Protocol of the Session on November 13, 2008

Die Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung in Niedersachsen sind mit Blick auf das aktuell veröffentlichte Gutachten der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nur eingeschränkt absehbar.

Im Mittelpunkt des am 14. bis 15. November 2008 stattfindenden Weltfinanzgipfels stehen die Forderungen nach mehr Transparenz auf den Finanzmärkten und einer stärkeren europäischen und internationalen Aufsicht über die weltweiten Finanzverflechtungen.

Da das deutsche Rettungspaket bereits durch die EU-Kommission genehmigt wurde, sind alle Instrumente des Finanzmarktstabilisierungsfonds inzwischen in Kraft.

Wir fragen deshalb die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die bisher ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung des Finanzmarktes und deren Auswirkungen auf den Finanzplatz Niedersachsen?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur?

Herr Minister Möllring, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das angesprochene Thema hat wie selten ein anderes die Medien und auch das politische Handeln der letzten Wochen dominiert. Aus allen Fraktionen liegen Entschließungsanträge vor, die wir heute Abend noch beraten werden.

Niedersachsen ist von der Finanzmarktkrise zwar nicht direkt betroffen, aber natürlich gehen die Folgen nicht an unserem Land vorbei. Allerdings haben die Norddeutsche Landesbank und die zum Konzern gehörende Bremer Landesbank keine Subprimetitel und nur in klar beherrschbarem Umfang Abschreibungsbedarf im Zusammenhang mit der Lehman-Pleite bzw. den Schwierigkeiten isländischer Banken. Das liegt an der soliden Geschäftspolitik des NORD/LB-Konzerns.

Aus niedersächsischer Sicht hätte sich die Landesregierung eigentlich zurücklehnen können; denn die Risiken kamen von deutlich anderer Stelle. Aber es ist doch wichtig, Ursachen und Wirkungen der Finanzmarktkrise zu analysieren, um entscheiden zu können, welche Maßnahmen geeignet sind, um künftig derartige Situationen zu verhindern. Darüber hinaus ist es unser Ziel, die Wirkungen, die diese Krise verursacht hat, soweit es in unserer Macht steht, abzufangen und das Vertrauen in die Finanzmärkte zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Dieses Problem betrifft alle Finanzinstitute.

In Europa und somit auch in Deutschland wurde zunächst der Versuch gestartet, die Liquiditätsprobleme der betroffenen Kreditinstitute durch gezielte Einzelmaßnahmen in den Griff zu bekommen. So wurde, wie Sie wissen, durch den Freistaat Sachsen und die anderen Landesbanken und

Sparkassen für die Sachsen LB ein Garantieschirm gespannt. Mit der Pleite der Lehman-Bank in den USA, von der viele Institute betroffen waren, die bereits durch die Subprime-Krise angeschlagen waren, und spätestens mit der Liquiditätsnot der Hypo Real Estate, die über ihre irische Tochter, die Depfa, ins Straucheln geraten war, wurde jedoch klar, dass weitere Belastungen nur noch durch eine gesamtstaatliche Lösung aufgefangen werden können. Die Möglichkeiten, mit Einzelmaßnahmen zu reagieren, waren erschöpft.

Benötigt wurde ein Konzept, das eine Gesamtabsicherung für die Finanzdienstleistungsbranche beinhaltet und somit wieder Sicherheit und Vertrauen nicht nur in einzelne Institute, sondern in die gesamte Branche bringt. Oberstes Ziel ist dabei nicht nur die Stützung der Finanzwirtschaft, sondern auch, soweit wie möglich zu verhindern, dass die Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft durchschlägt. Uns allen ist bewusst, dass die betriebswirtschaftlichen Zusammenbrüche einzelner Banken und Versicherungen keine Einzelschicksale sind, sondern das gesamte Finanzdienstleistungssystem gefährden. Da die internationale Finanzdienstleistungswelt eng miteinander verwoben ist, waren Auswirkungen auf deutsche Institute zwangsläufig, auch wenn keine oder dem Risikoprofil angemessene spekulative Geschäfte in den Büchern standen.

