Protocol of the Session on February 23, 2006

In diesem Zusammenhang muss meines Erachtens aber auch auf die große Anzahl der allein Erziehenden hingewiesen werden, und dies sind im Wesentlichen Frauen, die im Grunde genommen gar keine Chance haben, eine andere Rollenverteilung als die als allein erziehende Mutter wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die rechtliche Stellung der Väter, die außerehelich ihrer Vaterrolle gerecht werden wollen, in besonderer Weise zu beachten ist. Zur Untermauerung möchte ich eine mir vorliegende Statistik der Freien und Hansestadt Hamburg aus dem Jahre 2003 nennen. Dort sind 6 % der Bevölkerung Ehepaare mit Kindern, 4 % allein Erziehende mit einem Kind, 7 % haben als Ehepaare zwei Kinder und mehr, und 1 % der Bürgerinnen und Bürger hat als allein Erziehende mehr als zwei Kinder, 21 % der Bevölkerung sind Ehepaare ohne Kinder.

Meine Damen und Herren, wenn wir die aktive Väterrolle verbessern wollen, dann müssen wir

einfach zur Kenntnis nehmen, dass sich die gesellschaftliche Situation immer noch so darstellt, dass die Männer zu einem deutlich höheren Anteil wesentlich zum Familienunterhalt beitragen. Besonders häufig äußern Väter die Sorge, dass sie nicht ausreichend Unterhalt verdienen würden, wenn ihre Arbeitszeit reduziert würde. Wenn Väter wegen ihrer Kinder weniger Zeit am Arbeitsplatz verbringen wollen, sind Konflikte mit dem Arbeitgeber, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen, vorprogrammiert. Aus Angst, im Job den Anschluss zu verlieren, stecken deshalb viele Väter zurück. Es fehlt die Unterstützung in den Betrieben und Unternehmen, aber auch insgesamt in der Gesellschaft, Familienförderung auch unter dem Aspekt zu sehen, dass Elternzeit oder, wie es früher hieß, Erziehungsurlaub sowohl von Mutter als auch von Vater beansprucht werden kann. Es ist sehr deutlich: Männer überlegen sich dreimal, ob sie ihrem Wunsch auf eine aktive Vaterrolle entsprechen, weil sie Sorge haben, dass sie in ihrer beruflichen Entwicklung Rückschritte erleiden.

Ein zweiter Grund ist Angst vor Mobbing. Wer dieses Ansinnen stellt, muss auch heute noch damit rechnen, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Nicht vor 20 Jahren, nicht vor 10 Jahren, meine Damen und Herren, sondern erst vor wenigen Tagen hat der Betriebsratsvorsitzende von VW Nutzfahrzeuge hier in Hannover und Landtagskollege Lenz in Langenhagen ein deutliches Beispiel geboten. Zur Unterstützung der SPD im Kommunalwahlkampf machte er auf dem Neujahrsempfang der Sozialdemokraten auf Kosten der schwangeren Bürgermeisterin der CDU, Frau Dr. Schott-Lemmer, eine unser anerkannt gemeinsames Ziel völlig konterkarierende Aussage. Ich zitiere diesen Landtagskollegen der SPD wörtlich:

„Es gibt viele gute Gründe für eine Abwahl. Schließlich blickt Frau Schott zurzeit Mutterglück entgegen, und das Kind hat einen Anspruch auf eine ordentliche Betreuung durch die Mutter.“

Um solche Äußerungen geht es, wenn gesagt wird, dass sich gesellschaftlich einiges verändern muss.

(Zustimmung bei der CDU - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Das glaube ich nicht! Ist das wahr?)

Der Kollege Lenz ist kein Nobody in der SPDFraktion, sondern ihr wirtschaftspolitischer Sprecher.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Er hat sich doch entschuldigt, Herr Kollege!)

- Der hat sich bei mir noch nicht entschuldigt.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Soll er zu je- dem von Ihnen kommen?)

- Er muss sich gesellschaftlich entschuldigen. Er muss öffentlich sagen, dass er einen Fehler gemacht hat. Das ist Beispiel gebend. Es reicht nicht, heimlich irgendjemanden anzurufen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hier geht es um die Außenwirkung. Hier geht es um das Vorbild. Das muss noch einmal sehr deutlich werden. Da hat Herr Kollege Lenz noch einiges nachzuholen, meine Damen und Herren.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Da kenne ich aber noch ganz andere, Herr Böhlke!)

