Eine weitere Kurzintervention kommt von der Fraktion der SPD. Herr Kollege Lies, Sie haben das Wort, auch für anderthalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klare, 95 % der Eltern wollen für ihre Schüler das gegliederte Schulwesen. Das mag sein. In Friesland - Sie haben über Friesland gesprochen - sieht die Situation völlig anders aus. Von 433 Anmeldungen - beziehen wir diese Zahl einmal auf 750 Kinder - sind mehr als 60 % in Friesland. Ich glaube nicht, dass wir eine so große Ausnahme unter denen sind, die das integrierte Schulsystem für ihre Kinder haben wollen.
Mich würde daher schon mächtig interessieren, woher Sie die Zahl von 95 % haben. Das Zweite und viel Entscheidendere für die Frage der Fünfzügigkeit ist, dass eine Hürde bestehen bleibt. Erklären Sie doch bitte nur einmal mit Worten - Sie sagen immer, dass Sie nicht viel Zeit hätten und deshalb keine Möglichkeit hätten, die Antwort zu geben -, welchen Sinn die Fünfzügigkeit hat!
Wenn die Vertreter aller bestehenden Gesamtschulen und auch der Vorsitzende des Gesamtschulverbandes sagen, dass die Vierzügigkeit eine
ausreichende, eine gute Lösung ist, dann erklären Sie mir bitte einmal, warum Sie die Hürde auf fünf Züge anheben wollen. Wenn man den Blick auf die niedersächsische Schullandschaft richtet - richten Sie einmal den Blick auf Friesland; Sie waren ja vor Ort -, dann erkennen Sie, dass die Schulen dort drei- und maximal vierzügig sind. Sie wissen genau, dass sie versuchen werden, Neubauten oder Anbauten zu verhindern, weil das Geld in den Landkreisen nicht vorhanden ist. Geben Sie bitte zu, dass Sie damit Gesamtschulen verhindern wollen, und tun Sie nicht so, als gebe es Gründe, die Sie uns nur nicht erklären können.
(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Jetzt hat er anderthalb Minuten Zeit, das zu er- klären! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Eine pädagogische Begründung wollen wir jetzt hören!)
Ich habe nur so wenig Zeit für drei Kurzinterventionen? Ich hätte auch auf jede Kurzintervention einzeln eingehen können.
Ich sage zunächst etwas zur Frage der Fünfzügigkeit bzw. Vierzügigkeit bei den KGSen. Ich bitte wirklich herzlich darum zu beachten, dass wir heute andere Rahmenbedingungen haben als zuzeiten der Gründung anderer IGSen bzw. KGSen.
Ich will Ihnen auch sagen, worin die unterschiedlichen Rahmenbedingungen bestehen. Unsere Gymnasien laufen heute acht-, neun-, siebenzügig usw. Deswegen gehört es heute zu den veränderten Rahmenbedingungen, dass man auch bei KGSen eine etwas erhöhte Schüleranzahl anneh
men darf. Herr Lies und Herr Adler, wir haben bei den Gesamtschulen unterschiedliche Zügigkeiten. Wir haben vierzügige, wir haben sechszügige und wir haben auch Schulen, die achtzügig sind. Wir haben uns in Anpassung an die Rahmenbedingungen an anderen Schulen für die Fünfzügigkeit entschieden.
Sie erwähnten den Landkreis Schaumburg. Die Fünfzügigkeit hat bei den Befragungen an drei Standorten niemanden daran gehindert, sich trotzdem für eine zukünftige IGS vormerken zu lassen. Die Elternbefragungen waren so formuliert, dass dort die Schulen eingerichtet werden können. An drei Standorten in Schaumburg ist die Befragung ordnungsgemäß durchgeführt worden, und an drei Standorten ist herausgekommen, dass dort zum 1. August 2009 Gesamtschulen eingerichtet werden können. Es war also kein Hindernis, die Fünfzügigkeit einzuführen.
Herr Kollege Klare, es tut mir leid, dass Sie das jetzt nicht weiter ausführen können. Bei Kurzinterventionen sind nur anderthalb Minuten Redezeit möglich.
(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich glau- be, es hätte nichts genutzt, wenn er noch weiter geredet hätte! - Karl- Heinz Klare [CDU]: Frau Präsidentin, bei drei Kurzinterventionen habe ich nur anderthalb Minuten?)