Die Niedersächsische Landesregierung hat deshalb die Initiative der Bundesregierung, das Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf den Weg zu bringen, von Anfang an tatkräftig unterstützt. Wir haben dieses Instrument als wichtige gesamtstaatliche Angelegenheit angesehen. Deshalb haben wir zugestimmt, die finanziellen Lasten hierfür gemeinsam mit dem Bund zu tragen, obwohl gerade die Institute in Niedersachsen nicht oder nur in klar beherrschbarem Bereich betroffen sind. Unabdingbar war für uns in den Verhandlungen über das Finanzmarktstabilisierungsgesetz jedoch der Grundsatz, dass der Stabilisierungsfonds des Bundes allen Banken und Sparkassen gleichermaßen zur Verfügung steht. Ziel der Beratungen war, dass der Fonds Sicherheit für alle am Finanzmarkt tätigen Institute schaffen und somit das Vertrauen der Wirtschaft und von uns allen als Konsumenten in die Stabilität unseres Systems stärken sollte.

Weiter musste sichergestellt werden, dass eine finanzielle Mitverantwortung der Länder bedeutet, dass die Länder ein Mitspracherecht bei der Abwicklung des Stabilisierungsfonds haben. So konn

ten wir durchsetzen, dass die Verordnung über die Abwicklung und Auflösung des Fonds der Zustimmung des Bundesrats bedarf und die Länder einen Vertreter in den Lenkungsausschuss des Fonds entsenden. Darüber hinaus konnte das Haftungsrisiko für Niedersachsen, das im schlimmsten Fall eintreten könnte, auf etwa 700 Millionen Euro gedeckelt werden. Wahrscheinlich wird es nicht eintreten. Ich bin optimistisch, dass aufgrund der zu erwartenden Einnahmen des Fonds das Haftungsrisiko gar nicht eintreten wird.

Das Kernproblem der Finanzmarktkrise ist weniger eine Ertragskrise als eine Vertrauenskrise. Geschäfte im Interbankenverkehr sind plötzlich zum unkalkulierbaren Risiko geworden. Nun war es eine wichtige Aufgabe, das jahrzehntelange Grundvertrauen im Interbankenverkehr wiederherzustellen, damit die Liquiditätsengpässe auf den Märkten nach und nach wieder beseitigt werden können. Die Chance des Fonds liegt genau darin, dass die Investoren und Anleger auf die Risikostabilität ihres Kontrahenten wieder vertrauen können und deshalb wieder in der Lage sind, untereinander Geschäfte zu machen. Genau das war das Ziel der Bundesregierung. Deshalb hat die Niedersächsische Landesregierung dieses Ziel von Anfang an massiv unterstützt.

Darüber hinaus bietet diese Plattform mehr Sicherheit, entsprechend den europäischen Wettbewerbsregeln zu funktionieren, weil die EUKommission den Fonds grundsätzlich als mit den europäischen Wettbewerbsregeln vereinbar sieht. Als weiterer Effekt wird auf diese Weise nach und nach mehr Transparenz über die wirkliche Risikolage der Finanzdienstleistungswirtschaft entstehen.

Die WestLB, die HSH Nordbank und neben der Hypo Real Estate neuerdings auch die Commerzbank als Privatbanken wollen den Fonds in Anspruch nehmen. Daraus ist zu schließen, dass das Instrument angenommen wird und sich auch die Märkte davon Wirkungen versprechen. Je mehr Institute diesen Schirm in Anspruch nehmen, desto größer wird die Wirkung wahrscheinlich auch sein.

