Protocol of the Session on November 11, 2005

(Reinhold Coenen [CDU]: Das kann er doch nicht!)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Möllring.

Nein. Wenn Herr Schwarz korrekt zitiert hätte, dann hätte er sagen müssen, dass sich ein Mitarbeiter im Auftrag der angeschriebenen Abgeordneten und des angeschriebenen Fraktionsvorsitzenden für das Schreiben bedankt hat, das mehr eine Art Flugblatt war - es war eine E-Mail der entsprechenden Gewerkschaft - und am 22. Dezember 2002 versandt worden ist. Darauf hat der wissenschaftliche Mitarbeiter im Namen des Ministerpräsidenten und im Namen - -

(Jacques Voigtländer [SPD] hält ein Schreiben hoch)

- Ich meine das, was die Gewerkschaft geschrieben hat. Die Gewerkschaft hat eine E-Mail versandt. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.

Zur Beweislegung Herr Minister Möllring!

(Bernd Althusmann [CDU]: Ihr wisst gar nicht, worauf er geantwortet hat! Das ist das Problem!)

Sie müssen dann, wenn Sie die Landesregierung fertig machen wollen, wenigstens korrekte Unterlagen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Minister Möllring hält ein Schreiben hoch!)

Dies ist von der Gewerkschaft FNL - Fachgewerkschaft Niedersächsische Landeskrankenhäuser im Deutschen Beamtenbund unter dem Datum Weihnachten 2002 ins Internet gestellt und als E-Mail versandt worden. Auch diese E-Mail, die an mehrere Abgeordnete und deshalb auch an den Abgeordneten Wulff, den damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion, gegangen ist, ist

- das ist korrekt - von Herrn Einecke als wissenschaftlichem Mitarbeiter beantwortet worden, und zwar so, wie Sie es in dem Vorspann Ihrer Anfrage richtig zitiert haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Toller Gene- ralangriff!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen sehe ich nicht.

Ich stelle fest: Es ist 10.09 Uhr. Damit ist die Fragestunde für diesen Tagesordnungsabschnitt beendet.

Ich will Ihnen noch mitteilen, dass die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben werden.

Ich rufe nun auf den

Tagesordnungspunkt 3: 29. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/2325 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2351 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2352

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 2325, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 73. Sitzung am 9. November 2005 entschieden. Wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der Drucksache 2325, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen.

Inzwischen habe ich erfahren - vielleicht können Sie das aus dem Hause bestätigen -, dass die Fraktionen übereingekommen sind, über einige der Eingaben heute nicht abzustimmen, sondern sie an den Petitionsausschuss zurückzuüberweisen. Ich lese die Eingabennummern vor und hoffe diesbezüglich auf Ihr allgemeines Einverständnis. Es handelt sich um die Eingaben 1119/01 bis 1119/99, 2102/01 bis 2102/99 sowie 2130/01 bis 2130/44. Dabei geht es um die Aufenthaltsgenehmigung für eine Familie aus dem Kosovo. Diese Eingaben sollen an den Petitionsausschuss zu

rücküberwiesen werden. Wer so beschließen möchte - darüber können wir gleich im Vorfeld abstimmen -, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Ich sehe keine. Stimmenthaltungen? - Ich sehe ebenfalls keine Stimmenthaltungen. Dann ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Beratung der Änderungsanträge. Zur Eingabe 2411 betreffend Aufenthaltserlaubnis für eine Familie aus Bulgarien hat sich Herr Kollege Horn zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche zur Eingabe 2411, in der sich mehrere Petenten für ein Aufenthaltsrecht der Familie Jaber aus Hemmingen einsetzen.

Die Eheleute Nasredin und Emilia Jaber reisten im Jahre 1990 zusammen mit ihren Töchtern Leila und Neli in die Bundesrepublik ein und beantragten Asyl. Herr Jaber ist gebürtiger Libanese, Frau Jaber gebürtige Bulgarin. Laut Stellungnahme und Feststellung des Innenministeriums stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar.

