Protocol of the Session on February 23, 2006

Hier müssen für die Zukunft Weichen gestellt und Schnittstellen abgebaut werden. Dies schafft dann auch bessere Voraussetzungen für die Entwicklung einer qualifizierten Kurzzeitpflege vor Ort. Ich begrüße daher die in der Koalitionsvereinbarung von CDU und CSU mit der - wenn ich mich recht erinnere - SPD auf Bundesebene vom 11. November 2005 diesbezüglich angekündigten Reform

schritte im Zuge der anstehenden Novellierung der Pflegeversicherung. Niedersachsen wird sich an diesem Novellierungsprozess konstruktiv beteiligen. Die Landesregierung teilt aber uneingeschränkt das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel der Stärkung der häuslichen Pflege und der dazu angekündigten Maßnahmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 19: Zweite Beratung: Zertifizierung von Pflegeeinrichtungen unterstützen - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/1418 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/2634

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Groskurt von der SPD-Fraktion. Ich erteile ihr das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stehe nicht ganz freiwillig hier. Die CDU/FDP-Koalition hat mir dies mit ihrem Abstimmungsverhalten im Ausschuss aufgedrängt. Der Antrag der SPD-Fraktion „Zertifizierung von Pflegeeinrichtungen unterstützen“ ist aus meiner Sicht noch nicht abstimmungsreif. In der Ausschusssitzung am 18. Januar 2006 habe ich darum gebeten, den Antrag bis zum Sommer 2006 zurückzustellen. Diesen Antrag habe ich vor dem Hintergrund gestellt, dass u. a. der Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung durch das AQUA-Institut in Göttingen noch nicht vorliegt. Es ist sehr bedauerlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, dass Sie

dieser Bitte nicht entsprochen haben. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass Sie ohne wirkliche Begründung schlicht Nein sagen. Das Ministerium hat mehrfach bestätigt, dass unser Antrag Impulse ausgelöst hat.

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen und die Landesorganisation der Pflegekassen in Niedersachsen arbeiten vor dem Hintergrund der Vielfalt und Uneinheitlichkeit der Zertifizierungsverfahren und unter Rückgriff auf die Anhörung, die der Ausschuss zu diesem Antrag durchgeführt hat, an einem Entwurf für Zertifizierungsrichtlinien. Dieser Entwurf ist uns schon vorgelegt worden. Sie aber sagen: Nein, wir wollen den Antrag nicht weiter beraten. - Ich bitte Sie: Denken Sie noch einmal darüber nach! Noch ist Zeit. Sie sind doch klug.

(Norbert Böhlke [CDU]: Stimmt! Da haben Sie Recht!)

- Dann brauche ich gar nicht weiterzureden. Sie stimmen mir zu und dann ist es gut.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie brau- chen jetzt nicht mehr weiterzureden! Sie können jetzt aufhören!)

Sie hätten sonst den guten Ansatz unseres Antrages und den mit ihm verbundenen Impuls zunichte gemacht. Wenn der Abschlussbericht fertig gestellt sein wird und unseren Antrag unterstützt - wovon wir überzeugt sind -, würden wir wieder ganz von vorne anfangen, es sei denn, Sie stimmen unserem Antrag heute zu. Das geht ja noch. Wir müssten sonst einen neuen Entschließungsantrag stellen und ihn zunächst im Plenum, dann im Ausschuss und danach noch einmal im Plenum beraten. Dann wäre wieder ein ganzes Jahr vorbei, ohne dass sich etwas bewegt hätte. Wären Sie damit einverstanden, unseren Antrag bis zum Sommer 2006 zurückzustellen, könnten wir sofort nach den Sommerferien weiterarbeiten und hätten zum Ende des Jahres fundierte Angebote für Zertifizierungen in Pflegeeinrichtungen.

Gerade vor dem Hintergrund des heute schon vielfach benannten demografischen Wandels und in dem Wissen, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt, haben wir die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Bürokratie nicht überhand nimmt. Wir stehen doch heute schon vor den Anforderungen des demografischen Wandels manchmal so hilflos wie vor dem Phänomen, dass wir uns in jedem Jahr darüber wundern, dass

plötzlich wieder Weihnachten ist. So weit dürfen wir es aber nicht kommen lassen. Wir müssen jetzt handeln. Der demografische Wandel und der damit zusammenhängende steigende Pflegebedarf sind unstrittig. Trotzdem sehen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, nach meinem Eindruck der Entwicklung ziemlich gelassen entgegen. Ihre Ruhe beunruhigt mich sehr.

(Norbert Böhlke [CDU]: In der Ruhe liegt die Kraft!)

Wenn Sie unserem Antrag heute zustimmen würden, wären wir auf dem Weg zum Bürokratieabbau ein ganzes Stück weiter.

Ich bin leider nicht zum ersten Mal erstaunt über Ihren Umgang mit Anträgen der SPD-Fraktion.

(Oh! bei der CDU)

Häufig sind Sie bei der Einbringung unseres Antrages hellauf begeistert - oder so ähnlich.