Ich wurde schon mehrfach gefragt, warum nicht auch die NORD/LB von den Garantien des Fonds Gebrauch macht. Hierzu möchte ich sagen, dass die Leistung des Fonds, für den wir alle - nämlich die Steuerzahler - letztendlich geradestehen müssten, natürlich nicht umsonst zu haben ist. Sie ist zu bezahlen, und deshalb ist es eine wirtschaftliche Frage, ob man unter diesen Schirm geht oder nicht. Ich habe bereits mehrfach erklärt, dass das

von jedem Vorstand - nicht nur der NORD/LB - immer wieder geprüft werden muss, wir im Moment allerdings keinerlei Anlass sehen, diesen Fonds in Anspruch zu nehmen, weil wir uns davon noch keinen Wettbewerbsvorteil bzw. nicht die Abwendung eines Wettbewerbsnachteils versprechen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen der CDU-Fraktion wie folgt:

Zu Frage 1: Ich habe bereits im Vorspann ausgeführt, dass der von der Bundesregierung mit der Unterstützung der Länder installierte Finanzstabilisierungsfonds die Chance bietet, das im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise verloren gegangene Vertrauen wieder zurück in die Märkte zu bringen.

Zu Frage 2: Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung umfasst ein Bündel von Maßnahmen, das auch nach Auffassung der Landesregierung richtige Impulse setzt und eine Perspektive für eine rasche Überwindung einer Konjunkturschwäche schafft. Zugleich verzichtet die Bundesregierung auf Maßnahmen im Sinne eines Konjunkturprogramms. In Anbetracht dessen, dass der Staat kein allmächtiger Marktteilnehmer ist und solche Maßnahmen somit hohe Haushaltsbelastungen nach sich ziehen, ohne eine angemessene Wirkung erwarten zu lassen, ist dies letztendlich zu begrüßen.

(Beifall bei der CDU)

Die erste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möllring, im Anschluss an die letzten Ausführungen der Vorbemerkung von Ihnen und angesichts der Tatsache, dass durch die Presse jetzt Meldungen gehen, dass die NORD/LB sehr ernsthaft prüfe, unter den Rettungsschirm zu gehen, obwohl sie der Rettung gar nicht bedarf, frage ich die Landesregierung, wie sie diese Überlegungen bewertet.

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Falschmeldungen sind ausgesprochen ärgerlich. Es hat am letzten Freitag in der

Bild-Zeitung eine Meldung gegeben - in der Folge haben auch Rundfunksender darüber berichtet -, dass ebenfalls die Norddeutsche Landesbank ernsthaft prüfe, unter diesen Rettungsschirm zu gehen.

Ich habe im Haushaltsausschuss, aber auch hier vor dem Landtag immer wieder erklärt, dass diese Prüfung natürlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat, es aber für die Norddeutsche Landesbank, für die Bremer Landesbank und die Deutsche Hypothekenbank keinerlei Anlass gibt, unter diesen Rettungsschirm zu gehen, es sei denn, dass wir sonst so große Wettbewerbsnachteile hätten, dass wir es zur Abwendung dieser Nachteile tun müssten.

Wir haben das am Freitag richtiggestellt. Der Rundfunk hat dann auch aufgehört, das zu senden. Es ist schlichtweg ärgerlich, mit welchen Worten eine Zeitung dennoch einen Wolfsburger Professor der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel zitiert hat. Dieser Professor weiß sicherlich viel; sonst wäre er nicht Professor geworden. Woher er aber die speziellen Kenntnisse hatte, die ihm erlaubten, gegen den Vorstand und gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden zu behaupten, die NORD/LB müsse trotzdem unter den Schirm, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich kann nur sagen, dass wir fünf Trägervertreter, die wir vorgestern Abend zusammengesessen haben - neben mir der Präsident des Sparkassenverbandes Niedersachsen, Herr Mang, die Herren Berg und Schäfer aus Mecklenburg-Vorpommern bzw. Sachsen-Anhalt sowie der Herr Kollege Minister Bullerjahn aus Sachsen-Anhalt - und noch einmal mit dem Vorstand diskutiert haben, uns einig waren, dass wir keinerlei Anlass sehen - weder der Vorstand noch die Trägerspitzen -, unter diesen Rettungsschirm zu gehen. Das ist der Stand von heute, gestern und vorgestern.

