Protocol of the Session on July 12, 2006

(Beifall bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Aber das geht nicht von heute auf morgen!)

Wir wollen die Studierquote bei den Abiturienten wieder erhöhen. Dazu müssen an den Schulen mehr Inhalte, die auf nachgefragte Studiengänge hinführen, angeboten werden, und die Berufsinformation muss an den Gymnasien gezielt auf akademische Ausbildungsgänge hin ausgerichtet werden. Zugleich müssen wir für die noch einige Jahre wachsende Nachfrage und nicht nur für den doppelten Abiturjahrgang im Jahr 2011 das Studienplatzangebot bei uns wieder ausweiten. Der Pakt für Ausbildung muss zu einer echten Zuwachsvereinbarung für real mehr Ausbildungsplätze fortgeschrieben werden.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜ- NE])

Die derzeitige Regelung täuscht nur große Erfolge vor, ohne die Probleme an der Wurzel zu lösen.

Ausbildende Betriebe sollten durch eine solidarische Umlage der Prüfungsgebühren in der Ausbildung auf die Kammerbeiträge aller Mitglieder entlastet werden. Insofern wird in einigen Branchen schon quasi eine Ausbildungsumlage erhoben; die wäre eigentlich in allen Branchen sinnvoll.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ebenso wird in einigen Branchen schon unser anderer Vorschlag umgesetzt, in den Tarifvereinbarungen obligatorische Vereinbarungen für zusätzliche Ausbildungsplätze festzuschreiben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Bei der Entwicklung der Ausbildungsplatzangebote ist der öffentliche Dienst in Niedersachsen ein besonders negatives Beispiel. Fast 10 % weniger Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren sind ein Ausreißer nach unten. In kaum einer Branche wurden in den vergangenen Jahren die Ausbildungsmöglichkeiten so zurückgefahren wie bei der öffentlichen Hand. Landesre

gierung und Kommunen sind auch hier in der Pflicht, das, was sie von anderen einfordern, selbst umzusetzen und wieder mehr Ausbildungsplätze anzubieten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Landesregierung trägt auch die Verantwortung dafür, dass der Übergang zwischen Schule und Beruf durch eine ausbildungsgerechtere Schulbildung erleichtert wird. Das Übergangssystem, auf das wir wohl trotz der übrigen Anstrengungen noch einige Zeit angewiesen sein werden, muss mehr echte Qualifizierungen bieten. Alle dort erworbenen Abschlüsse müssen eine berufs- oder ausbildungsrelevante Verwertbarkeit haben. Nur so bleiben die jungen Leute bei der Stange und verlieren nicht den Mut und die Motivation, wenn sie sich nach einem Jahr oder zwei Jahren - bei manchen sind es drei Jahre - wieder bewerben müssen.

Um das alles zielgerichtet und schnell umzusetzen und von der bisherigen rechnerischen Versorgung zur echten Vermittlung aller Jugendlichen zu kommen, muss die Landesregierung endlich aktuelle und belastbare Zahlen über Nachfrage und Angebot vorlegen.

(Gerd Will [SPD]: Sehr richtig!)

Wer wenn nicht das Land ist in der Lage, dazu einen regelmäßigen jahrgangsbezogenen Datenabgleich zusammenzustellen? Das bisherige Daten-Bermudadreieck zwischen Kammern, Arbeitsagenturen und Schulen wirkte sich sehr schädlich auf die politischen Steuerungsmöglichkeiten aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Durch den Datenabgleich könnten zumindest alle angebotenen Lehrstellen besetzt und Eingangsqualifizierungen in Anspruch genommen werden, statt nur einen rechnerischen Ausgleich herbeizuführen mit der Folge, dass mehr als 1 500 Jugendliche - wie im letzten Jahr - real übrig bleiben. Der Datenabgleich sollte uns den Aufwand wert sein; denn wenn wir dadurch mehr Jugendliche vermitteln können, dann ist das eine Zukunftsvorsorge, die wir für unseren Standort dringend brauchen. Das, was wir heute versäumen, werden wir in zehn, fünfzehn Jahren, wenn uns die Fachkräfte fehlen, nicht mehr aufholen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte die Debattierclubs, die sich speziell in der Mittelreihe der CDU befinden, hinauszugehen und hier nicht länger zu stören.

(Anhaltende Unruhe)

- Das gilt auch für den Abgeordneten Behr.

