Protocol of the Session on September 18, 2008

Hier wird doch ein abgekartetes Spiel mit dem Bund auf Kosten der armen Kinder gespielt. Die Große Koalition in Berlin will das Thema fein aussitzen. Damit, meine Damen und Herren, wollen wir Sie aber nicht durchkommen lassen. Deswegen fordern wir Sie heute auf, einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen, damit

sich in der Frage der Kinderregelsätze noch vor dem Sankt-Nimmerleins-Tag etwas bewegt.

Die Kinder in Niedersachsen, deren Eltern nicht auf Rosen gebettet sind, brauchen Folgendes: eine angemessene kindgerechte Grundsicherung und eine unabhängige Ermittlung der kinderspezifischen Bedarfe. Es muss wieder einmalige Sonderbeihilfen für besondere Lebenslagen geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Wir brauchen eine Kostenübernahme für das Essen in Schulen und Kindergärten, wir brauchen eine Regelung für Lernmittel, und es muss endgültig geregelt werden, dass die Fahrtkosten für Kinder, die eine weiterführende Schule besuchen, ab der elften Klasse bezahlt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Nur schon einmal vorbeugend, meine Damen und Herren: Kommen Sie mir gleich bitte nicht und erzählen Sie mir etwas von der bevorstehenden Erhöhung des Kindergeldes! Das kommt doch bei den wirklich armen Familien überhaupt nicht an. Es wird ihnen von der Regelleistung sofort wieder abgezogen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Das, was da in Bezug auf die Steuerabzüge diskutiert wird, ist wirklich ungerecht; denn dann bekommen die, die hohe Steuern zahlen, für ihre Kinder mehr. Zudem wird die Betreuungsprämie, die die Familienministerin wider besseres Wissen dem bayrischen Wahlkämpfer Huber geben musste, die Chancenungerechtigkeit für arme Kinder noch weiter verschärfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Besser, weil es allen Kindern zugute käme, wären Sachleistungen und ein konsequenter Ausbau der Infrastruktur im Bildungsbereich. Ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder, das wäre richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Meine Damen und Herren, am Dienstag wurde vor der Landtagssitzung in der Kirche zur Wahrhaftigkeit aufgerufen. Ich nehme an, Sie alle haben dazu genickt. Wahrhaftigkeit erwarte ich jetzt aber auch von Ihnen.

Erkennen Sie an: Es gab noch nie so wenig Kinder und noch nie so viele arme Kinder. Das muss sich ändern. Tun Sie endlich etwas gegen die Kinderarmut in Niedersachsen!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Meißner von der FDP.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fange gleich mit dem Thema Wahrhaftigkeit an. Tatsache ist - das stand gerade gestern in der Zeitung -, dass die Armut in Deutschland und in Niedersachsen zurückgeht.

(Zurufe von den Grünen)

Dabei ist auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Bezug genommen worden, in der genau dieses festgestellt und gesagt wird, man sollte es zumindest akzeptieren und würdigen, dass es in Deutschland generell besser geworden ist. Der Armutsbericht der Bundesregierung beruhte auf Zahlen aus dem Jahre 2005. Inzwischen gibt es in Deutschland das größte Wachstum in Europa. Die Arbeitslosenzahlen sinken, und es gibt mehr versicherungspflichtige Jobs.

(Uwe Schwarz [SPD]: Was steht in dem Armutsbericht der Landesregie- rung? - Zuruf von den GRÜNEN)

- Nein, ich wollte dazu noch etwas sagen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Sagen Sie doch einmal, was im Armutsbericht der Landesregierung steht!)

Es gibt dazu einen sehr interessanten Kommentar von Matthias Koch, der am Schluss sagt:

„Die grundsätzliche Richtung stimmt. Dies sollte man im Auge behalten, wenn im Wahljahr 2009 Demagogen von ganz links und ganz rechts wieder auf den Marktplätzen das Wort ergreifen und ihre Verelendungstheorien predigen.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe das hier einmal ganz bewusst zitiert. Ich habe mich gestern über diesen Kommentar gefreut; denn wir alle wissen, dass es Kinder gibt, die

arm sind und dass es noch zu viel Armut gibt; das ist richtig. Aber wir haben sowohl auf Bundesebene als auch vor allem auf Landesebene in Niedersachsen schon unterschiedliche Sachen unternommen,

(Zuruf von den GRÜNEN: Und wieder abgeschafft!)

um die Situation zu verbessern. Die Zahlen zeigen, dass das gegriffen hat und dass wir schon vieles verbessert haben.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das Ausmaß der Kinderarmut ist dramatisch ge- stiegen!)

