Protocol of the Session on March 20, 2012

Deshalb lautet gleich an dieser Stelle die Frage an die Opposition, die mit Ausnahme der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dagegen stimmen wird: Was wollen Sie denn tun? Wenn Sie dem Staats

vertrag nicht beitreten, dann müssen Sie es selber tun, und das wird ungleich teurer werden.

(Beifall bei der CDU)

Oder glauben Sie tatsächlich, dass Sie diesen Staatsvertrag noch nachverhandeln können, obwohl sich die zuständigen Ministerien aller Bundesländer bereits darauf verständigt haben? - Das ist sicherlich ein aussichtsloses Unterfangen. Mit Ihrer Ablehnung laufen Sie also in eine Falle hinein, wobei Sie uns nicht erklären können, was das mit verantwortungsvoller Politik zu tun hat.

(Beifall bei der CDU)

Die beiden Hauptargumente, die von Ihnen gegen den Staatsvertrag vorgebracht worden sind, halte ich nicht für aussagefähig. Sie haben zum einen gesagt, die Kostenschätzungen, die dort hinterlegt seien, seien Ihnen zu ungewiss. Aber was wollen wir denn machen? Wir wissen doch nicht, wie oft die elektronische Fußfessel von den Richtern angeordnet wird, und die Kosten richten sich nun einmal nach der Anzahl der Probanden. Wir haben auf der einen Seite Sockelkosten und auf der anderen Seite Kosten pro Einsatzfall zu gewärtigen. Die kann man nur schätzen. Ich glaube, die Schätzung 200 Probanden pro Jahr für ganz Deutschland - für Niedersachsen gilt eine entsprechend kleinere Zahl -, ist gar nicht so unrealistisch. Das ist aus meiner Sicht also kein Argument gegen den Staatsvertrag.

Als zweites Argument wurde angeführt, dass der Staatsvertrag eine Art Öffnungsklausel enthalte. Das hat insbesondere der Kollege Adler moniert. Er hat gesagt, man könnte die elektronische Fußfessel ja auch für andere Zwecke einsetzen, und daher sollte man das in diesem Staatsvertrag gleich mit regeln.

Dabei gebe ich aber zwei Dinge zu bedenken, Herr Kollege Adler. Erstens. Wenn das eine erstmalige Freiheitsbeschränkung wäre, gilt der Richtervorbehalt. Das ist selbstverständlich: Freiheitsbeschränkungen dürfen nur Richter aussprechen. Zweites. Wenn sich jemand beispielsweise bereits in Haft befindet und dann im Rahmen des Freigangs mit seiner Zustimmung eine Fußfessel bekommt, dann wäre das doch das mildere Mittel. Dann wäre das doch nichts, was ihn zusätzlich belastet, sondern damit würde ihm im Gegenteil möglicherweise eine Chance eingeräumt.

Das Justizministerium hat uns erklärt, dass derartige Dinge zurzeit nicht geplant sind. Aber selbst wenn sie geplant würden: Das, was man als weite

re Einsatzzwecke nach Artikel 4 regeln kann, ist durchweg vernünftig und steht unter Richtervorbehalt, wenn es eine erstmalige Freiheitsbeschränkung ist. Es ist also nicht zu beanstanden, dass der Staatsvertrag eine entsprechende Regelung enthält.

Daher gibt es also nichts, was gegen den Staatsvertrag spricht. Es ist wirtschaftlich die einzig vernünftige Regelung, und deshalb werden wir zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Biester. - Für die SPDFraktion spricht nun Herr Kollege Tonne. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kommt in diesem Hause ja nicht so häufig vor, dass wir einen Staatsvertrag beraten und am Ende auch noch strittig abstimmen. Aber - ich will das gleich vorwegnehmen, Herr Dr. Biester - wer uns zu einem derartig oberflächlichen Umgang mit einem Staatsvertrag bringen will und wer jedwede inhaltliche Beratung schon im Ansatz ablehnt, der kann auch nicht erwarten, dass wir dem dann zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Im vorliegenden Fall sieht sich meine Fraktion auch deshalb außerstande, dem Beitritt zum Staatsvertrag einfach so, wie von der Mehrheit des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen gefordert, zuzustimmen, weil er eben Mängel und Schwächen enthält.

