Optimismus, ist bekannt; das habe ich auch schon gesagt. Aber Wirtschaftspolitik ist - das hat schon Ludwig Erhard gesagt - zu 50 % Psychologie. Deshalb halte ich es nicht für gut, wenn wir als Politiker oder andere versuchen, die Katastrophe herbeizureden; im Moment gibt es dafür keine

Anzeichen. Dass die Wirtschaft nicht so laufen wird wie in den letzten Jahren, ist selbstverständlich; denn wir hatten einen Boom, und nach einem Boom kommt immer eine kleine Delle. Diese sollte man nicht durch künstliches Herbeireden verstärken.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Herr Minister Möllring, Sie haben eben gesagt, der Abschreibungsbedarf infolge der Lehman-Pleite und den Problemen der isländischen Banken sei bei der NORD/LB in einem beherrschbaren Bereich. Können Sie das genauer formulieren, welchen Umfang der Abschreibungsbedarf hat?

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte beim letzten Mal schon gesagt, dass wir in der Lehman-Bank engagiert waren. Nach den derzeit vorliegenden Zahlen werden wir in der NORD/LB einen Wertberichtigungsbedarf von ca. 60 Millionen Euro haben. Das ist in etwa die Größenordnung; es kommt ja darauf an, wie es endgültig ausgeht. Aber so wird es im Moment bewertet. In Island war die NORD/LB nicht engagiert.

Die letzte Zusatzfrage stellt Herr Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Die FDP fordert als Antwort auf die Krise Steuersenkungen. Da das FDP-Steuersenkungsmodell nach Auffassung von Fachleuten rund 70 Milliarden Euro kosten und ein entsprechend großes Loch in die öffentlichen Kassen reißen würde, ohne dass eine Gegenfinanzierung erkennbar wäre, frage ich die Landesregierung: Hält sie Steuersenkungen in der aktuellen Lage für krisengerecht?

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt z. B. ein Vorschlag der Bundesregierung vor, die degressive Abschreibung wieder einzuführen. Das ist zwar keine Steuersenkung im eigentlichen Sinne, bedeutet aber ein Verschieben der Besteuerung nach hinten. Ansonsten wird über das eine oder andere Steuermodell nachgedacht. Das muss man dann im Einzelnen prüfen.

Hier generell einzelne Parteiprogramme oder Vorstellungen einzelner Parteien zu erörtern - dazu sehe ich mich nicht in der Lage. Sie können es herunterrechnen: Jede Milliarde, die weniger eingeht, geht bei allen öffentlichen Händen weniger ein. Man muss immer die Kosten-Nutzen-Relation betrachten. Steuersenkungen können durchaus dazu führen, dass die Konjunktur wieder so anspringt oder so belebt wird, dass diese Steuersenkungen später durch eine erhöhte Wirtschaftstätigkeit wieder ausgeglichen bzw. mehr als kompensiert werden. Das muss man aber im Einzelnen prüfen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)