Besonders schön finde ich an dem schleswigholsteinischen Modell, dass die wissenschaftliche Begleitung des Vorhabens nachgewiesen hat, dass die Sozialhilfeträger durch die Arbeit der
Pflegeberatungsstellen erhebliche Einsparungen erzielen. Die Beratungstätigkeit hat nämlich in vielen Fällen eine häusliche Betreuung ermöglicht oder stabilisiert und so den Beginn einer vollstationären Pflege hinausgezögert oder ganz vermieden. Das ist das, was die Leute wollen. Das ist auch das, was das Land und die Kostenträger wollen sollten; denn es rechnet sich.
Die durchschnittlichen Einspareffekte pro Beratungsstelle in Schleswig-Holstein beliefen sich 2004 nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Kiel auf 321 000 Euro pro Beratungsstelle für den Sozialhilfeträger und 225 000 Euro für die Pflegekassen. Die Beratungsstellen selbst kosteten durchschnittlich 155 000 Euro, sodass der Nettoeinspareffekt bei 391 000 Euro pro Beratungsstelle lag. Besser kann man Geld überhaupt nicht anlegen, meine Damen und Herren! Es muss allerdings gewährleistet sein, dass die Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen trägerunabhängig ist, also ohne Beeinflussung durch eigene Institutionsinteressen. Es geht nicht darum, Menschen in bestimmte Einrichtungen hinein zu beraten, sondern darum, ihnen alle Optionen offen zu halten. Dies gilt insbesondere wegen der Alternativen, die es möglicherweise gibt und die ausgebaut werden müssen. Ich denke hier z. B. an alternative Wohnformen, alternative Betreuungsnetze sowie an die Neuentwicklung von Betreuungsformen. Mithilfe der Beratungsstellen könnten solche Ideen angeschoben, verwirklicht und unterstützt werden.
Frau Kohlenberg, Seniorenbeiräte und Kirchengemeinden können dies nicht leisten. Für die Erfüllung dieser Aufgaben bedarf es einer gewissen Professionalität. Dies wird wohl niemand leugnen können, der sich mit diesem Thema ernsthaft auseinander setzt.
Die niedersächsische Pflegestatistik gibt eine ziemlich erschreckende Auskunft darüber, dass die künftigen Herausforderungen noch entschieden zu wenig diskutiert und konkrete Probleme oft vertagt worden sind. Niedersachsen ist noch nicht richtig vorbereitet. Auf die veränderte demografische Entwicklung haben sich die relevanten Akteure noch nicht wirklich eingestellt. Bei der weiteren Beratung des Landespflegeberichtes werden wir dies noch zu diskutieren haben.
Wir haben Ihnen zu diesem Thema bereits im vergangenen Jahr einen umfangreichen Entschließungsantrag vorgelegt, den Sie leider abgelehnt haben. In diesem Antrag war auch die Notwendigkeit einer unabhängigen Pflegeberatung aufgeführt, was die SPD in diesem Entschließungsantrag aufgegriffen hat. Deshalb werden wir ihm selbstverständlich gerne zustimmen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon eigenartig, dass Sie die Landesregierung jetzt auffordern, etwas zu tun, und behaupten, sie habe nichts getan, obwohl aus dem Pflegebericht sehr deutlich hervorgeht, was alles schon in Arbeit ist. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir sehr wohl wissen, dass der SoVD entsprechende Beratungen durchführt und dass ein entsprechendes Projekt erarbeitet wird. Eigentlich kann man fragen, warum Sie diesen Antrag eingebracht haben.
Frau Elsner-Solar, Sie haben die Antwort der Landesregierung als Seifenblase bezeichnet. Das ist zwar ganz populistisch ausgedrückt, aber trotzdem falsch.
Das stimmt nicht und wird der Antwort auch nicht gerecht. Ich halte es auch für nicht in Ordnung, im Zusammenhang mit Altenpflege, um die wir uns alle energisch kümmern sollten, so populistisch vorzugehen.
Sie haben ferner gesagt, die Landesregierung tue nichts. - Das Gegenteil ist der Fall, was man auch sehr gut beweisen kann. Seit wir an der Regierung sind, haben wir uns über Entbürokratisierung in der Pflege Gedanken gemacht, ein neues Pflegegesetz verabschiedet, Demenzangebote geschaffen und das persönliche Budget eingerichtet. All das
Dann haben Sie ausgeführt, die Altenpflege solle als Beitrag zur Sanierung der Landeshaushalte dienen. Das empfinde ich als völlig daneben, weshalb ich es noch einmal aufgreifen muss. Sie wissen ganz genau, Frau Elsner-Solar, dass das überhaupt nicht stimmt. Im Gegenteil, gerade bei der Pflege achten wir sehr wohl darauf, dass wir mit den Kosten sorgsam umgehen und dass die Menschen wirklich das bekommen, was sie auch in Zukunft brauchen.