Zur Begründung des Asylantrags wurde damals von Herrn und Frau Jaber angegeben, dass sie libanesische Staatsangehörige seien und aus dem Libanon kämen, wo sie zuvor vier bzw. fünf Jahre gelebt hätten. Dort seien sie durch die Hisbollah bedrängt worden, für diese Organisation zu arbeiten. Die Kinder Leila und Neli seien im Libanon geboren. Ihr Asylantrag wurde durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet abgelehnt, und die Familie wurde zur Ausreise aufgefordert. Da die Familie aber nicht im Besitz gültiger Pässe war und auch nicht freiwillig ausreiste, konnte sie nicht abgeschoben werden und wurde daher geduldet.

Im Oktober 1993 wurde dann der Sohn Marcel geboren. Die älteste Tochter Leila hat in der Zwischenzeit ihr Abitur gemacht, wird an der Uni studieren und hat insofern ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Auch die Kinder Neli und Marcel - sie sind übrigens gute Schüler - besuchen das Gymnasium und sind u. a. in einer Vielzahl von verschiedenen Vereinen aktiv.

Im Oktober 2000 stellte sich dann aber heraus, dass die Töchter Leila und Neli tatsächlich in Sofia und nicht, wie zuvor angegeben, im Libanon geboren worden sind. Somit war es auch nicht möglich, dass die Familie vor ihrer Einreise, wie noch im Asylverfahren behauptet, über vier bzw. fünf Jahre

im Libanon gelebt hat, da zumindest Neli erst kurz vor der 1990 erfolgten Einreise im Jahr 1989 in Sofia geboren wurde. Aus dem bulgarischen Nationalpass von Frau Jaber, der im Asylverfahren von ihr im Übrigen nicht vorgelegt worden war, ergab sich zudem, dass dort ein Besuchsvisum der deutschen Botschaft in Sofia für November 1990 eingetragen war, dem Zeitpunkt der Einreise der Familie in die Bundesrepublik.

Aus diesen Umständen ergibt sich zwangsläufig, dass die Eheleute Jaber nach ihrer Einreise im Jahr 1990 bei dem anschließenden Asylverfahren falsche Angaben gemacht haben. Tatsächlich sind sie - wie auch ihre Kinder - bulgarische Staatsangehörige und haben unmittelbar vorher auch nicht vier bzw. fünf Jahre im Libanon gelebt. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Familie bis zum Bekanntwerden der widersprüchlichen Tatsachen im Jahr 2000 seit damals zehn Jahren unter falschen Angaben in der Bundesrepublik gelebt hat und dass die Behörden zuvor entsprechend getäuscht wurden.

Durch die bulgarische Botschaft wurde im Juni 2005 ausdrücklich bestätigt, dass alle Familienangehörigen die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzen. Ein Asylantrag, in dem die Familie bei ihrer Einreise wahrheitsgemäß angegeben hätte, dass die Familienangehörigen bulgarische Staatsangehörige sind, wäre als unbegründet abgelehnt worden, da Asylgründe nicht vorgelegen haben. Die Familie wurde zunächst auch nur vor dem Hintergrund der unwahren Angaben der Eltern im Asylverfahren in der Bundesrepublik geduldet.

Ich will ausdrücklich sagen, dass mich die schwierige Situation der Kinder Neli und Marcel sehr berührt hat. Die beiden haben hier ihre Heimat. Es ist sicherlich nicht einfach, sich an eine neue Umgebung und an das Leben in Bulgarien zu gewöhnen. Es bleibt aber festzustellen, dass der Familie kein Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz gewährt werden kann, weil die Familie Jaber die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzt und ihr eine freiwillige Ausreise nach Bulgarien möglich ist. Die Familie hat im Übrigen zwischenzeitlich erklärt, freiwillig nach Bulgarien auszureisen. Außerdem besteht für die Kinder grundsätzlich die Möglichkeit, dort eine deutsche Schule zu besuchen.

