Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grascha, nach Ihren Ausführungen erwarte ich demnächst eine Presseerklärung entweder der Landesregierung oder der sie tragenden Fraktionen mit der Überschrift „Großer Erfolg in den letzten 30 Jahren - Wanderungsbewegung zugunsten Niedersachsens um 3 000 reduziert“. Das ist die Art Statistik, die Sie betreiben.
Sie nennen eine Zahl von 1995 und setzen diese zu jetzt in Beziehung. Da beißt aber keine Maus den Faden ab: Entscheidend ist, was gegenwärtig passiert. Vergleiche mit 1995, 1985 oder irgendeinem anderen Zeitpunkt sind nicht von Belang. Gegenwärtig - Sie brauchen doch nur in die parteiübergreifenden Tageszeitungen zu schauen - gibt es eine Orientierung weg von Niedersachsen. Der Grund dafür ist, dass Niedersachsen inzwischen nicht eine Hochlohn-, sondern eine Hochstudiengebührinsel in der Bundesrepublik Deutschland zu werden droht. Das liegt an Ihrer Politik. Sie sind zum Glück aber von guten Taten umzingelt, nämlich von Bundesländern, die einsehen, dass Studiengebühren eine Sozialauslese bedeuten, und
die die Studiengebühren nach und nach abschaffen. Wenn Sie schon Qualifizierungsoffensiven starten wollen, dann fangen Sie doch bei dem ersten und wichtigsten Punkt an, nämlich Bildung an diesem Punkt wieder gebührenfrei zu machen!
Herr Dr. Sohn, man sollte durchaus in die Vergangenheit sehen. Man sollte das dann aber etwas kompletter tun, als Sie es hier getan haben. Der negative Wanderungssaldo der Studierenden hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren immer irgendwo zwischen 23 000 und 32 000 bewegt. Das heißt, es hat sich trotz einiger Schwankungen nie etwas Wesentliches geändert. Der negative Wanderungssaldo hat einen ganz einfachen Grund. Der Grund ist, dass die um Niedersachsen herum liegenden Großstädte als Universitätsstandorte, als Hochschulstandorte sehr attraktiv sind. Das war immer so. Wir hoffen natürlich, dass sich irgendwann einmal eine Verbesserung zugunsten von Niedersachsen ergeben wird. Dies sind aber Prozesse, die etwas länger auf sich warten lassen.
Herr Dr. Sohn, was Studienbeiträge anbetrifft, kann man nur sagen: Eine Insel sind wir sicher nicht. Wenn Sie die Studienbeiträge ansehen, die in anderen Ländern erhoben werden, wird klar, dass Niedersachsen keine Insel ist. Sie werden sehen, wie schnell in Hessen das neue Modell scheitern wird.
Herr Professor Zielke, vielen Dank. - Jetzt hat Herr Nacke von der CDU-Fraktion das Wort. Es gibt noch eine Restredezeit von knapp drei Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf das eingehen, was die Kollegen hier gesagt haben. Frau Lesemann, Sie schaffen es, in einer Rede einerseits die Studienbeiträge, die ganz erheblich zur Finanzierung bei
tragen und die ganz erheblich die Studienbedingungen an den Universitäten verbessern, als sozial ungerecht zu geißeln und zu sagen, dass Sie sie abschaffen wollen, gleichzeitig aber in derselben Rede zu sagen, die Studienbedingungen müssten erheblich verbessert werden. Leider vergessen Sie in Ihrer Rede, den Menschen zu sagen, wie Sie das bezahlen wollen. Das ist das Problem.
Nun noch kurz zu dem Beitrag von Frau Dr. Heinen-Kljajić. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie ein bisschen auf das eingehen würden, was hier gesagt wird. Ich habe ausdrücklich gesagt: Die Qualifizierungsinitiative ist ein gutes Beispiel für modernen Föderalismus. Daraus abzulesen, wir wollten Verantwortung auf den Bund abschieben, ist absurd. Das ist hier nicht gesagt worden. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie darauf eingegangen wären.
