Protocol of the Session on October 13, 2011

Und dann gibt es jene, die eben nicht die Dummen sind, die jetzt ganz fein heraus sind, weil sie dreist abgewartet haben und jetzt von diesem Steuerabkommen profitieren, indem sie nur sehr wenig bezahlen und keine Strafverfolgung und überhaupt nichts mehr fürchten müssen.

Das ist das, was mich an dieser Regelung empört. Deswegen sagen wir: Lieber überhaupt kein Abkommen als dieses Abkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: In welcher Kategorie sind die FDP-Wähler? - Zurufe von der CDU)

Ich gehe davon aus, dass Herr Grascha erwidern möchte. - Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Helmhold, wir sind bewusst für eine lückenlose Besteuerung. Das ist der Unterschied zum Amnestiegesetz von 2003. Das unterscheidet uns an der Stelle eben.

Sie stellen in den Raum: Wir machen einfach gar nichts. - Aber dann hätten wir genau die Situation, die wir im Land ja beklagen,

(Zurufe von den GRÜNEN)

dass Leute mit Schwarzgeld außerhalb des Landes sind und hier keine Steuern zahlen. - Genau das wollen wir ja ändern.

Mit der steinbrückschen Kavallerie in die Schweiz einzumarschieren und zu sagen: „Wir führen dort unseren Rechtsstaat und unseren Steuerstaat ein“, kann keine realistische Alternative sein.

Insofern sollten Sie die Souveränität eines Staates anerkennen. Wenn man mit einem souveränen Staat zu einer Einigung kommen will, dann muss man dessen Rechtssystem eben akzeptieren. Wir tragen mit diesem wirkungsvollen Instrument zu einer lückenlosen Besteuerung und auch zur Steuergerechtigkeit bei. Deswegen ist dieses Abkommen gut.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Herr Kollege Adler das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Siemer, man kann auch sagen: Dieser Vertrag, der jetzt paraphiert worden ist, ist unzureichend; wir möchten, dass nachverhandelt wird, und wir möchten, dass die Bundesregierung mit der gleichen Strenge in diese Verhandlungen geht, wie wir sie z. B. von den USA kennen. Die reden nämlich mit den Schweizern ganz anders, und siehe da: Es geht auch anders.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich will Ihnen zwei Fälle bilden, die Sie bitte vergleichen sollen.

Der erste Fall: Ein Steuerpflichtiger hat Steuern hinterzogen, sagen wir einmal 100 000 Euro, auf dem Weg über die Schweiz. Er ist jetzt fein heraus. Er muss davon nämlich nur 19 % bis 34 % versteuern und bekommt Straffreiheit.

Vergleichen Sie diesen Fall bitte mit meinem zweiten Fall:

Ein Arbeitsloser, der in der deutsch-schweizerischen Grenzregion wohnt, bezieht Arbeitslosengeld; gleichzeitig geht er nach Basel hinüber und arbeitet dort schwarz. Der Verlust des Arbeitsamts beträgt 10 000 Euro. Was passiert, wenn das durch Zufall herauskommt?

Erstens bekommt er einen Rückforderungsbescheid der Agentur für Arbeit und muss alles zurückzahlen. Stellen Sie sich einmal vor, er würde sich auf den Standpunkt stellen, er wolle nur die Hälfte davon zurückzahlen. Er würde ausgelacht.

Zweitens erhält er auch keine Straffreiheit; denn er bekommt ein Strafverfahren wegen Betrugs.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist auch richtig so!)

Das bekommt der andere aber nicht. Da frage ich mich: Welche Maßstäbe gelten hier?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

In dem einen Beispielsfall hat jemand den Staat um 10 000 Euro geschädigt, in dem anderen Fall hat jemand den Staat um 100 000 Euro geschädigt.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Nein!)

Was sich hier bewahrheitet, ist nichts anderes als der alte Grundsatz: Die Kleinen hängt man, und die Großen lässt man laufen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Abkommen, das jetzt zur Ratifizierung vorliegt, ist nichts anderes als eine Kumpanei von Steuerkriminellen, dem Schweizer Staat, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistet, und einer Bundesregierung, die, um es strafrechtlich auszudrücken, das Ganze begünstigt. Deswegen, meine ich, muss dringend nachverhandelt werden.

Es kommt ja noch schlimmer. Sie müssen sich dieses Abkommen einmal im Einzelnen darauf anschauen, welche Schlupflöcher darin noch enthalten sind, auf die hier noch gar nicht eingegangen worden ist.

Es gibt dort z. B. eine Bestimmung, wonach die sogenannten Schrankfächer von dem Abkommen ausgenommen sind. Das Vermögen, das in den „Schrankfächern“ lagert - stellen Sie sich einmal einen schönen Goldbarren vor -, wird von der Schweiz gar nicht in die Berechnung des Vermögens einbezogen. Gold ist ja momentan sehr im Gespräch.

(Unruhe)

Herr Kollege Adler, ich darf Sie einen Moment unterbrechen. Die Grundlautstärke ist wieder so hoch, dass ich Sie kaum verstehen kann.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

- Herr Kollege, Sie wissen, wie das mit Präsidenten ist. Sie sollten es nicht ausprobieren. - Herr Adler, bitte!

Ich kann mir vorstellen, wie man das sehr gut umgehen kann.

Eine weitere Umgehungsmöglichkeit wurde von Herrn Klein schon angesprochen: Die Niederlassungen Schweizer Banken in anderen Ländern sind durch das Abkommen nicht erfasst. Auch hierdurch besteht wieder eine Umgehungsmöglichkeit.

Deshalb meine dringende Aufforderung: Denken Sie bitte auch einmal an die niedersächsischen Steuereinnahmen, die auch von der Einkommen

steuer abhängen, und sorgen Sie dafür, dass dieser Vertrag nachverhandelt wird.

(Zurufe von Christian Grascha [FDP] und von Minister Hartmut Möllring)

- Herr Möllring, das ist keine außenpolitische Frage, sondern eine Frage, bei der die unmittelbaren Landesinteressen berührt sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Minister Möllring das Wort. - Bitte sehr!

(Ulrich Watermann [SPD]: Oder doch der Abgeordnete?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal muss man sich wirklich über die Argumente, die hier aufkommen, wundern.

Ganz gleich, ob Sie Ihr Gold in der Schweiz oder in Deutschland ins Schließfach legen, bringt es keine Zinsen, keinen Ertrag und ist steuerfrei. Sie können auch Ihr Geld, anstatt es aufs Sparbuch zu bringen oder es festverzinslich anzulegen, in Deutschland, in Schanghai oder anderswo in ein Schließfach einschließen. Wenn es dort liegt und Sie es 20 Jahre später herausholen, hat es 20 Jahre lang nur gekostet und keinen Ertrag erbracht.

Damit hinterziehen Sie keine Steuern, weil das nicht verboten ist. Sie müssen Ihr Geld nicht so anlegen. Deshalb ist es sinnvoll, dass diese Schließfächer nicht mitbesteuert sind.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Adler?

Ja, selbstverständlich.

Herr Adler, bitte!

Herr Minister, das, was Sie eben gesagt haben, weiß auch ich.

(Minister Hartmut Möllring: Warum sagen Sie es dann nicht?)