Ein Votum auf Berücksichtigung des Anliegens der Petenten kommt vorliegend nicht in Betracht, weil dies lediglich bedeutet, dass die Landesregierung ersucht wird, im Rahmen des geltenden Rechts

dem Anliegen der Petenten zu entsprechen. Die geltende Rechtslage lässt aber die Erteilung eines Aufenthaltsrechts aus den dargelegten Gründen leider nicht zu. Es ist somit auf Sach- und Rechtslage zu entscheiden. - Ich danke Ihnen.

Zur gleichen Petition spricht Frau Kollegin Polat.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich schicke voraus, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als einzige Fraktion diese Petition strittig gestellt hat. Ebenso wie die Familie schwanken auch wir zwischen Hoffnung und Verzweiflung - das sage ich ausdrücklich -, weil noch heute Morgen angekündigt wurde, auch diese Petition von der Tagesordnung zu nehmen - so war zumindest das Signal von dieser Seite des Parlaments -, um noch einmal darüber zu beraten. Anschließend haben wir dann die Fraktionsspitze an der Ministerbank gesehen. Ergebnis: Kommando zurück, nachdem sie offenbar vom Innenminister eingenordet worden ist. - Hieran wird deutlich, dass die Trennung von Legislative und Exekutive missachtet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich würde mir wünschen, dass das Parlament auf dieser Seite mehr Mut gegenüber der Exekutive zeigen würde, insbesondere wenn es um Entscheidungen wie diese geht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Norbert Böhlke [CDU]: Bleiben Sie doch mal bei der Wahrheit!)

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Zitat beginnen:

„Mein Name ist Nelly Jaber. Ich bin seit 15 Jahren hier und mit einem Jahr hergekommen.... Wenn Sie mich oder meine Geschwister fragen würden, - - -“

- Entschuldigung!

„ - - - wo unsere Heimat ist, die Antwort wäre simpel und traurig zugleich - - -“

Tut mir Leid, ich kann nicht!

(Die Rednerin verlässt das Rednerpult und dann den Saal - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Darf ich übernehmen?)

Ja, selbstverständlich!

Meine Damen und Herren, ich verlese die Rede meiner Kollegin Filiz Polat.

„Mein Name ist Nelly Jaber. Ich bin seit 15 Jahren hier und mit einem Jahr hergekommen.... Wenn Sie mich oder meine Geschwister fragen würden, wo unsere Heimat ist, die Antwort wäre simpel und traurig zugleich, denn natürlich würden wir Deutschland angeben - wie sollten wir auch anders?“

So beginnt Neli, 16 Jahre alt, einen Text für einen Gottesdienst mit dem Titel „Warum dürfen wir nicht bleiben?“ zum diesjährigen Evangelischen Kirchentag am 27. Mai in Hannover.

Neli ist die jüngste Tochter der Familie, für die sich viele Menschen einsetzen und darauf hoffen, dass wir hier heute eine positive Entscheidung fällen. Diese Familie ist wie auch die anderen Fälle, die wir heute strittig gestellt haben, beispielhaft.

Trotz der äußerst schwierigen Entwicklungen, unter denen die Familie lebt, hat sie es geschafft, ihre Kinder in ihrer Entwicklung besonders zu fördern. Die älteste Tochter studiert mittlerweile, die Jüngsten besuchen das Gymnasium und sind in vielen Vereinen aktiv. Die jüngste Tochter beispielsweise sei aufgrund ihrer hervorragenden Entwicklung zur Chorsängerin im Mädchenchor Hannover, so der Pastor, unentbehrlich geworden.

Meine Damen und Herren, jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete, der oder die Lebensgeschichten von Familien mit Fluchthintergrund und langjährigem Duldungsstatus hier in Deutschland kennt und zum Teil auch persönlich kennen gelernt hat, weiß, was für eine besondere Leistung und Kraft es ist, die diese Menschen, Eltern und Kinder, hier aufbringen und leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)