Protocol of the Session on September 14, 2006

Meine Damen und Herren von der Opposition, dann sagen Sie auch noch, der Ausbildungspakt sei gescheitert

(Zuruf von der SPD: Das ist gar nicht behauptet worden!)

und man müsse vor allem mehr Berufsausbildungsstellen in außerbetrieblichen Einrichtungen schaffen. Alljährlich kehren Sie mit dieser Panikmache wieder. Ich höre Sie das immer wieder sagen. Es kann doch nicht sein, dass wir - um in der Sprache des Fußballs zu reden - sozusagen die Abwehr sind, dass wir uns dauernd gegen Ihren Versuch wehren müssen, die schulische Ausbildung in Deutschland in der Zukunft auszubauen. Genau das ist Ihre Absicht, die Ausbildung zu ver

schulen. Die duale Ausbildung - das sollten Sie wissen, Herr Lenz - ist das Salz in der Suppe des Wirtschaftsstandortes Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Werner Buß [SPD]: Sie haben über- haupt nicht zugehört! - Bernd Althus- mann [CDU]: Wie ist das mit der Wahrheit, Herr Buß? Das hatten wir schon!)

(Unruhe)

Ich glaube, Herr Hermann, Sie machen einmal Pause, bis wieder Ruhe ist.

Die Zeit wird mir aber hoffentlich nicht angerechnet.

(Zuruf von der CDU: Herr Lenz sollte mal lieber zuhören! - Werner Buß [SPD]: Sie hören nicht zu!)

Sie haben Zahlen genannt. Aber Sie haben den Hinweis der Agenturen nicht gelesen. Darin steht: Wegen Verfahrensumstellung ist der Vergleich zum Vorjahr nicht sinnvoll. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, werden die Daten über nicht vermittelte Bewerber erst zum Abschluss des Berufsberatungsjahres am 30. September 2006 veröffentlicht. Das heißt, Sie reden über Zahlen, die es gar nicht gibt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist nicht untypisch!)

Herr Hoppenbrock hat schon gesagt, dass 40 % derer, die eine Ausbildungsstelle anbieten, das bei der Agentur für Arbeit gar nicht melden. Also lassen Sie doch bitte einfach einmal das Jahr zu Ende gehen. Wir haben es immer wieder erlebt - das werden wir dieses Jahr auch erleben -, dass wir das gemeinsam schaffen.

Ich möchte Ihnen zum Schluss noch eines sagen: Lieber Herr Lenz, lassen Sie das einmal alles uns tun. Ich garantiere Ihnen: Von dem Geld, das Sie zu bekommen versuchen - nicht vom Land, sondern vom Bund, von der Agentur; Sie wollen Überschüsse verteilen, obwohl das eigentlich gar nicht richtig ist -,

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Jäger 90!)

wollen Sie - so sagen Sie - 1 000 Euro pro Ausbildungsplatz ausgeben, das Ganze immerhin über drei Jahre. 12 000 Euro mal drei sind 36 000 Euro. Ich sage Ihnen: Wenn Sie auch nur die Hälfte dessen in die betriebliche Förderung dieser Ausbildungsplätze stecken, dann werden Sie die Zahl, die Sie erreichen möchten, mit Sicherheit noch übertreffen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Werner Buß [SPD]: Und nicht zuge- hört!)

Nächster Redner ist Herr Hagenah, Bündnis 90/Die Grünen. Bis Herr Hagenah hier vorne ist, möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die Tagesordnungspunkte 26 - Olympia in Hamburg - und 27 - moderner Strafvollzug - ohne Aussprache direkt zu überweisen. - Herr Hagenah, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir hier mit Herrn Hermann und Herrn Hoppenbrock gerade erlebt haben, war wieder einmal volle Deckung hinter dem Datennebel. Obwohl Niedersachsen von der Bundesregierung ganz aktuell, nämlich im Bundesbildungsbericht im Frühjahr, hinsichtlich der Versorgung mit dualen Ausbildungsplätzen das negativste Zeugnis aller Bundesländer ausgestellt worden ist, erzählen Sie, Herr Hermann, jetzt hier immer noch, wir sollten einmal abwarten, wie sich das bis zum Jahresende entwickelt, und es werde schon jeder noch einen Platz finden, oder man zieht sich darauf zurück - wie Sie, Herr Hoppenbrock, es gerade getan haben -, die Unternehmen würden der Bundesagentur für Arbeit gar nicht mehr die Ausbildungsplätze melden. Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen der Bundesregierung an. Da steht eindeutig, Niedersachsen ist das Land mit den geringsten Chancen für Jugendliche, die dieses Jahr aus der Schule gekommen sind, einen Platz im Rahmen der dualen Ausbildung zu finden. Wir sind das Schlusslicht. Es sind nur noch gute 38%.

(Wolfgang Hermann [FDP]: Das ist doch nicht das Thema!)

- Das ist sehr wohl das Thema, Herr Hermann! Wir haben doch gerade darüber gesprochen.

(Wolfgang Hermann [FDP]: Das ist ein beleidigender Antrag! Das ist eine Verantwortungslosigkeit gegenüber den Unternehmen! - Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Hermann, Sie haben hier gerade das Hohelied der dualen Ausbildung gesungen. Ich bin ja durchaus bereit, in Ihren Chor einzustimmen. Aber wir beide müssen doch leider zur Kenntnis nehmen, dass die duale Ausbildung in Niedersachsen inzwischen zur bedrohten Art gehört.

