Protocol of the Session on January 25, 2006

die notwendigen Weichenstellungen, die in der Psychiatrie erforderlich sind, erheblich verstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Eines ist klar: In der gesamten niedersächsischen Fachwelt finden Sie nicht einen einzigen Menschen, der Ihre Pläne gutheißt. Der Landesfachbeirat, der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung, die Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, die Beschäftigten, die Angehörigen und die Betroffenengruppen, wirklich jeder protestiert, gibt Ihnen gute Argumente und sagt: Was Sie da machen, kann so nicht sein. - Und was tun Sie? - Sie marschieren unbeirrt weiter und bereiten jetzt die Transaktionsberatung vor. Dabei gibt es doch viel Bewegung. Es haben sich Kommunen und gemeinnützige Träger gemeldet, die in diesen Prozess eingebunden werden und über einen Trägerübergang reden möchten, den ich nicht ablehne, sondern unter gewissen Voraussetzungen für wünschenswert halte.

(Zurufe von der CDU: Aha!)

- Wir haben Ihnen dazu einen Antrag vorgelegt - Sie sollten ihn vielleicht noch einmal durchlesen -, in dem es heißt, die Anstalt öffentlichen Rechts habe Priorität, weil sich die Landeskrankenhäuser nach unserer festen Überzeugung in diesem Prozess auch selbst aufstellen und ihre eigenen Wirtschaftlichkeitspotenziale entwickeln können. Das hat übrigens auch der Landesrechnungshof geäußert. Aber ein Übergang auf bewährte regionale, kommunale und gemeinnützige Träger ist für uns ebenfalls nicht ausgeschlossen. Ein solcher Übergang täte der Psychiatrielandschaft vielleicht sogar gut.

Sie von der Koalition denken nicht von den Menschen, den Betroffenen her; sie wollen die Sicherheit, dass die psychiatrische Versorgung weiterhin wohnortnah, differenziert, vernetzt und kommunal verankert, nicht aber unter privater Trägerschaft getragen wird. Letzteres ängstigt die Menschen zu Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt müssen Sie zum Schluss kommen.

Ein letzter Satz noch: Darauf sollten wir uns einigen können. Reden Sie mit den Interessenten, verschieben Sie die Transaktionsberatung, die den ersten Schritt zur europaweiten Ausschreibung darstellt! Sie wissen ganz genau, dass die Kommunen da nicht mitkommen. Sie haben Ihnen ein Gutachten vorgelegt, das ver.di-Gutachten steht noch aus. Nutzen Sie doch das Zeitfenster, das sich jetzt auftut, um mindestens mit den Kommunen und anderen Interessierten zu reden und so die Psychiatrie auf einen guten Weg zu führen! Sie sollten nicht das durchzocken, was Ihnen der Finanzminister vorschlägt; wahrscheinlich rotieren in den Augen der Ministerialen die Eurozeichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ein langer Schachtelsatz. - Für die FDP-Fraktion Herr Professor Dr. Zielke, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein knapper Gesetzentwurf steht zur abschließenden Beratung. Ein kluges, seinerzeit sehr sorgfältig beratenes Gesetz aus dem Jahre 1962 soll jetzt, da zum ersten Mal seine Anwendung droht, in sein Gegenteil verkehrt werden. Auch die heutige Diskussion hat - genau wie die erste Lesung des Gesetzentwurfs am 5. Oktober letzten Jahres - gezeigt, dass die Privatisierung der niedersächsischen Landeskrankenhäuser sehr viele Aspekte hat: soziale, medizinische, fiskalische und nicht zuletzt juristische.

Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wollen mit dem juristischen Hebel in Niedersachsen eine Diskussion von vornherein abwürgen, die derzeit nicht ohne Grund in etlichen Bundesländern geführt wird. Sie malen vor allem verfassungsrechtliche Bedenken an die Wand. Herr Helberg, Sie sagten in der ersten Lesung am 5. Oktober 2005 - ich zitiere -:

„Die Sicherung dieses staatlichen Gewaltmonopols wird durch die Pläne dieser Landesregierung gefährdet. Das wollen wir mit unserem Antrag verhindern.“

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sehr gut!)

Genau deshalb geht Ihr Gesetzentwurf ins Leere. Hier ziehen wir - dies haben wir immer so vertreten - die Grenze.

(Beifall bei der FDP)

Für jede Form der Privatisierung gilt: Der grundrechtsrelevante Kernbereich des Maßregelvollzugs darf und wird nicht angetastet werden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Dann kön- nen Sie doch zustimmen!)

