Merken Sie eigentlich nicht, dass Sie in der Hochschulpolitik längst zum Kronzeugen des Scheiterns des Bildungsföderalismus geworden sind? Der gewachsenen Verantwortung nach der Föderalismusreform sind von Ihrer Seite keine Taten gefolgt. Im Gegenteil: Das meiste von dem, was in Ihrem Antrag jetzt gefordert wird, konterkarieren Sie mit Ihrer eigenen Politik. Sie erwähnen in Ihrem Antrag die Öffnung der Hochschulen für Absolventen der beruflichen Bildung - so weit in Ordnung -, die die Qualifizierungsinitiative durch Geldtransfer an die Studierenden befördern will, um die finanziellen Hürden zur Aufnahme eines Studiums zu senken. Sie selbst aber haben diese Hürden mit Einführung der Studiengebühren erhöht. Das heißt, auf Bundesebene entscheidet die CDU, dass man bestimmten Gruppen von Studierenden staatliches Geld geben muss, damit sie überhaupt studieren können, und auf Landesebene entscheidet die gleiche Partei, dass man den gleichen Studierenden aber Geld abnehmen muss, damit sie studieren können. Meine Damen und Herren, das ist schon allein unter dem Aspekt politischer Vermittelbarkeit ein Rohrkrepierer, aber als Qualifizierungsinitiative allemal.
Dann formulieren Sie als Ziel die Schaffung ausreichender Studienplätze angesichts der steigenden Studienanfängerzahlen und des doppelten Abiturjahrgangs. Sie haben aber selbst seit Regierungsantritt 13 % der Studienplatzkapazitäten abgebaut. Und wie es um das Studienplatzangebot steht, zeigen ja nicht zuletzt die Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Wenn Sie hier auf die bisherigen Ergebnisse des Hochschulpaktes verweisen, kann ich nur sagen: Das CHE hat bereits heute, ausgehend von dem, was bisher im Hochschulpakt geplant ist, allein für Niedersachsen für das nächste Jahrzehnt einen Mangel von 7 000 Studienplätzen pro Jahr ermittelt. - So weit zum Thema Exportbilanz.
Dann benennen Sie in Ihrem Antrag als Ziel der Qualifizierungsoffensive die Verbesserung der Betreuungsrelation an den Hochschulen. Die haben Sie aber jüngst selbst im Rahmen des Hochschulpaktes verschlechtert, wohl wissend, dass Sie
die Bundesmittel aus dem Hochschulpakt zurückzahlen müssten, wenn Sie nicht zu diesem Taschenspielertrick gegriffen hätten. Im Ergebnis laufen Sie Gefahr, zwar mehr Erstsemester an den Hochschulen aufnehmen zu können, aber im Zweifel auch die Abbrecherquote zu erhöhen. Die jüngste HIS-Studie hat hier, finde ich, sehr bedrückende Zahlen aufgezeigt. Gerade in den Bachelor-Studiengängen an den Fachhochschulen, bei denen Sie die Betreuungsrelation im Rahmen des Hochschulpaktes herabgesetzt haben, liegt die Abbrecherquote - meine Vorrednerin hat es schon erwähnt - inzwischen zum Teil bei 39 %.
Und was ist Ihre Antwort auf Ihre verheerende Bilanz? - Sie lehnen sich entspannt zurück und fordern die Landesregierung auf, die Absicherung des Hochschulpaktes weiterhin erfolgreich mitzugestalten. Das will ich Ihnen sagen: Erfolgreich ist dieser Hochschulpakt vor allem aus Sicht der Finanzminister; denn die Hochschulen, der Wissenschaftsrat und das CHE weisen darauf hin, dass die Studienplätze, die damit neu geschaffen werden, deutlich unterfinanziert sind.