Über die Hälfte der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, haben nämlich keine Chance, in dieses System hineinzukommen. Sie landen im Übergangssystem und mittlerweile auch schon in der außerbetrieblichen Ausbildung. Und da sagen Sie, alle sind versorgt? So wie auch das Ranking in der Wirtschaftswoche sagt, 97 % finden einen Ausbildungsplatz? - Das ist doch völliger Quatsch. Wir alle wissen doch, dass wir zu wenig Ausbildungsplätze haben. Der Antrag, den die SPD heute vorlegt, stellt einen durchaus vernünftigen Vorschlag dar. Denn, Herr Hoppenbrock, woher kommen denn die Überschüsse der BA?

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Von den beitragszahlenden Unter- nehmern!)

- Das ist doch klar. Aber warum kommen diese Überschüsse gerade in diesem Jahr? - Sie kommen in diesem Jahr, weil die Bundesanstalt für Arbeit weniger Aufwendungen hat, weil alle problematischen Fälle schlicht in Hartz IV landen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Wegen Angela Merkels Politik!)

- Nicht wegen Angela Merkel, sondern wegen Hartz IV und weil die große Koalition jede Menge Leistungen der BA gestrichen hat, z. B. die Förderung für Behinderte und am Markt Benachteiligte, Herr Hoppenbrock.

Herr Hagenah, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Busemann?

Aber unbedingt.

Herr Kollege, sind Sie bereit, meinen Hinweis zur Kenntnis zu nehmen, dass im aktuellen Jahr und auch im Vorjahr knapp 60 % der Lehrlinge im dualen System unterwegs sind bzw. waren?

(Joachim Albrecht [CDU]: In Nieder- sachsen!)

Herr Busemann, da sollten wir einmal einen Datenaustausch machen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie sollten einmal Ihre Daten auffrischen!)

Ihre CDU/SPD-Bundesregierung hat uns gerade eine Übersicht auf den Tisch des Hauses gelegt, dass Niedersachsen das eben nicht schafft. Gerechnet wird ja immer, wie viele sich in einem Jahr um einen Ausbildungsplatz bewerben. Das betrifft nicht nur diejenigen, die in diesem einen Jahr einen Schulabschluss gemacht haben - das ist sicherlich die Gruppe, die Sie im Blick haben -, sondern auch diejenigen, die auch in den Jahren davor keinen Ausbildungsplatz bekommen hat. Diese Bugwelle schieben wir vor uns her. Sie wird immer größer, weil nämlich jedes Jahr ein großer Teil der Betroffenen wieder keinen Ausbildungsplatz findet.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Ihre Einlassung, Herr Busemann, zeigt übrigens deutlich, wie schlecht das in diesem Land organisiert ist: Sie schauen nur auf die Schülerinnen und Schüler, der Wirtschaftsminister schaut nur auf diejenigen, die schon Arbeit haben, und die Sozialministerin schaut nur auf die jungen Auszubildenden. Offensichtlich schauen Sie alle nur auf Teilmengen, aber sehen nicht das gesamte Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Falls der Bildungsbericht der Bundesregierung dem Ministerium nicht vorliegt, schicke ich Ihnen gerne eine Kopie zu. Sie können ihn auch aus dem Internet herunterladen; ich stelle Ihnen den Link

gerne zur Verfügung. Dann können wir die Diskussion in der nächsten Sitzung vertiefen.

(Zuruf von Ursula Ernst [CDU]: Sie haben immer Recht!)

- Nein. Ich weise nur auf Daten hin, die Ihnen allen zugänglich sind. Ich schlage vor, dass wir uns auf eine gemeinsame Datenlage verständigen. Schließlich sagen ja auch die Kollegen aus Ihrer Fraktion, dass die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit für Niedersachsen nicht die Wahrheit darstellen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Diese Zahlen gibt es doch noch gar nicht!)

- Ja eben. Aber wie wollen Sie denn Politik machen? Machen Sie das mit geschlossenen Augen, oder was? Auf irgendetwas müssen Sie doch zurückgreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Joachim Albrecht [CDU]: Sie müssen nicht von sich auf andere schließen!)

Herr Hagenah, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich glaube, die Thematik ist einigermaßen klar geworden. Die Landesregierung muss ihre Hausaufgaben machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Herr Lenz zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Lenz!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich es hier nicht so stehen lassen kann, dass Herr Hermann von einem beleidigenden Antrag spricht. Herr Hermann, ich finde, es ist schon ein starkes Stück, was Sie hier formulieren.

(Zustimmung bei der SPD)

Im Übrigen kann ich Ihnen wirklich nur empfehlen, einmal Ihre Vorurteile außen vor zu lassen, einer Rede zuzuhören und dann zu versuchen, auf die Argumente konstruktiv einzugehen. Genau das haben wir sechs Monate lang im Ausschuss versucht: mit konstruktiven Vorschlägen eine konstruktive Diskussion zu führen. Sie, Herr Hoppenbrock, haben allerdings immer dafür gesorgt, dass diese Diskussion im Ausschuss nicht stattgefunden hat. Also muss sie heute hier stattfinden.