- Herr Kollege Klare, wir können uns nachher gerne über die Geschäftsordnung unterhalten. Sie können mir aber glauben, dass ich sie dreihundertprozentig kenne. Insofern: Keine Chance!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist für mich heute eine Premiere im Parlament, dass ich zum ersten Mal ein Gesetzgebungsverfahren vom Anfang bis zum Ende miterleben durfte: vier Gesetzentwürfe, erste Beratung, ausführliche Aus
- Das wird so sein. - Man macht dabei so seine Erfahrungen. Die positive Erfahrung war, dass es tatsächlich ein sorgfältiges und ausführliches Verfahren war. Es wurde auch eine ausführliche Anhörung durchgeführt. Alle wurden gehört. Diesmal wurden erstmalig die Gesamtschulinitiativen angehört. Davon gibt es 70 in Niedersachsen. Ausweislich der Zahlen, die Sie genannt haben, rechnen Sie nicht in diesem Jahr, sondern erst im nächsten Jahr mit eventuell zehn bis zwölf Gesamtschulgründungen. Ich meine, dass das in keinem Verhältnis zueinander steht. Die negative Erfahrung war, dass die Anhörung zwar stattgefunden hat, aber niemand gehört wurde.
Es gab, obwohl Ihnen dieser Gesetzentwurf mit Ausnahme des Philologenverbandes von fast allen um die Ohren geschlagen wurde, kaum Änderungen an dem hier zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf.
Ich meine, dass dieser Gesetzentwurf auf die Dauer rechtlich nicht haltbar sein wird. Ich spreche jetzt speziell zum IGS-Teil. Einiges ist schon erwähnt worden. Es werden Hürden aufgebaut, die diesen Gesetzentwurf wirklich zu einem Gesamtschulverhinderungsentwurf machen.
Lassen Sie mich nur noch einmal zwei Punkte herausgreifen. Dazu ist schon viel gesagt worden. Das eine ist die Erhöhung der Mindestzügigkeit von vier auf fünf. Im Moment besteht in Niedersachsen ein Bedarf in Höhe von 4 600 Gesamtschulplätzen. Man sollte meinen - Herr Adler hat das auch schon gesagt -, dass das kein Problem ist und dann Gesamtschulen entstehen. Es gibt aber erhebliche Probleme für die Gesamtschulen im ländlichen Raum. Herr Klare, Sie haben auch nicht erklären können, warum die Fünfzügigkeit notwendig ist, wenn vierzügige Gesamtschulen pädagogisch sinnvoll arbeiten.
Das andere ist der Erhalt des gegliederten Schulsystems auf Dauer. Mit den von Ihnen auch hier aufgestellten Hürden greifen sie erheblich in die Kompetenz der kommunalen Schulträger ein. Auch das wird rechtlich nicht haltbar sein.
Zur beruflichen Bildung: Letztendlich mussten Sie eine Neuregelung für das Berufsgrundbildungsjahr treffen. Bei dem, was Sie schaffen, handelt es sich im Grunde aber um eine Fortsetzung der Warteschleifen ohne Verbesserung für diejenigen, die leider in diesen Warteschleifen gefangen sind. Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze im dualen System. Auch hier werden alle sinnvollen Änderungsvorschläge, die von SPD und Grünen vorgelegt worden sind, abgeschmettert, obwohl sie bessere Regelungen zur Struktur dieser Ausbildungsmöglichkeiten vorsehen.
Der Schwerpunkt bleibt die Ausbildung im dualen System. Wir dürfen nicht vergessen, dass letztendlich die Wirtschaft für Ausbildungsplätze verantwortlich ist. Wir brauchen eine Ausbildungsplatzabgabe.
(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der der CDU: Aha! Die brauchen wir nicht! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das war bei diesem Gesetzentwurf aber nicht das Thema!)
Zurück zu den Gesamtschulen: Das vermutete Abstimmungsergebnis habe ich ja schon angesprochen. Ich nehme einmal eine These zurück, die ich beim letzten Plenum aufgestellt habe. Damals habe ich behauptet, Sie würden selber nicht an das gegliederte Schulsystem glauben. Inzwischen konnte ich Sie hier und auch während der Ausschussberatungen ausführlich beobachten. Jetzt nehme ich Ihnen das ab. Sie glauben in der Tat an das gegliederte Schulsystem.
Wenn das Angebot das Ganze regelt, brauchen Sie diese Hürden nicht. Dann können Sie unseren Gesetzesvorschlägen, den Gesetzesvorschlägen der Opposition zur bedingungslosen Aufhebung des Gründungsverbots, zustimmen. Das Angebot wird es regeln. Jeder hat das Recht auf einen Gesamtschulplatz und bekommt ihn auch, und die Eltern und Schüler in Niedersachsen kommen zu ihrem Recht.
Ihre Logik erschließt sich mir da einfach nicht. Wir werden uns hier wiedersehen. In der Form, in der dieser Gesetzentwurf vorliegt und auch verabschiedet werden wird, ist er auf die Dauer rechtlich nicht haltbar. Von daher freue ich mich auf die nächsten Runden in den nächsten Jahren.