Insofern ist jede präventive Änderung des geltenden Gesetzes über den Maßregelvollzug völlig überflüssig.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen lassen Sie es nicht bei juristischen Bedenken bewenden. Ich zitiere erneut Herrn Helberg:

„Bei einer Privatisierung riskieren Sie, eine gut funktionierende Psychiatrie in gut aufgestellten Landeskrankenhäusern zu gefährden. Davon sollten Sie die Finger lassen. Damit machen Sie zu viel kaputt.“

(Beifall bei der SPD)

Das SPD-Fazit lautet also: Privatisierung macht kaputt. Dies ist eine implizite Diffamierung sämtlicher privater Betreiber.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ihr Weltbild lässt es offenbar nicht zu, dass etwas Gutes durch etwas noch Besseres ersetzt werden könnte.

Zurück zum Juristischen: In derselben Landtagssitzung sagte Frau Helmhold - ich zitiere erneut -:

„Aber jetzt zum Grundsätzlichen: Die Entscheidung des Landgerichts Flensburg und der vor dem Oberlandesgericht Schleswig anhängige Streit um die Zulässigkeit der Privatisierung zeigen, dass diesem Vorhaben schwerwiegende rechtliche Bedenken gegenüberstehen.“

Genau zwei Wochen später hat das Oberlandesgericht Schleswig entschieden. Danach spricht bei

der Privatisierung - ich zitiere aus der Pressemitteilung des OLG Schleswig vom 24. Oktober 2005 - „nichts für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit“. Genau dasselbe gilt auch für Niedersachsen.

(Heike Bockmann [SPD]: Weil es um Landesrecht geht! Die haben das Thema überhaupt nicht behandelt!)

Die Beratung im Ausschuss hat keine neuen Erkenntnisse gebracht. Ob es zu einer Privatisierung der Landeskrankenhäuser kommt, ist noch nicht endgültig entschieden. Aber die Fraktionen von FDP und CDU haben im November ganz klare Standards beschlossen, an denen sich jede Privatisierung orientieren muss und wird. Dazu gehören patientengerechte Qualitätsstandards, die Wahrung der Rechte der Beschäftigten, eine Vielfalt von Trägern und der grundrechtsrelevante Kernbereich des Maßregelvollzugs im alleinigen Verantwortungsbereich des Landes. Damit erübrigt sich jeder Gedanke an eine Gesetzesänderung wie diejenige, die Sie hier fordern.

Ein letzter Satz: Frau Helmhold, nach Ihren Worten eben müssten Sie eigentlich mit uns gegen diesen Gesetzentwurf stimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da haben Sie etwas falsch verstanden!)

Für die Landesregierung hat sich Frau Ministerin Ross-Luttmann zu Wort gemeldet. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon bei der ersten Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfes im Oktober letzten Jahres gab es keinen Grund für Ihren Vorschlag, die bestehende Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 des Maßregelvollzugsgesetzes aufzuheben. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wir müssen uns ganz anderen Fragestellungen widmen: Weil wir die psychiatrische Versorgung psychisch kranker Menschen künftig und auf Dauer auf hohem Niveau sicherstellen wollen, muss es zu Strukturveränderungen in den Häusern kommen.

(Beifall bei der CDU)

Der Handlungsdruck ist enorm. Wir konzentrieren uns daher darauf, im Dialog mit allen Beteiligten - den Personalräten, den Krankenhausleitungen, den Beschäftigten - Lösungen für Psychiatrie und Maßregelvollzug zu schaffen. Dies geht aber nicht, wenn wir uns von vornherein aller möglichen Alternativen begeben, wie Sie es in Ihrem Gesetzentwurf fordern. Die Landesregierung wird sich nicht selbst in ihren Möglichkeiten beschneiden, sinnvolle Konzepte für die Sicherung und Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs in diesem Lande zu erarbeiten. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von der SPD, dass Sie leider den Stillstand in der Psychiatrie wollen.

(Heike Bockmann [SPD]: Nein, wir wollen Sicherheit!)

Wir dagegen wollen ihre Fortentwicklung. Von daher freue ich mich, Frau Helmhold, dass Sie den Handlungsdruck in den Häusern sehen und Vorschläge unterbreiten.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen dazu auch die Option, uns in den Teilbereichen des Maßregelvollzugs, wo es rechtlich möglich ist, Dritter bedienen zu können, die manche Aufgabe schneller, besser und auch kostengünstiger erledigen können.

(Zuruf von der SPD: Besser geht es bestimmt nicht!)

Der gesamte grund- und verfassungsrechtsrelevante Kernbereich des Maßregelvollzugs, Frau Bockmann, verbleibt selbstverständlich auch weiterhin in staatlicher Zuständigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Falsche Behauptungen werden durch Wiederholungen nicht richtig.

(Beifall bei der CDU)

Das Land übernimmt auch weiterhin die Verantwortung. Deshalb ist Ihr Gesetzentwurf nicht nur schlichtweg überflüssig, sondern, was noch viel schlimmer ist, er hemmt auch jede Fortentwicklung. Daher muss er abgelehnt werden.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.