Sie bringen in Ihrem Antrag keinen einzigen Punkt dafür, wie Sie landesseitig ob der mangelnden und unterfinanzierten Studiengänge aktiv werden wollen. Es tut mir leid, werte Kollegen von CDU und FDP, aber Ihr Antrag ist nichts weiter als vorgetäuschter Aktionismus und wird unsere Zustimmung nicht bekommen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich sprechen wir hier einmal über die Hochschulen, wenngleich ich eigentlich gedacht habe, dass das NTH-Gesetz, das uns die Landesregierung für April versprochen hatte, jetzt zuerst das Thema sein wird. Bis heute aber Fehlanzeige. Noch schöner wäre es gewesen, wenn wir über mehr diskutieren könnten als nur über ein paar Floskeln und Selbstverständlichkeiten. Dieser Antrag ist vom Wortlaut her substanzlos, ja geradezu untertänig und eines selbstbewussten Parlamentes nicht würdig. Das zeigt auch die Anwesenheit bei den Regierungsfraktionen.
Mehr als zwei Drittel sind eine einleitende Bemerkung. Dann kommen weder Forderungen noch Verpflichtungen, sondern lediglich eine Bitte. Um was soll hier gebeten werden? - Genau um das, was anscheinend sowieso passiert. Dann hätten Sie Ihren Antrag auch gleich mit „Augen zu und weiter so“ überschreiben können.
Wo bleibt eine Bestandsaufnahme der Situation in den Hochschulen, eine Befassung mit den existierenden und drohenden Mängeln an den Hochschulen in den nächsten zehn Jahren?
Wie wollen Sie den vielen neuen Studienbewerbern ein qualifiziertes Lehr- und Forschungsangebot zur Verfügung stellen? Wie wollen Sie eine soziale Öffnung und einen breiten Hochschulzugang erreichen? Wie kann die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen überwunden werden? Oder stellen Sie im Hinblick auf den doppelten Abiturjahrgang jetzt bald Container für Studierende auf?
Angesichts der Inhaltsleere der heutigen Vorlage muss man annehmen, dass Sie gar nicht wissen, wie unsere Hochschulen im Jahr 2020 aufgestellt sein sollen.
Andererseits ist das aber auch kein Wunder. Auch die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung ist ein Dokument der Hilflosigkeit. Was dort zusammengeschrieben wurde, stellt nichts weiter dar als ein mutloses „Weiter so“, gepaart mit zahlreichen Ankündigungen, denen oft jegliche Grundlage und jegliche Verbindlichkeit fehlt.
Zum Thema Weiterbildung, das in dem Antrag ja nur mit einem mickrigen Sätzchen auftaucht: Der vorgesehene Ausbau regional abgestimmter Weiterbildungsangebote wird nicht ausreichen, um tatsächlich eine nachhaltige Qualifizierung zu erreichen. Sagen Sie uns doch einmal, wie Sie die berufsbegleitende Weiterbildung verbessern und die Hochschulen für Absolventen der beruflichen Bildung öffnen wollen! In diesem Zusammenhang
wird ein bundesweites Hochschulzulassungsgesetz benötigt. Als wichtigster Punkt muss in diesem Gesetz unseres Erachtens enthalten sein, dass Absolventinnen und Absolventen aus dem Bereich der beruflichen Bildung das Recht auf Zulassung zu Hochschulen haben.
Dann zur aktuellen Debatte. Herr Stratmann, Sie prophezeien öffentlich, dass die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen keine Strahlkraft auf andere Bundesländer haben wird. Die Studierenden würden heute nämlich mehr auf Qualität als auf Gebühren achten. Pech für Sie, dass Ihnen ausgerechnet das Statistische Bundesamt voll in die Parade fährt mit der Auswertung der Wanderungsbewegung der Studierenden, die - ich zitiere - „ein Indikator für die überregionale Attraktivität der Hochschulstandorte“ ist.
Siehe da: Niedersachsen ist mit einem negativen Wanderungssaldo von 27 300 Studierenden bundesweit Schlusslicht. So ein Mist aber auch! Offenbar sprechen weder die Qualität noch die Gebührenrealität für ein Studium in Niedersachsen.
