Protocol of the Session on June 28, 2011

Ihre Argumentation in der Gesetzesbegründung, die Eltern minderjähriger Studierender entlasten zu wollen, die anderen aber nicht, ist für uns abenteuerlich. Studiengebühren gehören abgeschafft, und zwar für alle. Wir lehnen daher die Änderungen im NHG als nicht weitgehend genug ab.

(Beifall bei der SPD)

Der Änderung des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes - das ist der zweite Teil, den wir heute beraten - werden wir zustimmen. Ob die Regelung vor Gericht Bestand haben wird, muss man sehen. Das Zwangskorsett der Kapazitätsverordnung ist bekannt. Wir leben damit seit 30 Jahren. Doch wir wissen auch: Dieses Zwangskorsett ist nicht bürokratischem Regulierungswahn geschuldet, sondern schlicht einem Mangel an Studienplätzen. Solange es nicht genügend Studienplätze gibt, werden wir auch mit der KapVO leben müssen. Klar ist aber auch: Wir brauchen mehr

Qualität in der Lehre. Genau dafür sind die zusätzlichen Gelder da. Daher stimmen wir dem zu.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Dr. Andretta. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Dr. Heinen-Kljajić. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf wird auch von uns differenziert bewertet. Ich will einmal von hinten anfangen, mit Artikel 2, dem wir zustimmen werden.

Die dritte Säule des Hochschulpakts zur Verbesserung der Lehre greift nur, wenn sie nicht auf die Aufnahmekapazitäten der Hochschulen angerechnet wird. Lernform und Didaktik an unseren Hochschulen sind in der Regel von vorgestern. Ich denke, man kann getrost sagen, dass der klassische Professor als Dozent in der Erwachsenenbildung mit seinen Unterrichtsformaten vermutlich nicht einmal die Probezeit überstehen würde, was insofern kein Wunder ist, als die Lehrbefähigung sich in Deutschland an wissenschaftlichen, aber eben nicht an pädagogischen oder didaktischen Standards orientiert. Daher sind aus unserer Sicht Investitionen in bessere Lehre unabdingbar.

Mögliche Bedenken, diese Mittel könnten dem Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastungen widersprechen - das ist im Ausschuss diskutiert und vom GBD kommentiert worden -, sollten uns meiner Meinung nach nicht davon abhalten, eine Regelung gemäß Artikel 2 umzusetzen. Denn eine Heilung dieses Rechtskonfliktes kann es aus meiner Sicht sinnvollerweise nur geben, indem man die Kapazitätsverordnung anfasst. Die noch geltende Kapazitätsverordnung mag im Zeitalter der Frontaldidaktik ihre Berechtigung gehabt haben. Ich denke, mit modernen Lehr- und Lernformaten und vor allen Dingen mit Hochschulen, die auf Differenzierung und Profilierung setzen, ist sie schlichtweg nicht mehr vereinbar.

Nun zu Artikel 1 des Gesetzentwurfs, den wir, was wohl nicht verwundern wird, ablehnen werden; denn der Entwurf behandelt mit der Befreiung von Minderjährigen von der Zahlung von Studiengebühren eher eine Petitesse. Diese Gesetzesänderung ist eher Ausdruck bildungspolitischer Hilflo

sigkeit als ein zukunftsweisender Einstieg in die Studienfinanzierung.

Liebe Frau Ministerin Wanka, zum einen führen Sie Ihre eigene Argumentation ad absurdum, wenn Sie in der Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf ausführen, die Gebührenbefreiung sei Anreiz zur frühen Aufnahme des Studiums. Wenn die Opposition klagt, dass Studiengebühren eine zusätzliche Hürde bei der Aufnahme eines Studiums seien, dann weisen Sie das vehement von sich. Wenn Sie selber dagegen Befreiungstatbestände schaffen, wie in diesem Fall für Minderjährige, dann bezeichnen Sie das als Anreiz.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist eben Dialektik!)

Frau Ministerin Wanka, ich bin überzeugt, dass Sie diesen Widerspruch auch hier nicht auflösen können.

Unlogisch bleibt zum anderen auch, warum Sie ausgerechnet für die Gruppe von Studierenden, die nun wirklich nicht zu den Verlierern in unserem Bildungssystem zählt, Anreize durch Gebührenbefreiungen schaffen wollen. Wer mit 17 Jahren sein Abitur macht, der ist entweder schon früher eingeschult worden oder hat Klassen übersprungen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Was? Können Sie nicht rechnen?)

Hier einen Anreiz für die Aufnahme eines Studiums zu setzen, aber gleichzeitig Studieninteressierte ohne Abitur, die der Schritt in eine Hochschule sicherlich ungleich größere Überwindung kostet, munter Gebühren zahlen zu lassen, scheint mir paradox. Da hilft es auch nicht, auf Untersuchungen des Stifterverbandes zu verweisen, wie Sie das in Pressemitteilungen getan haben. Darauf hat die Kollegin Andretta schon hingewiesen.

Es stimmt: Ausgelöst durch die doppelten Abiturjahrgänge in verschiedenen Ländern verzeichnen alle Bundesländer, unabhängig davon, ob sie Studiengebühren erlassen oder nicht, steigende Studierendenzahlen, und zwar erfreulicherweise sogar bei der Gruppe der sogenannten sozial Schwächeren.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Aber - und darauf kommt es an - gleichzeitig beschreibt diese Untersuchung bereits im Herbst letzten Jahres die eigentliche Wettbewerbsfalle für Niedersachsen, das inzwischen neben Bayern das

einzige Gebührenland ist. Denn der Ländercheck warnt:

„Niedersachsen ist das einzige Gebührenland, das sowohl bei der Studierendenentwicklung insgesamt als auch bei der sozialen Zusammensetzung unterdurchschnittlich abschneidet.“

Meine Damen und Herren, sobald die doppelten Abiturjahrgänge die Hochschulen verlassen haben, würden wir als das Bundesland, das schon heute die meisten Studierenden an andere Länder verliert, bei Beibehaltung der Studiengebühren einen rasanten Abstieg im Wettbewerb um die klügsten Köpfe erleben. Deshalb werden wir sie 2013 abschaffen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin von Below-Neufeldt. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass heute wieder das Thema Studienbeiträge auf der Tagesordnung steht und im Plenum behandelt wird.