Darum finde ich es nicht in Ordnung, wenn immer so getan wird, als wäre überhaupt nichts passiert. Das hilft nämlich niemandem.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich müssen wir weiterhin vieles tun. Was steht im Armutsbericht, Uwe Schwarz? - Am Ende des Armutsberichtes steht, dass aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands die nachhaltige Vermeidung von Armut und das Ziel der sozialen Integration nur durch gemeinsame Aktivitäten auf allen staatlichen Ebenen und gemeinsam mit allen Akteuren der Zivilgesellschaft erreicht werden können. Das ist der Punkt. Das geschieht auch. Auf staatlicher Ebene, beim Bund wie beim Land, geschieht Verschiedenes, um Armut zu bekämpfen. Das ist auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene der Fall. So müssen wir weitermachen.

Frau Meißner, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Polat?

Frau Meißner, angesichts Ihrer Äußerungen, denen ich gerade gespannt gefolgt bin, frage ich Sie, ob Sie als FDP, insbesondere Sie als sozialpolitische Sprecherin, bei den Haushaltsberatungen für die Wiedereinführung bzw. eine Aufhebung der Streichung des Fonds kämpfen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben in diesem Haushaltsjahr insgesamt fast 4 Millionen Euro eingesetzt, davon 3 Millionen Euro für Mittagessen sowie die übrigen Mittel für verschiedene andere Maßnahmen, Bildungsstätten, Familienbildungsstätten, Hebammenprogramm, Schuldnerberatung, um die Armut zu bekämpfen. Die Haushaltsberatungen kommen erst. Warten Sie doch einmal ab, was wir dann tun werden! Wir wissen, dass es erforderlich ist, bei diesem Thema weiterhin am Ball zu bleiben.

Nun zu dem, was im Bundesrat geschehen ist. Die vielfach angesprochene Bundesratsinitiative wurde von Niedersachsen unterstützt. Es gab auch einen Gesetzentwurf, den ich persönlich für gut halte, der allerdings keine Mehrheit gefunden hat. Darin war genau das verwirklicht worden, was wir von der FDP auch auf Bundesebene schon lange fordern, nämlich dass man die Sätze anpasst und auch Ausnahmen zulässt, dass besondere Situationen berücksichtigt werden, wie Schulbedarf zu Schuljahresanfang, Einschulung und Ähnliches mehr. Es gab ja auch Berechnungen dazu, was so etwas kosten würde. Das waren 138,1 Millionen Euro auf Bundesebene. Gemessen am Bundeshaushalt ist das nicht viel. Davon würde der größte Teil über SGB II zur Verfügung gestellt werden. Es ist uns also allen bekannt, dass man viel tun muss.

Nun noch zu zwei Punkten. Uns als FDP wird ja immer vorgeworfen, wir seien die harten Kerle und Frauen, die überhaupt nicht auf die Armen achteten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Im Gegenteil, wir sagen gerade: Der Staat soll weniger Aufgaben und weniger Bürokratie haben, damit alle ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, alle Kraft, alles Geld für die Menschen eingesetzt werden können, die wirklich Hilfe brauchen.

(Zustimmung bei der FDP)

Das findet sich z. B. auch in unserem Bürgergeldkonzept wieder, das im Vergleich zu heute sogar entstigmatisiert und die Leute, gerade die Geringverdiener, besserstellt.

Frau Kollegin, es gibt einen weiteren Wunsch zu einer Zwischenfrage.

Nein, jetzt möchte ich keine Zwischenfrage mehr beantworten.

Das findet sich übrigens auch, Uwe Schwarz, speziell in unserem Krankenversicherungssystem wieder, durch das wir jedes Kind und jeden Bedürftigen krankenversichern und das wir über das Steuersystem ausgleichen. Es ist bei uns also alles berücksichtigt. Auf Bundesebene haben wir Liberalen als Erste beantragt, Mittel für Mittagessen zur Verfügung zu stellen usw.

Was Niedersachsen angeht, so habe ich eben schon gesagt, dass wir in diesem Jahr wirklich eine Menge Geld in die Hand genommen haben, um speziell die Situation für Kinder in prekären Situationen, wie es immer heißt, zu verbessern. Ich habe schon gesagt, dass die Haushaltsberatungen bevorstehen. Es gibt auch viele Programme, die nachweislich greifen. Das Familienhebammenprogramm haben wir ausgebaut.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da ist kein Geld auf dem Tisch!)

Demnächst wird Geld für das verbindliche Einladungswesen zur Verfügung gestellt werden, was auch Kindern in prekären Situationen zugute kommt; denn - das wissen Sie auch - ein Kind, das nicht gesund ist und nicht satt ist, kann auch nicht lernen. Da nützt auch das beste Bildungsangebot nichts.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Schöne Worte machen auch nicht satt!)