Protocol of the Session on May 18, 2006

damit Sie zumindest eine leise Ahnung davon bekommen, welche problematischen Familienkonstellationen es in diesem Lande gibt und wie sich

Missbrauchsopfer verhalten bzw. nicht verhalten. Es ist an Unkenntnis dieser wirklich schwierigen Situation nicht zu überbieten, was Sie hier eben in diesem Zusammenhang gesagt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Ebenfalls nach § 77 a Frau Merk mit einer Kurzintervention auf Herrn Kollegen Krumfuß.

Herr Kollege Krumfuß hat eben von sehr vielen, über 1 500 Frauenorganisationen in Syrien gesprochen, meine Damen und Herren. Lieber Herr Kollege, wenn Sie ungeprüft die Dinge vom Bundesamt übernehmen, passiert so etwas. Es ist die Parteiorganisation der Baath-Partei mit ihren Untergliederungen. Sie ist eine Einheitspartei, die für Frauen eine reine politische Frauenorganisationspartei ist. Sie hat in jedem kleinen Ort in Syrien - wo ich im Übrigen sehr häufig bin - diese Frauenorganisationen, und diese Frauenorganisationen sind reine Parteiorganisationen, die nicht in Frage stehen, etwa einer solchen Familie in einem so schwierigen Fall überhaupt zur Seite stehen zu können.

Der zweite Punkt, den ich besonders schlimm fand: Wir alle wissen - jedenfalls ich habe in der Jugendarbeit, im Jugendamt Hannover sehr viel mit diesen Fällen zu tun gehabt -, wo Missbrauch oder Misshandlungen erfolgt sind: Glauben Sie doch nicht, dass Kinder, die misshandelt worden sind, ihre Eltern nicht als Eltern ansehen! Das tun sie trotzdem!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist bekannt, auch den Kollegen bekannt, und das ist auch dem Bundesamt bekannt. Man brauchte nur einmal nachzulesen, wie die Situation ist.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass dieses Mädchen gar nicht diejenige ist; denn selbst das Bundesamt sagt: Es dürfte sich bei der Tochter um die und die handeln.

Herr Kollege, dann bleiben Sie bitte bei dem, was auch das Bundesamt sagt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Kollege Krumfuß, möchten Sie antworten? - Das ist nicht der Fall.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was soll er auch antworten? - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Dann rufe ich die nächste Wortmeldung auf. Herr Kollege Bode, Sie hatten sich zu dieser Petition zu Wort gemeldet.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt bin ich einmal gespannt!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sollten keinem Kollegen in diesem Hause auch nur indirekt unterstellen, dass er nicht jeden Einzelfall, den wir im Petitionsausschuss in derartigen Problemfällen im Ausländerrecht vorgelegt bekommen, wirklich individuell und ernsthaft prüft.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Wir haben uns insbesondere den jetzt vorliegenden Fall noch einmal angeschaut. Wir haben ihn zurückgestellt, um die Bedenken, die auch nach der ersten Behandlung im Petitionsausschuss vorgetragen worden sind, aufzunehmen und ihnen gerecht zu werden. Wir haben insbesondere - das ist, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, Frau Merk, der einzig richtige und gangbare Weg - hinterfragt: Kann der Familie im Zielland, im Herkunftsland etwas geschehen, wenn sie dorthin zurückreisen muss? Da können wir uns tatsächlich nur auf die Aussage der Bundesebene, des Bundesamtes, des Auswärtigen Amtes, verlassen und müssen dieses Votum als gegeben hinnehmen.

Das Votum ist in diesem Fall tatsächlich so, dass gesagt wird: Das ist in Ordnung; wir können die Familie zurückkehren lassen.

Was können wir als Land, als Landtagsabgeordnete dann noch tun, wo können wir schauen, ob es ein Härtefall ist? Wir haben dann noch die Gelegenheit zu schauen: Gibt es hier in Niedersachsen Gründe, die ein Hierbleiben aufgrund einer persönlichen, einer individuellen Situation rechtferti

gen, die anders ist als in allen anderen Fällen, die wir entsprechend entschieden haben? Wir können auch nicht mit Willkür an diese Fälle herangehen.

Wir haben hier feststellen müssen, dass es eine solche besondere Situation im Vergleich zu allen anderen Fällen nicht gegeben hat. Wir können also daher in diesem Fall tatsächlich die niedersächsischen Aspekte und auch die Bundesaspekte nicht so würdigen, dass wir Ihrem Antrag folgen könnten.

Frau Polat, ich möchte Ihnen eines noch sagen, was Ihren Beitrag betrifft. Sie haben gesagt - vielleicht haben Sie es nicht so gemeint -, die Familie sei im deutschen Rechtssystem durchs Raster gefallen. Das kann ich hier so nicht stehen lassen.

(Zuruf von der FDP: Das ist eine Auf- fassung!)

Es ist richtig, dass die Familie in vielen Fällen vor Gericht nicht Recht bekommen hat bzw. dass nicht in ihrem Sinne geurteilt worden ist. Das haben allerdings unabhängige deutsche Gerichte nach Recht und Gesetz entschieden. Das sind Urteile, die man dann akzeptieren muss. Dadurch ist niemand durchs Raster gefallen. Das ist der deutsche Rechtsstaat.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Ich sehe mehrere Wortmeldungen zu Kurzinterventionen aus einer Fraktion. Sie müssen sich dann innerhalb der Fraktion verständigen.