Der Staatsvertrag regelt die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder, also die Überwachung der Daten von Probanden mit einer Fußfessel. Über den Sinn und den Unsinn von Fußfesseln kann man sich sicherlich ausgiebig streiten. Ich will dazu nur sagen: Wir werden uns sehr genau anschauen, ob ihr Einsatz tatsächlich zu einer Haftvermeidung führt und ob hier nicht, wie so häufig, ein schleichender Prozess von Strafverschärfungen in Gang gesetzt wird. Diesen Weg würden wir nicht mitgehen.

(Beifall bei der SPD)

Im Rahmen der Beratung im Rechtsausschuss hat der GBD erklärt, dass es in dem Staatsvertrag einige Unklarheiten gibt, insbesondere in daten

schutzrechtlicher Hinsicht. In der Begründung des Gesetzentwurfs zum Staatsvertrag finden wir jedoch nur den lapidaren Hinweis, eine Verbandsbeteiligung sei nicht erforderlich gewesen. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Selbstverständlich wäre eine Verbandsbeteiligung notwendig gewesen, gerade dann, wenn es diese Unklarheiten gibt.

(Beifall bei der SPD)

Ich werde Ihnen einige Beispiele nennen. Wir reden über die Weitergabe von Daten, die den Aufenthaltsort der Probanden preisgeben können. Der Staatsvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung zur Löschung der Daten. Und genau zu einem solchen Punkt gehört sich der Dialog beispielsweise mit dem Landesdatenschutzbeauftragten.

(Beifall bei der SPD)

In Artikel 4 des Staatsvertrags - Sie haben es gerade selbst angesprochen, Herr Dr. Biester - wird geregelt, dass eine Überwachung des Aufenthaltsorts auch zu anderen Zwecken vereinbart werden kann: Außervollzugsetzung von Haftbefehlen, Bewährungsweisungen etc. Wie bei einer Ausweitung der Befugnisse jedoch eine Beteiligung des Parlaments sichergestellt werden soll, erschließt sich aus dem Staatsvertrag nicht ohne Weiteres. Ich will ohne Einschränkung und insbesondere ohne den Rückgriff auf eine Auslegung und eine Interpretation des Staatsvertrags sichergestellt wissen, dass der Landtag beteiligt wird, wenn es zu einer Ausweitung der Befugnisse kommt.

(Beifall bei der SPD)

Die Zusicherung, man werde das schon machen, reicht mir bei dieser Landesregierung nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Schließlich hätte man den Staatsvertrag zum Anlass nehmen können, die Annahmen über die Anzahl der infrage kommenden Probanden zu überprüfen. Die Anzahl, die der Justizminister genannt hat, wurde nicht überprüft.

Somit ist nicht belegbar, ob der Beitritt zu dem Staatsvertrag tatsächlich Vorteile bringt. Sie wollen das im Nebel lassen. Offensichtlich wissen Sie bereits selber, dass Ihr medienwirksam vorgetragener Plan zum Einsatz von Fußfesseln nicht ganz so großartig ausfällt. Ich habe gerade mit Interesse festgestellt, dass der Justizminister höchstpersönlich eine Fußfessel trägt. Wahrscheinlich will er damit die Anzahl nach oben drücken.

(Jens Nacke [CDU]: Finden Sie nicht, dass Sie ein bisschen dick auftragen, Herr Kollege?)

Welche wesentlichen Argumente haben CDU und FDP nun im Ausschuss vorgetragen?