- Auch ich kenne ganz andere. Ich weiß auch, dass die in dieser Beziehung konservativ denkenden Männer keinesfalls in der Minderheit sind. Das ist völlig klar. Aber wir reden ja darüber, dass wir es gemeinsam ändern wollen. Bevor Sie von der SPD-Fraktion einen solchen Antrag einbringen, müssen Sie erst einmal in den eigenen Reihen das Gedankengut entsprechend aufarbeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Schauen Sie sich doch mal in den ei- genen Reihen um!)

- Frau Kollegin, lassen Sie uns doch in dieser typischen Rolle der Parlamentarier auch als Mann und Frau vernünftig miteinander umgehen, und fallen Sie mir bitte nicht ins Wort. Es geht doch darum, dass solche entlarvenden Sprüche in Zukunft möglichst von jedem, der hier öffentliche Aufgaben wahrnimmt, vermieden werden. Das kann man nicht deutlich genug sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte zum Abschluss noch einmal deutlich machen, dass diese Landesregierung, vertreten durch das Innenministerium bzw. durch das Sozialministerium, seit 2003 zu diesem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf entsprechende Initiativen auf den Weg gebracht hat. Ich erinnere an die 15 Koordinierungsstellen zur betrieblichen und beruflichen Förderung von Frauen. Ich erinnere an

die Kampagne für eine familienfreundliche Arbeitswelt. Ich erinnere an die Initiativen im Hinblick auf die Ermunterung der Männer, Lehramt zu studieren und auch an Grundschulden tätig zu werden. Ich erinnere an Initiativen, um das Männerinteresse an Erziehungsberufen, auch als Erzieher in Kindergärten und in der frühkindlichen Bildung, spürbar deutlich zu erhöhen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das sind alles sehr gute Aktivitäten, die ganz im Sinne dieses Antrages sind und bereits auf den Weg gebracht wurden. Selbstverständlich, Herr Kollege Schwarz, unterstützen wir auch die Pläne der Bundesregierung zur Einführung eines Elterngeldes ab 2007 und das damit verbundene Ziel, dass die Kindererziehung im Bezugszeitraum sowohl von Männern als auch von Frauen übernommen werden kann.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, meine Ausführungen haben deutlich gemacht: Wir sind uns einig im Ziel, aber es bedarf des Bohrens dicker Bretter. Lassen Sie uns daran arbeiten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Frau Bührmann von der SPDFraktion hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Ich habe an Herrn Böhlke einige Fragen. Herr Böhlke, ist Ihnen eigentlich bekannt, dass die so genannten Koordinierungsstellen schon seit Mitte der 90er-Jahre hier in Niedersachsen bestehen? Sie haben das eben so dargestellt, als seien sie eine neue Entwicklung dieser Landesregierung. Lieber Herr Böhlke, sie sind wirklich sehr viel älter, und ich hätte mich sehr darüber gefreut, wenn Sie gerade diese guten Koordinierungsstellen etwas ausgebaut und die Entwicklung vielleicht noch ein bisschen vorangetrieben hätten.

(Zuruf von der CDU: Haben wir doch!)

- Nein, das sehen wir anders. - Zweitens sind wir uns, Herr Böhlke, in der Analyse an vielen Stellen einig. Das ist überhaupt keine Frage, aber das

reicht ja nicht. Wo sind denn Ihre Antworten auf die Entwicklung in den letzten Jahren? Ich kann nicht feststellen, Herr Böhlke, dass Ihre Fraktion und die Fraktion der FDP wirklich weitreichende neue, innovative Projekte aufgelegt haben, die die Vereinbarung von Familie und Arbeitswelt für die Frauen erleichtert hätten.

(Ulrike Kuhlo [FDP]: Es geht auch um Männer!)

- Natürlich geht es auch um Männer. Gerade weil das ja vereinbart werden muss, ist es so zentral.

Herr Böhlke, die Analyse ist in Ordnung, aber es reicht nicht. Ich bemängele an Ihrer Politik, dass Sie in den letzten drei Jahren nichts vorangebracht haben, was die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit für Frauen und Männer erleichtert hätte. Das ist schade; denn die Analyse haben wir schon seit vielen Jahren, und wir können uns nicht permanent um die Analyse drehen. Also sagen Sie einfach, was Sie gemacht haben und wohin Sie wollen; das würde uns sehr helfen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das waren genau eineinhalb Minuten. - Es gibt keine weitere Kurzintervention. Deshalb hat jetzt Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Arbeit noch schnell einkaufen, danach warten zu Hause noch ein Berg Wäsche und andere Hausarbeiten. So sieht der Alltag der meisten berufstätigen Mütter aus. Ändern könnten das in erster Linie die Männer, wenn sie denn zu Hause und nicht noch an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen wären.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Männer entwickeln sich nämlich häufig, nachdem Kinder da sind, zu regelrechten Nestflüchtern. Sie verbringen noch mehr Zeit im Büro als vor der Geburt des Kindes.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE] - Zuruf von der CDU: Eigene Erfah- rung!)