Da Sie - so eben auch Herr Nacke - immer mit der Ausrede einer angeblich starken Stadtstaatenkonkurrenz kommen, will ich Ihnen noch eine andere Zahl nennen. Sogar in Brandenburg, das beim Wanderungssaldo vor Niedersachsen auf dem vorletzten Platz steht, ist in den letzten zwei Jahren die Zahl der Studierenden aus Niedersachsen um 70 % gestiegen. Herr Stratmann, das ist die bittere Wahrheit! Es sind Niedersachsens Hochschulen, die durch Ihre Hochschulpolitik und Studiengebühren keine Strahlkraft mehr haben.
Damit sich das ändert, rufe ich die Studierenden in Niedersachsen auf, die Strahlkraft der hessischen Entscheidung aufzunehmen, sich den Demonstrationen der Schüler anzuschließen und, wie in Hessen, das Recht auf ein gebührenfreies Studium zu erkämpfen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich etwas zu dem angesprochenen Wanderungssaldo sagen. Manchmal hilft ja ein Blick in die Geschichte. 1995 hatten wir einen Wanderungssaldo - das war der historisch höchste Wanderungssaldo - von 32 039 Studenten. 1995 hatten wir einen Ministerpräsidenten der SPD, nämlich Gerhard Schröder. Im Übrigen, Herr Perli, gab es seinerzeit auch noch keine Studienbeiträge.
Die Qualifizierung von Bürgerinnen und Bürgern, meine Damen und Herren, in allen Altersgruppen ist für die FDP-Fraktion eine Kernaufgabe einer sozialen und freien Gesellschaft.
Wahre Sozialpolitik wird nämlich nicht mit dem Scheckbuch über staatliche Umverteilungssysteme gemacht, sondern mit Notebook und in Bibliotheken.
Wir wollen die Bürger mit ihrem Wissen in die Lage versetzen, ein eigenverantwortliches und aufgeklärtes Leben zu führen. In unserem Land darf kein Talent verloren gehen. Wir brauchen jeden Einzelnen.
Deshalb bauen CDU und FDP die Anzahl der Studienplätze in Niedersachsen weiter aus. Für 11 200 Studienanfängerplätze bis 2010 im Rahmen des Hochschulpaktes II sind schon heute 140 Millionen Euro als Verpflichtungsermächtigung eingestellt. Die steigende Anzahl der Studierenden ist eine Innovationschance für unser Land. Diese Chance wollen wir nutzen. Darauf können sich die Menschen in Niedersachsen verlassen.
Allerdings reichen die zusätzlichen Studienanfängerplätze allein natürlich nicht aus. Eine erfolgreiche Wissensgesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass vielen Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen der Zugang zur Bildung erleichtert wird. Wir müssen den viel beschworenen Begriff des lebenslangen Lernens mit Leben erfüllen. Lebenslanges Lernen ist der beste Weg, keinen sozialen Abstieg, sondern einen Aufstieg zu erleben.
Niedersachsen unterstützt deshalb die offene Hochschule, ein Projekt, das mittlerweile bundesweit für Aufsehen gesorgt hat und beispielhaft ist. Auch die FDP-Fraktion begrüßt diese Initiative ausdrücklich. Von der Verzahnung von Hochschule und Weiterbildungsangeboten sowie von den verbesserten Zugangsvoraussetzungen profitieren nicht nur berufliche Erfahrungsträger, sondern auch die neuen Absolventen und die Studierenden. Auch die berufliche und unternehmerische Erfahrung von Berufstätigen kann helfen, dass Studierende berufliche Kompetenz erreichen und neue Einblicke gewinnen. Unser Motto ist ganz klar: Wir wollen, anders als Sie, den Standort Niedersachsen nicht schlechtreden. Wir wollen den Menschen vielmehr Mut machen, ihr Leben mit mehr Wissen frei und eigenverantwortlich gestalten zu können.