Was in ein paar Monaten ist, weiß ich nicht. Wir prüfen das weiter. Aber da sind offensichtlich Berichte von interessierter Seite inszeniert worden, weil einige Landesbanken, die früher sehr stark waren, jetzt offenkundig den Rettungsschirm in Anspruch nehmen wollen. Da geht es ein bisschen nach dem Motto: Lasst uns das doch gemeinsam machen! Dann müssen wir uns nicht einzeln schämen. - Ich habe es schon gestern beim Sparkassenverband gesagt: Wenn es in Süddeutschland regnet, brauchen wir in Norddeutschland nicht mit aufgespannten Schirmen durch die Gegend zu laufen, sondern nur wenn es auch hier regnet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste Zusatzfrage.

Ich frage die Landesregierung: Worin liegen die Gründe und Denkfehler des von Finanzminister Möllring am 7. November im rundblick unterstellten „Hochschreibens“ einer Rezession, nachdem nicht nur diverse Wirtschaftsforschungsinstitute, sondern gestern auch die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung die Annahme unterstützt haben, dass es eine Rezession in Deutschland gibt?

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich lese auch ich diese Berichte. Aber die Daten, die uns im Moment vorliegen, sprechen eine andere Sprache. Wir haben ein stabiles Steueraufkommen. Wir haben eine Arbeitslosigkeit, die seit vielen Jahren nicht so niedrig war wie heute. VW hat gerade Anfang dieser Woche/Ende letzter Woche gute Zahlen veröffentlicht. Vielleicht haben auch Sie vor zwei Wochen lesen können, dass das Konsumklima ausgesprochen positiv bewertet wird.

Ich weiß natürlich auch, dass nur „bad news“ „good news“ sind, dass man also besser von einer Rezession spricht, als gelassen zu bleiben. Die Wirtschaftsentwicklung ist immer zyklisch. Die Welle war jetzt mehrere Jahre oben. Jetzt geht sie ein bisschen nach unten. Aber nicht alles, was im Moment passiert, kann man der Finanzmarktkrise zuschreiben. Es gibt nämlich auch Sachen, die schon vorher verursacht wurden. Dass es General Motors in Amerika schlecht geht und deshalb Opel hier im Moment darunter zu leiden hat, hat überhaupt nichts mit der Finanzmarktkrise zu tun, sondern hat ganz andere Ursachen. Deshalb warne ich davor, jetzt eine Rezession herbeizureden, auch wenn manche sich darin gefallen, möglichst große Drohszenarien aufzubauen. Ich meine, wir können durchaus optimistisch und gelassen in die Zukunft sehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt die Abgeordnete König von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Position sie zu der Aussage von Finanzminister Hartmut Möllring am 6. November auf der Landespressekonferenz einnimmt, in der er die Auswirkungen der Finanzkrise in Niedersachsen mit dem Krankheitsbild eines Heuschnupfens verglichen hat.

Herr Minister Möllring!

(David McAllister [CDU]: Hatschi! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Dr. med. eh- renhalber!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Heuschnupfen hat das nichts zu tun; Heuschnupfen ist eine allergische Reaktion.

Ich bin von einem Journalisten gefragt worden, ob ich das eher als einen Schnupfen, als eine Grippe oder als einen sonstigen Infekt ansehe. Da habe ich gesagt: Ich gehe davon aus, dass wir den Schnupfen hinter uns haben. Aber ich gebe gern zu - die Landesregierung hat sich dazu aber noch keine allgemeine Meinung gebildet; deshalb kann ich jetzt nur für mich antworten -, dass Vergleiche mit Krankheitsbildern immer unglücklich sind. Aber da ich gefragt wurde, habe ich diese Antwort gegeben. Darüber kann man selbstverständlich diskutieren. Die Abgrenzung zwischen einer starken Erkältung und einer Grippe ist sicherlich medizinisch möglich, für mich als Finanzminister aber durchaus schwierig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Hilbers von der CDU-Fraktion.

Verschiedene Fraktionen in diesem Hause fordern eine Finanzumsatzsteuer, um Spekulationen einzudämmen. Was hält die Landesregierung von einem solchen Vorschlag?

(Ralf Briese [GRÜNE]: Das hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Tobin vor- geschlagen! - Zuruf von der SPD: Ausgezeichnet!)