- Das ist empirisch nachgewiesen. Mami richtet das Haus und bringt die Kinder rechtzeitig zu Bett, damit Vati seinen Feierabend genießen kann.

(Bernd Althusmann [CDU]: Antiquier- tes Bild!)

Genau so ist es, meine Damen und Herren. Die bisherige Muttiprämie war ja auch konzipiert als Anreiz für Frauen, aus dem Beruf auszuscheiden.

An der klassischen Rollenverteilung im Haushalt hat sich wenig geändert. Auch hier ein paar empirische Daten: Väter, die in Paarhaushalten leben, widmen sich täglich durchschnittlich eine Stunde und neun Minuten ihren Kindern, Frauen doppelt so lange. Bei der Hausarbeit ist es nicht anders. In Paarhaushalten wenden Männer für die Wäschepflege täglich zwei Minuten auf, Frauen dagegen eine halbe Stunde. Es scheint ohnehin so zu sein, dass sie besonderen Abscheu vor dem Umgang mit feuchten Textilien haben. Damit das so bleibt, leisten bereits Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren täglich durchschnittlich eine Viertelstunde mehr Hausarbeit als gleichaltrige Jungen. Hier hat meine Fraktion angesetzt, indem wir mit der Veränderung des „Girls Day“ auch die Jungen in die Betrachtung einbezogen haben mit der ausdrücklichen Zielsetzung, diese auch für eher weibliche Lebensentwürfe zu interessieren und zu sensibilisieren.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜ- NE])

Der Gerechtigkeit halber sage ich: Es ist ja tatsächlich so, dass mindestens ein Drittel der Männer gern mehr Familienarbeit leisten würde, wenn es denn nur möglich wäre. In der Regel sehen sie sich erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Die Arbeitswelt reagiert immer noch sehr befremdet auf entsprechende Wünsche. Teilzeit arbeitende Männer, Vater in Elternzeit - dies ist in den Vorstellungen vieler Firmenchefs und in der vorherrschenden Arbeitskultur, die die Anwesenheit am Arbeitsplatz, und zwar insbesondere in den Abendstunden, belohnt, schlicht nicht vorgesehen. Weil die passenden Männer fehlen, kriegen Frauen immer weniger Kinder; auch das ist belegt. Insbesondere qualifizierte Frauen wissen, dass Kinder zu haben nicht goutiert wird und ihre Karrierechancen verringert. Was also tun? - Ich glaube nicht wirklich, dass insbesondere die ersten Punkte des vorliegenden Antrags bei der Lösung der skizzierten Probleme zielführend sind,

(Zustimmung von Ulrike Kuhlo [FDP])

wobei für mich zunächst die Frage zu klären wäre, was wir unter dem Begriff „Väterarbeit“ denn überhaupt verstehen sollen. Wichtiger als eine Bestandsaufnahme dessen, was erst noch zu definieren wäre, und die Aufstellung eines Konzeptes dazu erscheint mir der weitere Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, damit die klassische Rollenverteilung nicht allein aus Mangel an Betreuungsmöglichkeiten weitergeführt werden muss. Aber da warten wir ja immer noch auf das von Minister Busemann versprochene kostenlose dritte Kita-Jahr.

Über die Abwesenheit der Männer in pädagogischen Berufen haben wir in diesem Hause bereits diskutiert. Auch hier erhoffe ich mir von einer Veränderung des „Girls Day“ mittelfristig zumindest den Effekt, dass Jungen sich mit eher untypischen Berufen beschäftigen. Allerdings setzt dies auch voraus, dass Berufe wie Erzieherin endlich aufgewertet und auch finanziell besser gestellt werden. Sonst wird das nämlich nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur 5 % der Elternzeitler sind Männer. Deshalb ist es richtig, das Elterngeld so auszugestalten, dass Väter zwingend zwei Monate davon in Anspruch nehmen müssen. Wenn sich das gleichberechtigt auch auf die Männer verlagert, verringert das sozusagen das Risiko für die Frauen, die bislang als alleiniges Risiko für die Chefs gelten. Aber schon dieser kleine Schritt war ja einigen aus der CDU zu viel. Was haben die Männer nicht aufgeheult bei der Vorstellung, Väter in die Säuglingsphase ihrer eigenen Kinder einzubeziehen? Aber so ist das im Allgemeinen.