Zuerst aber meinen Glückwunsch an alle Abiturienten. Alles Gute zu Ihrem Erfolg, der vielen von Ihnen das Studium ermöglicht!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf reagieren FDP und CDU auf die aktuellen Entwicklungen in der Schulpolitik. In diesem Jahr haben wir es mit dem doppelten Abiturjahrgang sowie mit der Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes zu tun. Damit wird eine größere Anzahl von Studieninteressierten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Man schätzt, dass es ungefähr 2 % des Jahrganges sind.

Wir möchten mit der Gesetzesänderung eine Beschränkung der Studienbeitragspflicht auf volljährige Studierende einführen. Das entlastet die Eltern der minderjährigen Studierenden und damit auch die Familien. Uns ist wichtig, damit auch einen Anreiz zur frühen Aufnahme des Studiums zu schaffen. Frau Dr. Heinen-Kljajić, das ist kein Widerspruch. Auch Ihre Aussage, dass die Studentenzahlen in den nächsten Jahren abnehmen wer

den, ist wieder einmal der Blick in eine leider immer nur schwarze Kristallkugel. Damit ist zwar mit einem verminderten Aufkommen an Studienbeiträgen zu rechnen, das ist aber richtig; denn die Familien sollen nicht belastet werden.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Ca. 100 Millionen Euro pro Jahr leisten die etwa 140 000 Studierenden in Niedersachsen. Wir sprechen hier über eine hohe Gesamtsumme, die den Hochschulen aus Studienbeiträgen zum Glück zur Verfügung steht. Die Haltung meiner Fraktion ist Ihnen ja bekannt: Ja zu Studienbeiträgen, allerdings später gegebenenfalls in flexibilisierter Form.

(Beifall bei der FDP)

Unsere Hochschulen können sich dem Wettbewerb stellen. Das liegt an der Qualität der Lehre. Es ist erwiesen, dass ein Studium gute Berufsaussichten, beste Perspektiven im Beruf und vielversprechende Verdienstmöglichkeiten eröffnet. Deswegen begrüßen wir die Finanzierung der Studienbeiträge mittels Kredits. Von Schuldenbergen kann da nicht die Rede sein; denn bei einer Studiendauer von acht Semestern entspricht das dem Gegenwert eines Kleinwagens.

(Johanne Modder [SPD]: Ist das nichts?)

Wenn ich mir die Parkplätze bei den Universitäten ansehe, dann finde ich da eine ganze Menge von Wagen, die auch nicht teurer als 4 000 Euro sind.

Wenn ich die Dagegen-Argumente der Opposition höre, die davon spricht, mit einem Schuldenberg ins Berufsleben zu starten, dann frage ich: Was ist eigentlich Ihre Alternative? - Die Qualität der Hochschulen mit Schulden zu finanzieren? Das kann Nordrhein-Westfalen, und das können viele andere Bundesländer. Sie machen das über eine Gegenfinanzierung aus Steuern. Diese Steuern bezahlen alle. Finden Sie das eigentlich gerecht?

(Ja! bei der SPD)

- Ja, das finden Sie gerecht! Wir finden die Schuldenfinanzierung nicht gerecht. Das kommt für uns nicht infrage. Deshalb sollen diese 100 Millionen Euro weiterhin aus Studienbeiträgen zur Verfügung stehen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. - Bitte stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu!

Dabei ist auch die dritte Säule des Hochschulpaktes wichtig. Sie wird abgesichert. Die Qualität wird damit erhalten. Die geplante Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes ist gut und richtig. Die Regierungsfraktionen befürworten sie. Bitte folgen Sie uns doch einmal!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Nein! bei der SPD - Johanne Modder [SPD]: Die Finanzierung eines Klein- wagens! Bei Eltern mit zwei Kindern sind es schon zwei Kleinwagen!)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Herr Kollege Perli.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau von Below-Neufeldt, der Qualitätspakt für die Lehre wird auch aus Steuergeldern bezahlt, und trotzdem stimmen Sie dafür. Ihre Logik kann ich nach wie vor überhaupt nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der LINKEN - Johanne Modder [SPD]: Sie selbst kann es auch nicht!)

Meine Damen und Herren, der ungetrübten Freude aller Fraktionen über den Qualitätspakt für die Lehre kann sich die Fraktion DIE LINKE nicht anschließen.

Wir erinnern uns: Im Jahr 2008 hatte der Wissenschaftsrat, was die Lehre an deutschen Hochschulen angeht, Alarm geschlagen und gefordert, zusätzlich 1,1 Milliarden Euro einzusetzen, um die Lehre zu stabilisieren, zu qualifizieren, zu stärken. Wenige Monate später gingen Hunderttausende Studierende für bessere Studienbedingungen auf die Straße. Die Politik war unter Zugzwang.

Gemessen an diesen Erwartungen, ist der vorliegende Pakt eine große Enttäuschung. Die Bundesregierung hat nicht einmal 20 % des Bedarfs von 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Niedersachsens Hochschulen können jetzt mit bis zu 15 Millionen Euro jährlich rechnen. Pro Student sind das etwa 100 Euro oder auch maximal ein zusätzliches Tutorium pro Semester und Student.