Für die SPD-Fraktion hatte sich Frau Merk mit einer Kurzintervention auf den Kollegen Bode zu Wort gemeldet. Frau Merk, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, wenn wir über diesen Fall sprechen, dann hätten wir es sehr viel leichter, wenn wir eine Bleiberechtsregelung hätten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dass die Integration dieser Kinder gelungen ist, wissen wir. Dass die Familie ein dramatisches Schicksal hat, wird hier gar nicht bestritten. Es geht also darum zu überlegen: Wie könnten wir der

Familie helfen? Herr Bode hat das ja gesagt, aber er meint, das könne man im Heimatland. Wir meinen, das kann man bei der Familie nach 16 Jahren in Deutschland und bei hier geborenen Kindern nicht im Heimatland machen.

Es könnte sich ja die Frage stellen - ich versuche, zu vermitteln -, dass wir die Sache noch einmal zurückstellen. Die Familie kann ihre Petition auch jetzt noch zurücknehmen. Sie kann es jetzt noch. Wenn wir entschieden haben, kann sie nichts mehr machen, dann ist das verbraucht.

Wir werden ja, wie wir wissen, beim Innenminister in Kürze eine Härtefallkommission haben, und es könnte sich vielleicht eignen, diese Frage einer Härtefallkommission - wenn sie sie denn aufnimmt; das muss sie ja selbst entscheiden - vorzulegen. Die Frage ist, ob wir uns dazu verstehen könnten, um jetzt den Weg nicht abzuschneiden.

Das gebe ich zu bedenken, und ich wäre dankbar, wenn man sich darüber kurz verständigen könnte. Vielleicht könnte das einen anderen Weg ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Eine Kurzintervention auf den Kollegen Bode von Frau Kollegin Korter.

Danke schön, Frau Präsidentin! Herr Kollege Bode, ich möchte mich dem Anliegen und der Bitte von Frau Merk anschließen und Ihnen Folgendes ans Herz legen.

Wir bekommen ein Härtefallgremium. Wenn Recht und Gesetz ausgeschöpft sind und eine Familie aus menschlichen, aus humanitären Gründen hier bleiben soll, weil sie hier gut integriert ist und weil es um die Kinder und die Frau geht, die nichts an ihrer Lage verschuldet haben, dann appelliere ich an Sie: Setzen Sie tatsächlich dieses Anliegen eines Härtefallgremiums auch um! Wir brauchen für diese Familie einen Aufenthaltsstatus, und ich bitte Sie: Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie diesem Anliegen von Frau Merk zu! Lassen Sie uns das noch einmal zurückstellen, bis wir wirklich eine Härtefallkommission haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bevor ich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort erteile, möchte Herr Bode noch antworten. Die Wortmeldung hatte ich nicht gesehen. Selbstverständlich haben Sie die Möglichkeit, Herr Bode.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Merk, ich stimme Ihnen in der Tat zu, dass wir in Deutschland eine vernünftige Bleiberechtsregelung brauchen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dann beendet endlich den Spagat!)

Allerdings gibt es dazu unterschiedliche Vorstellungen zwischen der SPD, den Grünen und auch der CDU, wie man bei diesem Thema vorankommen sollte. Daran müssen wir auf Bundesebene gemeinsam arbeiten, dass dort Bewegung entsteht. Ich würde mich auch freuen, wenn die Anträge, die im Bundestag vorliegen, schneller behandelt würden, nachdem sie bereits seit Februar in den Ausschüssen beraten werden.

(Beifall bei der FDP)

Von daher sollten wir gemeinsam kämpfen und einen neuen Konsens in dieser Frage in der Bundesrepublik Deutschland herbeiführen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es geht jetzt um den Fall!)

Ich muss Ihnen zu der Bitte auf weitere Zurückstellung sagen: Wir haben intensiv auch die Frage geprüft, ob dieser Fall ein Fall sein kann, der in einer Härtefallkommission positiv beschieden werden könnte. Aufgrund aller Sachverhalte und aller Sachargumente, die vorliegen, sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass dieser Fall nicht geeignet ist, in der Härtefallkommission positiv entschieden zu werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wie muss ein Fall aussehen, damit er die Voraus- setzungen erfüllt? Den Fall müssen Sie einmal konstruieren! - Weitere Zu- rufe von der SPD und den GRÜNEN - Unruhe)

Danke schön. - Frau Polat, die GRÜNEN haben noch eine Redezeit von 1:24 Minuten. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Redebeiträge eingehen, zunächst auf Ihren Redebeitrag, Herr Krumfuß. In Ihrer ganzen Rede haben Sie wieder nur zielstaatenorientiert argumentiert. Herr Bode, ich möchte noch einmal betonen: Ich habe von „Härtefällen“ gesprochen. Härtefälle sind Fälle - das ist in dem neuen Aufenthaltsgesetz rechtlich fixiert worden -, die alle rechtlichen Verfahren durchlaufen haben und abgelehnt worden sind.