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Hermann das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der GrünenFraktion! Als ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich mich ernsthaft gefragt, ob Sie das Rad wieder einmal neu erfinden möchten. Natürlich freue ich mich, dass Sie sich Gedanken über die Lage am Ausbildungsstellenmarkt machen. Ich kann Ihnen versichern: Auch uns ist bewusst, dass der Ausbildungsstellenmarkt zu leiden hat. Im Gegensatz zu Ihnen aber sehen wir die Ursachen in erster Linie in der angespannten wirtschaftlichen Lage der kleinen und mittelständischen Betriebe, die immerhin fast 85 % aller Ausbildungsplätze anbieten, und nicht in einer Verweigerungshaltung der Unternehmen, wie Sie es ihnen immer wieder - so auch in diesem Antrag - unterstellen. Deswegen ist es auch völlig falsch, den Betrieben und Unternehmen erneut Teile ihrer Eigenständigkeit und Eigenverantwortung durch oktroyierte Regelungen und Vorschriften zu rauben. Das kann wahrlich nicht das Ziel sein, Herr Hagenah.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, nach Gesprächen mit Vertretern von Kammern und Verbänden kann ich nur sagen - das tue ich schon seit ein paar Jahren -, dass im Sinne des Ausbildungsstellenmarktes ein großer Zuwachs an Eigenverantwortlichkeit in den Betrieben und Unternehmen zu verzeichnen ist. Bedingt durch teilweise schlechte Erfahrungen mit gemeldeten Ausbildungsstellen suchen und finden die ausbildungsbereiten Betriebe und Unternehmen ihre Auszubildenden zunehmend selbst.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel ist wirklich sehr hoch. Ich weiß selbst, dass man es nicht mehr merkt, wenn man da unten sitzt und sich unterhält. Aber es ist wirklich sehr laut. - Herr Hermann, Sie haben das Wort.

Die Zeit ist gestoppt worden? - Gut.

Mittlerweile sind - so schätzt man - 40 bis 50 % aller Ausbildungsstellen nicht bei den Arbeitsagenturen oder sonstwo gemeldet.

Ich will Ihnen einmal einige Zahlen nennen, die durch das Land gehen. Bei den Ausbildungsverträgen im Handwerksbereich ist bis Ende Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum landesweit eine Plus/minus-null-Situation zu verzeichnen. Bei der IHK, also bei Industrie und Handel, ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar ein Plus von 4,1 % zu verzeichnen. Das ist nach der in den letzten Jahren zu verzeichnenden - ich möchte fast sagen - Ausbildungsplatztalfahrt bei den kleinen und mittelständischen Betriebe in Deutschland ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Wenn sich dieser Trend so fortsetzt, werden wir am Ende des Jahres mindestens die Vorjahreszahlen erreichen. Wir haben im Dezember des letzten Jahres in Deutschland rund 20 000 - das sind, bezogen auf Niedersachsen, rund 10 %, also 2 000 - unversorgte Jugendliche gehabt. Ich vermute, das wird in diesem Jahr auch so sein.

Damit bestätigt sich eigentlich das, was ich in jeder Plenardebatte zu diesem Thema gesagt habe: Der Ausbildungsmarkt leidet unter dem schwachen Arbeitsmarkt. Wenn wieder konsumiert und investiert wird, werden auch die Arbeitslosenzahlen sinken, und dann steigt auch wieder die Zahl der Lehrstellenangebote.

Meine Damen und Herren von der GrünenFraktion, ich halte auch Ihre Forderung - Verzeihung, Herr Hagenah, das war ja so ein bisschen eine Lachnummer - nach einer höheren Studierendenquote in diesem Zusammenhang für verfehlt.

(Zuruf von der SPD: Wieso denn das?)

Das klingt so, als wollten Sie den Arbeitsmarkt entlasten, indem Sie Jugendliche in die Universität schicken. Das hat noch nie funktioniert.

Unser duales System, Herr Hagenah, beinhaltet übrigens eine so gute theoretische Ausbildung, dass es sich hinter vielen Kurzstudiengängen in anderen Ländern nicht zu verstecken braucht.

(Beifall bei der FDP)

Auch für die gering Qualifizierten tun wir eine Menge, insbesondere dadurch, dass wir den Hauptschulabschluss aufwerten und dafür sorgen, dass alle Schulabgänger ausbildungsfähig sind. Gleichzeitig erhöhen wir den Praxisbezug der Schule, um den Übergang in das Berufsleben zu vereinfachen.