Sie sprachen allerdings einen der entscheidenden Punkte an, nämlich die Durchlässigkeit. Wenn es uns gelingt, keine Sackgassen in unseren Bildungswegen zu produzieren, wenn es uns gelingt, auch die Kenntnisse von jemandem, der eine Ausbildung abgebrochen hat oder selbstständig gewesen ist, ohne irgendwelche Qualifikationen erworben oder Abschlüsse erzielt zu haben, zu bewerten, weiterzuentwickeln und für ihn einen neuen Bildungsweg zu eröffnen, dann haben wir im Bereich des lebenslangen Lernens gewonnen. Dann liegen wir ganz vorne. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Einen allerletzten Satz zu dem Kollegen Perli. Herr Perli, wenn Sie in diesem Hause über Hochschulpolitik diskutieren wollen, dann müssen Sie einen Antrag stellen. Dann diskutieren wir hier darüber.
Sie brauchen nicht auf Anträge der CDU oder der FDP zu warten, bis Sie hier etwas sagen dürfen. Leider haben Sie uns gestern aber vor Augen geführt, dass Ihnen die Abläufe in diesem Hause bei Weitem nicht bekannt sind.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Sie wer- den noch mehr Anträge von uns be- kommen, als Ihnen lieb ist!)
- Entschuldigung, Herr Minister, das habe ich vergessen. Zuvor gibt es allerdings noch eine Kurzintervention von Herrn Perli.
- Sehr geehrter Herr Althusmann, ich möchte immer freundlich bleiben, auch in diesem Parlament. - Wir werden mit Sicherheit noch sehr viele Anträge zu dem Thema Studiengebühren, zu dem Thema Hochschulen usw. einbringen.
Ich möchte auf den zweiten Aspekt, den Sie gerade angesprochen haben, kurz eingehen, nämlich auf den Vorwurf, wir würden uns hier im Hause nicht auskennen. Ich habe gestern in der Zeitung gelesen, dass Herr Koch den Beschluss zur Abschaffung der Studiengebühren nicht unterzeichnen möchte. Dass Sie die parlamentarischen Minderheiten hier nicht ernst nehmen, ist Ihr gutes Recht. Dass aber die CDU in Hessen parlamentarische Mehrheiten nicht ernst nimmt, ist ein ganz schlechter demokratischer Stil und im Übrigen auch verfassungsfeindlich.
Dann erhält jetzt in der Tat der Herr Minister das Wort. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich seine Wortmeldung vergessen habe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass sich die Opposition offensichtlich vorgenommen hat, das Thema Studienbeiträge in
den Fokus ihrer Diskussionen zu nehmen, ist uns nicht entgangen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich will nur darauf hinweisen, dass das, was in Hessen in den letzten Tagen möglich war, u. a. etwas mit der Landtagswahl und mit veränderten Mehrheitsverhältnissen zu tun hat. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Die Mehrheit hier im Niedersächsischen Landtag ist ganz eindeutig. Sie wird von CDU und FDP gestellt. Wir haben das Vertrauen der Bürger erneut erhalten - und das, obwohl oder vielleicht sogar weil wir Studienbeiträge eingeführt haben.
Ich sage das nur deshalb, weil es parlamentarischer Brauch ist, dass wir bei Kollegen, die ihre Jungfernrede halten, zumindest die Chance zu nutzen versuchen, eine möglichst sachliche Debatte zu führen.
Erstens wird immer wieder von der Opposition - jetzt insbesondere von den Linken; Herr Sohn hat das gerade wieder getan - behauptet, Studienbeiträge schreckten vom Studium ab und seien der Hauptgrund dafür, dass wir in Deutschland eine geringe Bildungsmobilität hätten.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das habe ich gestern auch zu Recht behaup- tet! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das klingt ja wie eine Drohung!)
gehe gleich auf die Zahlen ein -; denn offensichtlich können Sie eins und eins immer noch nicht zusammenzählen.