(Zuruf von der CDU: So ähnlich! - Bernd Althusmann [CDU]: Selten!)

Sie signalisieren teilweise Übereinstimmung mit Ihren eigenen Vorstellungen und behaupten, das hätten Sie auch schon einbringen wollen. Daran wird deutlich, dass das Regieren-Wollen für Sie sehr ungewohnt und anstrengend ist und Sie für substanzielle Entscheidungen viel Zeit brauchen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das Re- gieren ist richtig anstrengend, deshalb machen wir das und nicht Sie!)

Dann kommt also eine lange Nichtschaffensphase, die von der mutigen Entscheidung, besser doch nichts zu tun, nahtlos abgelöst wird.

So kommen wir in Niedersachsen nicht weiter!

(Beifall bei der SPD)

Wollen Sie wirklich, dass Niedersachsen auf allen Ebenen Schlusslicht ist? Dann möchte ich aber darum bitten, dass Schlusslichter nicht mehr rot, sondern schwarz-gelb gestreift dargestellt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie den Menschen in Niedersachsen antun und ihnen vorenthalten? - Eine menschenwürdige, individuelle Pflege, da durch die Zertifizierung der Pflegeeinrichtungen und durch regelmäßige Prüfungen eine

Vielzahl unnötiger Doppelkontrollen wegfällt. Und das wiederum bedeutet Zeit, Zeit für Menschen. Zeit kann man nur einmal vergeben. Sie lässt sich nicht erneuern und nicht multiplizieren.

Ich will Ihnen noch einmal ganz kurz mit der mir eigenen Geduld die Vorteile einer Zertifizierung von Pflegeeinrichtungen darlegen, da ich die Hoffnung nicht aufgeben will, dass Sie die auf der Hand liegenden Notwendigkeiten auch sehen. Zertifizierung bringt Einheitlichkeit in die Vergleichbarkeit der Einrichtungen, ambulant und stationär. Heute ist Qualität nicht vergleichbar. Die zu Pflegenden und deren Angehörige, die in der Regel die Pflegeeinrichtungen auswählen, haben das Recht, vergleichbare Daten mittels einer anerkannten Zertifizierung in den Händen zu halten. Transparenz ist hier ein hohes Gut. Die Verbraucherinformation wird dadurch gestärkt.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, es kann nicht sein, dass Sie das alles nicht wollen.

(Zurufe von der CDU: Wir tun das! Das wird doch längst gemacht!)

Alles, was ich Ihnen aufgezählt habe, ist notwendig für Niedersachsen. Ich bitte Sie: Überlegen Sie das noch einmal, und stimmen Sie unserem Antrag zu, im Ausschuss erneut darüber zu beraten. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wiederkehrenden Berichte in den Medien über zum Teil schwere Mängel in der Pflege haben die Notwendigkeit der Qualitätsverbesserung und den Anspruch der Pflegebedürftigen auf eine angemessene Versorgung verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Ich möchte eines festhalten: In sehr vielen Einrichtungen wird trotz schwierigster Rahmenbedingungen eine gute Arbeit zum Wohl der betreuten Menschen geleistet. Bei dieser guten Arbeit können Zertifizierungen ohne Zweifel hilfreich sein. Sie sichern eine gleich bleibende Qualität der Strukturen und Prozesse in den Einrichtungen und können bei gutem Umgang mit ihnen auch zu einer

ständigen Reflektion der eigenen Leistungen im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit und die kontinuierliche Verbesserung der Qualität führen.

Allerdings - das ist etwas problematisch - gibt es mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Zertifikate für Pflegeeinrichtungen mit höchst unterschiedlichen Anforderungen. Wenn sich jedoch Einrichtungsträger mit selbst erfundenen Qualitätssiegeln auszeichnen, kann von Qualität im Sinne des Verbraucherschutzes keine Rede mehr sein. Deshalb ist es sinnvoll, sich über Anforderungen an solche Zertifikate zu verständigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie wir im Laufe der Ausschussberatungen erfuhren, gibt es hierbei seitens der Selbstverwaltung bereits ermutigende Aktivitäten. Dies jedoch bereits zum Anlass zu nehmen, sich aus der politischen Verantwortung zu verabschieden, halte ich nicht für angemessen, wie überhaupt der Antrag eine angemessenere Beratung im Ausschuss verdient hätte.

(Glocke der Präsidentin)

Es ist nicht nachzuvollziehen, wie die Ausschussmehrheit sich hier verhalten hat. Hätte man die abschließende Beratung nicht zurückstellen können, bis die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung und die neuen Prüfrichtlinien des MDK vorliegen? War das wirklich zu viel verlangt? Dies haben Sie entgegen der Bitte der antragstellenden Fraktion auf Vertagung abgelehnt und dann den ganzen Antrag abgelehnt. Das ist, finde ich, ein sehr unübliches Verfahren, dass man sozusagen die Antragsteller in ihrem Wunsch nach Vertagung und weiterer Information überstimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hoffe nicht, dass dies der neue Stil des Umgangs miteinander im Sozialausschuss wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)