Erstens hieß es, der Landtag könne ohnehin nur mit Ja oder Nein stimmen und keine Änderung des Staatsvertrags durchsetzen. - Dieses Argument greift zu kurz. Wenn wir der Ansicht sind, dass der Staatsvertrag so, wie er uns vorgelegt worden ist, falsch ist, dann müssen wir mit Nein stimmen und können nicht im Sinne einer Bundesländer-Räson - mehr gezogen, als freiwillig gegangen - mit Ja stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens wird angeführt, etliche Bundesländer hätten bereits mit Ja gestimmt. - Meine Damen und Herren, wer so argumentiert, der muss sich die Frage stellen, warum er überhaupt noch selber darüber abstimmen möchte. Dann kann man genauso gut sagen, es haben fünf Bundesländer zugestimmt, und deshalb sind weitere Abstimmungen sind entbehrlich. Ich finde, dieses Argument ist zu schwach, ganz gleich, welches Bundesland zugestimmt hat.

Drittens wurde uns gesagt: Wenn wir feststellen, dass der Vertrag gravierende Mängel habe, dann könne man ihn schließlich kündigen. - Das, meine Damen und Herren, ist doch nun wirklich nichts anderes als ein Offenbarungseid, der die Unlust der Regierungsfraktionen zeigt, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Sie können doch nicht ernsthaft von uns erwarten, dass wir diesen Weg mitgehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben also inhaltlich keine Argumente gehört. Es ging lediglich um formale Aspekte, und das, obwohl wir über ein datenschutzrechtlich sensibles Thema reden, obwohl wir über ein Thema sprechen, das für die Arbeitsabläufe unseres ambulanten Justizsozialdienst wichtig ist, und obwohl wir über ein Thema mit finanziellen Auswirkungen sprechen. Das kann kein anderes Bundesland für uns klären. Das müssen wir schon selbst machen. Wir lehnen den Beitritt zum Staatsvertrag daher ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Tonne. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Janssen-Kucz, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Staatsvertrag über die Gemeinsame Überwachungsstelle zur elektronischen Fußfessel ist, wie zum Teil schon ausgeführt, nicht ohne Schwächen.

Es gibt Unsicherheiten darüber, welche konkreten Auswirkungen sich auf die Arbeit des allgemeinen Justizsozialdienstes und für die Polizei in der Praxis ergeben. Wir Grüne werden sehr genau beobachten, inwieweit die Arbeitsbelastung für den Justizsozialdienst und die Polizei steigt und inwieweit mit Stellen im Haushalt nachgesteuert werden muss.

Es gibt Bedenken, der Staatsvertrag würde eine uferlose Ausweitung der Anwendung der Fußfessel ermöglichen. Wir verlassen uns dazu auf das Wort der Regierungsvertreter im Rechtsausschuss: keine Ausweitung über den Kernanwendungsbereich der Führungsaufsicht hinaus. - Dieses Wort gilt für uns.

Es gibt Bedenken, ob alles technisch einwandfrei funktionieren wird. Natürlich gilt es, diese Bedenken ernst zu nehmen und dies im Rahmen einer Evaluierung und Begleitung des Staatsvertrags zu überprüfen. Schließlich betreten wir hier Neuland, und das heißt, dass wir evaluieren und überprüfen müssen.

Meine Damen und Herren, es wäre schwierig, aufgrund dieser Bedenken den Staatsvertrag in Gänze abzulehnen. Ein Staatsvertrag eignet sich aus unserer Sicht auch nicht für einen Wahlkampf. Darüber hinaus wurde immer wieder deutlich gemacht, dass es hier nicht um Sinn oder Unsinn der Fußfessel geht.

Das Instrument der Fußfessel ist im Strafgesetzbuch ausdrücklich vorgesehen. Was machen wir eigentlich, wenn ein Richter, eine Richterin in Niedersachsen die Fußfessel im Rahmen der Führungsaufsicht anordnet, wir das entsprechende Instrument aber überhaupt nicht hätten? Das Recht dazu hätte die Justiz jederzeit. - Das Land hat die Führungsaufsicht und würde ohne dieses Instrument dastehen.

Meine Damen und Herren, die Fußfessel ist kein Allheilmittel. Aber der Staatsvertrag sollte trotz bestehender Schwächen jetzt in Kraft treten. Nie

dersachsen kann sich nicht außerhalb des Strafgesetzbuches stellen. Aus dem Grund stimmen wir zu.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jens Nacke [CDU])

Danke schön, Frau Janssen-Kucz. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Adler das Wort.