Meine Damen und Herren, das, was ich eben in Bezug auf die Schule gesagt habe, braucht natürlich seine Zeit. Das kann man nicht in zwei, drei Jahren erledigen. Da brauchen wir schon einen Vorlauf von wohl einem halben Jahrzehnt, wenn nicht noch mehr. Man braucht hier also - das möchte ich Ihnen zum Schluss noch sagen - keine Kostenumlage, Herr Hagenah, und auch keine Ausbildungsplatzabgabe, die vielleicht noch gefordert wird, sondern wir brauchen mehr Vertrauen in die Betriebe. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ralf Briese [GRÜNE]: Wir beten ein bisschen!)

Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Konrath das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Die Ausbildungssituation junger Menschen muss im Landtag diskutiert werden. Das Thema kann in seiner gesellschaftlichen Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Denn wer könnte nicht die tiefe Enttäuschung junger Menschen nachvollziehen, die im Anschluss an ihre mehr oder weniger lange Schulzeit die Erfahrung machen müssen, dass die Gesellschaft sie weder braucht noch bereit ist, ihnen eine ernsthafte Chance zur persönlichen Entwicklung einzuräumen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir alle gemeinsam haben hier in der Tat eine besonders dringliche Herausforderung vor uns. Alle Fraktionen dieses Hauses werden dem zustimmen. Vieles von dem, was Sie fordern, ist schon auf den Weg gebracht.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen, Sie konstatieren in Ihrem Antrag eine wachsende Lehrstellenlücke und damit verbunden den Anstieg von beruflichen Vollzeitschulformen. Der Kultusminister ist bereits ausführlich auf das Phänomen eingegangen und hat die Gründe für diese Entwicklung dargelegt, die ich hier nicht zu wiederholen brauche. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen bekennen sich ganz klar zum dualen System. Die bis zum Jahr 2009/2010 steigenden Schülerzahlen und der Rückgang an Ausbildungsplätzen zwingen uns dennoch, entsprechende Angebote bereitzuhalten, auch wenn dies bildungspolitisch so nicht gewollt ist. Übrigens ist dies kein spezifisch niedersächsisches Problem; das gibt es auch in anderen Bundesländern.

Wir wissen, dass der Ausbildungsstellenmarkt im Juni traditionell besonders angespannt ist und die Bilanz sich gegen Ende des Jahres wieder ausgeglichener präsentiert. Das ist für uns aber kein Anlass, Entwarnung zu geben, ganz im Gegenteil. Wir bemühen uns um jeden einzelnen Ausbildungsplatz - ich konnte gestern Abend einen Ausbildungsplatz für einen 17-jährigen Realschüler einwerben, und das macht, auch wenn es nur ein Platz ist, zufrieden -, und wir haben dabei Erfolg.

Der „Pakt für Ausbildung“ in Niedersachsen arbeitet sehr erfolgreich. Im letzten Jahr wurden statt der 2 500 angekündigten 6 700 neue Ausbildungsplätze eingeworben. Wir werden für die Zeit ab 2007 die hervorragende Kooperation mit unseren Partnern, den Kammern, den Unternehmerverbänden und der Arbeitsverwaltung, fortsetzen und verstärken, gerade weil die Zahl der Schulabgänger weiter ansteigt.

Es gibt auch durchaus positive Signale auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Bis Ende Juni konnten 20 % mehr Jugendliche in Niedersachsen von den Arbeitsagenturen in eine Ausbildung vermittelt werden als im Vorjahr zum gleichen Zeitpunkt. Besonders erfreulich ist der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit insgesamt. Im Juni haben sich 18,8 % weniger junge Menschen bis 25 Jahren arbeitslos gemeldet als im Vorjahresmonat. Unsere gemeinsamen Anstrengungen zeigen Wirkung.

Wir müssen die Situation differenzierter betrachten, als es in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommt. Es lässt sich leicht feststellen, dass die konjunkturelle Situation gravierende Auswirkungen auf das Ausbildungsengagement der Betriebe hat, und dabei stimmt die gegenwärtige Entwicklung hoffnungsfroh. Die Arbeitslosenzahlen sinken, die Zahl der offenen Stellen steigt, die Wirtschaft kommt langsam wieder in Fahrt.

Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand zu verbessern; denn hier entstehen in erster Linie die so dringend benötigten Arbeits- und Ausbildungsplätze.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Niedersachsen hat dieses Problem erkannt und seit dem Regierungsantritt im Jahr 2003 den Bürokratieabbau konsequent vorangetrieben.