Frau Helmhold, Sie haben so getan, als mache sich die Landesregierung keine Sorgen um die Zukunft der Pflege. Sie haben richtigerweise geschildert, dass die alten Menschen möglichst gesund alt werden wollen und dann, wenn sie Pflege brauchen, im häuslichen Umfeld leben oder eine gute Auswahl an Pflegeangeboten haben möchten. Genau dem gehen wir nach. Dass wir Ihren Entschließungsantrag zur Pflege bis 2030 seinerzeit abgelehnt haben, hat nur damit zu tun - das wissen Sie ganz genau, Frau Helmhold -, dass wir in der Enquete-Kommission den großen Block „Pflege“ noch vor uns haben. Wir nehmen die statistischen Daten sehr wohl auf und werden dann sehen, was wir im Hinblick auf die künftige Entwicklung auf Niedersachsen zu tun haben. Dabei machen wir auf der Grundlage der Daten einen Schritt nach dem anderen. Wir haben Ihren Antrag abgelehnt, weil Sie alles auf einen Schlag herunterbrechen wollten, was wir erst noch genau analysieren müssen.
Frau Meißner hat mich nicht ermahnt, sondern mich nur aufgefordert, ihre Bitte dem gesamten Hause zu übermitteln. Aber weil Frau Meißner es gesagt hat, hat das Parlament auf sie gehört.
Natürlich ist uns allen die Pflege der alten Menschen wichtig. Als Beispiel kann ich aus unserer Fraktion berichten: Vor anderthalb Jahren gab es Beschwerden aus dem Raum Emden, dass im Falle der ambulanten Pflege mehrere Verordnungen nicht beachtet worden seien. Wir haben mehr als ein Jahr lang Fälle gesammelt und dann bewirkt, dass diese Missstände tatsächlich abgebaut wurden. Wir sind also sehr wohl tätig geworden. Dies sollten alle Sozialpolitiker tun. Wir sollten dafür sorgen, dass die Menschen, die alt und pflegebedürftig werden, ein passendes Angebot vorfinden und auch eine Übersicht darüber bekommen.
Eine einheitliche Zertifizierung haben wir abgelehnt, weil wir keine aufoktroyierte Zertifizierung wollten, die die Anbieter selbst bezahlen müssen Es gibt schon mehrere sehr gute Modelle, ohne dass wir etwas regeln. Deswegen haben wir diesen Antrag abgelehnt. Aber natürlich wollen wir Qualität haben, und die gibt es auch.
Frau Kohlenberg hat schon gesagt, dass ganz viel in Arbeit ist. Warten wir einmal ab, was die Ausschussberatungen bringen werden. Im Grunde genommen war dieser Antrag überhaupt nicht erforderlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Meißner, ich will nur drei Dinge klarstellen.
Erstens haben Sie gesagt, Sie hätten Leistungen für Demenzkranke eingeführt. - Das ist falsch. Es handelt sich um einen Leistungsanspruch auf der Grundlage des Bundespflegeversicherungsgesetzes, der von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt worden ist. Sie haben zwei Jahre gebraucht, bis Sie die Richtlinie hier im Land umgesetzt haben.
Zweitens ist das persönliche Budget im Landtag einstimmig beschlossen worden. Die frühere Sozialministerin hat über ein Jahr gebraucht, bis sie das Modell zum Laufen gebracht hat.
Drittens haben Sie die Investitionskosten in der Altenpflege abgeschafft. Das ist Ihre einzige Leistung, die Sie hier flächendeckend hinbekommen haben, mit der Konsequenz, dass 10 000 alte Menschen in die Sozialhilfe gebracht worden sind.
Ferner haben Sie faktisch hinter den Kulissen das Notruftelefon für Pflegebedürftige in Niedersachsen abgeschafft. Das ist die Realität. Bei dieser Realität sollten wir bleiben und hier nicht eine solche Geschichtsklitterung betreiben.
(Gesine Meißner [FDP]: Das machen wir im Ausschuss! Das ist, glaube ich, besser! - Beifall bei der FDP und bei der CDU)
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Die Federführung soll dem Ausschuss für Soziales, Frauen‚ Familie und Gesundheit übertragen werden. Mitberatend soll der Ausschuss für Inneres und Sport tätig werden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 43: Erste Beratung: Zukunft des Lagers Friedland - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2858
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ehemalige Grenzdurchgangslager Friedland stellt ein Stück Nachkriegsgeschichte dar. Für fast 4 Millionen Menschen - Heimatvertriebene, heimgekehrte Kriegsgefangene, Verschleppte und Evakuierte - wurde es das Tor zur Freiheit. Die zum Teil erschütternden Bilder von damals gingen um die ganze Welt.
Friedland ist als Tor zur Freiheit inzwischen zum Symbol geworden und muss als Gedenk- und Erinnerungsstätte gegen Krieg und Gewaltherrschaft erhalten und weiterentwickelt werden.
Heute ist das Lager Erstaufnahmestelle für Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge. Seit In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes im Jahre 2005 müssen auch die Angehörigen eines deutschstämmigen Aussiedlers vor ihrer Einreise nach Deutschland einen Sprachtest bestehen. Das hat jetzt zu einer deutlichen Verringerung der Zuzugszahlen geführt. In den ersten Monaten dieses Jahres trafen nur noch 1 500 Spätaussiedler in Friedland ein. Das entspricht ungefähr einem Sechstel der Zahl aus dem Vorjahreszeitraum. Mit einem weiteren Rückgang der Zahlen ist zu rechnen.